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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.03.2005
Aktenzeichen: V ZB 42/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 518 Abs. 2 | |
ZPO § 519 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 3. März 2005
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. März 2005 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 21. September 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 10.805 €.
Gründe:
I.
Der Kläger hat die Beklagten als Gesamtschuldner u.a. auf Zahlung von 15.240,11 € zuzüglich Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat der Klage gegen die Beklagten zu 1 und 2 in Höhe von 10.805 € zuzüglich Zinsen stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte der Beklagten zu 1 und 2 (nachfolgend: die Beklagten) mit einem an dem letzten Tag der Berufungsfrist bei dem Oberlandesgericht per Telefax eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Darin sind beide Beklagte mit Namen und Anschriften sowie dem Zusatz "Beklagte und Berufungsklägerin" aufgeführt. Weiter heißt es:
"Namens des Berufungsklägers lege ich ... Berufung ein".
Außerdem enthält die Berufungsschrift folgenden Berufungsantrag:
"..., unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Anträgen des Berufungsklägers zu erkennen, notfalls dem Berufungskläger ... nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung abzuwenden ..."
Zusammen mit diesem Schriftsatz wurde das Urteil des Landgerichts ebenfalls per Telefax an das Oberlandesgericht übermittelt.
Mit Beschluß vom 21. September 2004 hat das Oberlandesgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erstreben.
II.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht die Person des Rechtsmittelführers nicht eindeutig fest. Zwar könne sie grundsätzlich durch Auslegung ermittelt werden; aber gleichwohl gelte, daß sich aus der Berufungsschrift zweifelsfrei ergeben müsse, wer Berufungsführer sein soll. Daran fehle es hier wegen der unterschiedlichen Bezeichnungen der Parteirollen der Beklagten. Der Umstand, daß sie Eheleute seien, spreche nicht dafür, daß sie beide Berufungsführer seien. Eheleute könnten sowohl zerstritten als auch davon unabhängig verschiedener Meinung darüber sein, ob ein Rechtsmittel eingelegt werden solle. Auch könne es bei der Abwägung des Prozeßrisikos für einen Ehepartner wirtschaftlich sinnvoll sein, es bei der erstinstanzlichen Verurteilung zu belassen. Das alles könnten außenstehende Dritte nicht erkennen.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2, 575 ZPO). Sie ist auch begründet.
1. Eine Entscheidung des Senats ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Der angefochtene Beschluß verletzt die Beklagten in ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Die Verfahrensgarantien des Grundgesetzes verbieten es, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren (BVerfGE 74, 228, 234; BVerfG NJW 1991, 3140). Das hat das Berufungsgericht nicht ausreichend beachtet.
2. Seine Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Zutreffend ist es allerdings davon ausgegangen, daß an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (siehe nur Beschl. v. 20. Januar 2004, VI ZB 68/03, NJW-RR 2004, 862 f. mit umfangreichen Nachweisen) ist der Formvorschrift des § 519 Abs. 2 ZPO (früher § 518 Abs. 2 ZPO) nur entsprochen, wenn bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist angegeben wird, für wen und gegen wen das Rechtsmittel eingelegt werden soll. Daran fehlt es, wenn in der Berufungsschrift anstelle des wirklichen Berufungsklägers ein anderer, mit ihm nicht identischer Beteiligter bezeichnet wird. Das bedeutet aber nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Rechtsmittelklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre. Vielmehr kann sie auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden.
b) Im Ansatz ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht bei der Auslegung der Berufungsschrift auch die beigefügte Ablichtung des erstinstanzlichen Urteils mit berücksichtigt. Das war hier notwendig, weil die entscheidende Frage, für wen der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten das Rechtsmittel eingelegt hat, allein anhand der Berufungsschrift nicht eindeutig beantwortet werden kann. Allerdings kommt in ihr der Wille zum Ausdruck, daß auf jeden Fall Berufung gegen das näher bezeichnete erstinstanzliche Urteil eingelegt werden sollte. Bereits deshalb begegnet die Auslegung der Berufungsschrift durch das Berufungsgericht rechtlichen Bedenken; denn sie berücksichtigt diesen Umstand nicht ausreichend. Darüber hinaus kann der Berufungsschrift nicht entnommen werden, daß das Rechtsmittel nur für einen Beklagten eingelegt werden sollte. Vielmehr ergeben sich aus dem Begriffswirrwarr der Bezeichnung der Beklagten hinsichtlich ihrer Parteirolle in dem Berufungsverfahren, der die Folge anwaltlicher Nachlässigkeit bei der Unterzeichnung der Berufungsschrift ist, eindeutige Anhaltspunkte dafür, daß das Rechtsmittel für beide Beklagte eingelegt worden ist. Denn beide sind als Berufungsführer bezeichnet. Daß sich dieses nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Angabe ihrer Namen und ihrer Anschriften und auch nicht bei der Formulierung des Berufungsantrags findet, ist allein nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist vielmehr, daß sich aus dem angefochtenen Urteil entnehmen läßt, daß beide Beklagte in der ersten Instanz von demselben Prozeßbevollmächtigten vertreten wurden, der auch die Berufungsschrift unterzeichnet hat. Darin ist er ebenfalls als Prozeßbevollmächtigter beider Beklagten bezeichnet. Daraus ergibt sich eindeutig, daß sie beide in der Berufungsinstanz von diesem Prozeßbevollmächtigten vertreten werden wollten. Folgerichtig ist dann allein, daß beide als Rechtsmittelführer auftreten. Das alles zusammen läßt vernünftige Zweifel daran, daß das Rechtsmittel für beide Beklagte eingelegt worden ist, nicht aufkommen.
c) Für die theoretischen Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht seine Zweifel an der Person des Berufungsführers begründet hat, gibt es in der Berufungsschrift und in dem erstinstanzlichen Urteil keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Sie sind deshalb für die Auslegung der Berufungsschrift nicht maßgeblich (Senat, Urt. v. 11. Juli 2003, V ZR 233/01, NJW 2003, 3203, 3204).
3. Die Auslegung der Berufungsschrift ergibt somit, daß beide Beklagte als Berufungskläger anzusehen sind. Mithin durfte das Berufungsgericht die Berufung nicht mit der in dem angefochtenen Beschluß gegebenen Begründung als unzulässig verwerfen. Auf die weiteren in der Rechtsbeschwerdebegründung vorgetragenen - fernliegenden - Gesichtspunkte, aus denen sich ergeben soll, daß die Berufung für beide Beklagte eingelegt worden sei, kommt es deshalb nicht mehr an.
4. Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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