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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.07.2007
Aktenzeichen: V ZB 48/06
Rechtsgebiete: ZPO, ZVG


Vorschriften:

ZPO § 234 Abs. 1 Satz 2 A
ZVG § 97 Abs. 2
ZVG § 98 Satz 2
a) Die Wiedereinsetzungsfrist für die Versäumung der Frist zur Begründung einer Rechtsbeschwerde kann in Anlehnung an §§ 575 Abs. 2 Satz 3, 551 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 2 ZPO angemessen verlängert werden, wenn dem Rechtsmittelführer die Prozessakten nicht zur Verfügung gestellt werden können.

b) Die Frist für die Beschwerde gegen den Zuschlag beginnt analog § 98 Satz 2 ZVG auch bei einem Beteiligten, der sein Recht gemäß § 97 Abs. 2 ZVG nachträglich im Beschwerdeverfahren anmeldet, mit der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses.


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 48/06

vom 5. Juli 2007

in dem Zwangsversteigerungsverfahren

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 5. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

beschlossen:

Tenor:

Dem Beteiligten zu 1 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.

Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 30. September 2005 wird zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten wird auf 28.454,63 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Stadt A. (Thüringen) betreibt wegen rückständiger Grundsteuern und anderer Forderungen die Zwangsversteigerung mehrerer im Grundbuch von A. eingetragener Grundstücke. Bei der Anordnung der Zwangsversteigerung am 13. Februar 2001 waren sämtliche Grundstücke im Grundbuch als Eigentum der Schuldnerin ausgewiesen. In der Abteilung II war seit dem 4. Januar 2000 eine Auflassungsvormerkung zugunsten des Beschwerdeführers eingetragen. Sie betraf unter anderem eine Teilfläche von ca. 1.785 qm aus dem Flurstück 67/2, das im Bestandsverzeichnis unter Nr. 2 mit einer Größe von insgesamt 11.278 qm gebucht war. Da das Amtsgericht den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers nicht ermitteln konnte, bestellte es ihm zunächst einen Zustellungsvertreter. Am 13. Februar 2002 wurde dann die Beteiligte zu 5 als neue Berechtigte der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer nicht mehr an dem Verfahren beteiligt. Ihre Absicht, die Beteiligte zu 5 zu gründen, hat deren alleinige Gründungsgesellschafterin, die Beteiligte zu 6, inzwischen aufgegeben.

Nachdem in einem ersten Versteigerungstermin kein Gebot abgegeben worden war, bestimmte das Amtsgericht am 31. Januar 2005 einen zweiten Termin auf den 27. April 2005. In diesem Termin blieb die Ersteherin Meistbietende. In einem Verkündungstermin am 11. Mai 2005 erhielt sie den Zuschlag mit der Maßgabe, dass keine eingetragenen Belastungen bestehen bleiben. Am gleichen Tage wurde das Flurstück 67/5 von dem versteigerten Grundstück abgeschrieben und auf einem neuen Blatt als Eigentum des Beschwerdeführers eingetragen. Dabei wurden sowohl der Zwangsversteigerungsvermerk als auch die Auflassungsvormerkung zugunsten der Beteiligten zu 5 mit übertragen.

Am 13. Juni 2005 legte der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde ein mit dem Antrag, den Zuschlagsbeschluss, der ihm nicht zugestellt worden war, aufzuheben. Er behauptete, erst am 30. Mai 2005 von diesem Beschluss erfahren zu haben. In der Sache berief er sich auf das Eigentum an dem Flurstück 67/5. Dieses Recht stehe der Erteilung des Zuschlags entgegen, weil die zu seinen Gunsten bestellte Auflassungsvormerkung vor der Beschlagnahme eingetragen worden sei. Er habe bereits 1999 den Kaufpreis für die noch zu vermessende Teilfläche an die Schuldnerin gezahlt und seine Rechte aus der Auflassungsvormerkung später an die Beteiligte zu 5 abgetreten. Am 1. März 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet.

Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat sie als unbegründet zurückgewiesen. Mit seiner von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Zuschlags erreichen. Die Ersteherin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde, die sie für unzulässig, jedenfalls aber für unbegründet hält. Der Senat hat dem Rechtsbeschwerdeführer auf seinen fristgerechten Antrag Prozesskostenhilfe bewilligt; der Vorsitzende hat die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde antragsgemäß verlängert, weil dem Rechtsbeschwerdeführer die Gerichtsakten nicht zur Verfügung standen.

II.

Das Beschwerdegericht meint, die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde könne dahinstehen, weil das Rechtsmittel jedenfalls unbegründet sei. Ein von Amts wegen zu prüfender Versagungsgrund nach § 83 Nr. 6 und 7 ZVG sei nicht gegeben. Das Amtsgericht habe die Bekanntmachungsfrist des § 43 Abs. 1 ZVG ebenso eingehalten wie die in § 73 Abs. 1 ZVG vorgeschriebene Bietzeit, und die Fortsetzung des Verfahrens sei wegen der unterbliebenen Beteiligung des Beschwerdeführers nicht unzulässig gewesen. Andere Versagungsgründe seien auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht ersichtlich. Insbesondere habe das Amtsgericht weder die Vorschriften über die Feststellung des geringsten Gebots verletzt noch habe der Erteilung des Zuschlags ein Recht des Beschwerdeführers entgegengestanden (§ 83 Nr. 1 und 5 ZVG). Ein aus der Auflassungsvormerkung abgeleitetes Recht des Beschwerdeführers sei nachrangig.

III.

Diese Erwägungen halten im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

a) Der Beschwerdeführer hat zwar die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde versäumt. Ihm war aber Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Fristen zu gewähren, weil er zur Einlegung des Rechtsmittels und seiner Begründung auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe angewiesen war und diese erst danach bewilligt wurde.

b) Der Beschwerdeführer hat auch die Wiedereinsetzungsfrist gewahrt.

aa) Er hat die Rechtsbeschwerde innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist eingelegt. Die Begründung des Rechtsmittels hat er zwar nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist von insoweit einem Monat (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) eingereicht. Das ist aber unschädlich, weil er rechtzeitig vor Ablauf die Verlängerung der Frist beantragt, die Verlängerung der Frist durch den Senatsvorsitzenden erreicht und die Begründung innerhalb der verlängerten Frist vorgelegt hat. Auf die Wirksamkeit dieser Fristverlängerung durfte der Beschwerdeführer vertrauen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn eine solche Verlängerung schlechthin und offensichtlich ausgeschlossen wäre. Das ist aber nicht der Fall.

bb) Allerdings sieht das Gesetz, das ist der Ersteherin zuzugeben, eine Verlängerung der Wiedereinsetzungsfrist für die Versäumung der Begründungsfrist nach § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht vor. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung von § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO den gegen die Verfassungsmäßigkeit der früheren Regelung bestehenden Bedenken (BGH, Beschl. v. 9. Juli 2003, XII ZB 147/02, NJW 2003, 3275, 3276) hat Rechnung tragen wollen. Diese Neuregelung stellt die bedürftige Partei aber nach wie vor deutlich schlechter als die nicht bedürftige Partei. Während die nicht bedürftige Partei in den Grenzen des § 575 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 551 Abs. 2 Sätze 5 und 6 ZPO eine Verlängerung der Begründungsfrist erhält, steht der bedürftigen Partei dieses Recht nicht zu, wenn ihr Prozesskostenhilfe so spät bewilligt wird, dass sie auch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Begründungsfrist beantragen muss. Ob diese Unterscheidung sachlich gerechtfertigt ist, ist zweifelhaft (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 234 Rdn. 7a). Diese und die weitere Frage, ob dem angesichts des gesetzgeberischen Willens im Wege der (verfassungskonformen) Auslegung begegnet werden kann, bedürfen hier in dieser Allgemeinheit keiner Entscheidung.

cc) Es geht nämlich um den Sonderfall, dass die Partei zu einer Begründung der Rechtsbeschwerde innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist nicht in der Lage ist, weil ihr die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt werden können. Diesen Sonderfall hat der Gesetzgeber bei der Schaffung von § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht gesehen. Er hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1984, 941) und des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2002, 992) aufgreifen wollen (Entwurfsbegründung in BT-Drucks. 15/1508 S. 17). Diese haben die frühere Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen in verfassungskonformer Auslegung auf jedenfalls einen Monat verlängert. Sie waren dabei aber davon ausgegangen, dass die Partei zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung inhaltlich in der Lage ist. Gerade daran fehlt es, wenn der Partei die Gerichtsakten nicht zur Verfügung gestellt werden können. Das hat der Gesetzgeber in der Begründung der im gleichen Gesetz geschaffenen Möglichkeit, die Begründungsfrist bei Fehlen der Gerichtsakten zu verlängern, ausdrücklich anerkannt (BT-Drucks. 15/1508 S. 21). Die Gesetzesmaterialien lassen nicht erkennen, dass der Gesetzgeber auch in einem solchen Fall eine Begrenzung der Wiedereinsetzungsfrist auf einen Monat erreichen wollte. Sie lassen im Gegenteil erkennen, dass der Gesetzgeber dieser Schwierigkeit durch eine Verlängerung der Begründungsfrist Rechnung tragen wollte und im Ergebnis des Gesetzgebungsverfahrens auch Rechnung getragen hat. Könnte die Wiedereinsetzungsfrist für die Einreichung der Rechtsmittelbegründung auch dann nicht verlängert werden, wenn der Partei in diesem ohnehin knappen Zeitraum die Akten nicht oder erst so spät zur Verfügung gestellt werden, dass sie nicht mehr rechtzeitig zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung ausgewertet werden können, verfehlte die Verlängerung der Wiedereinsetzungsfrist auf einen Monat ihren Zweck. Nach dem an anderer Stelle geäußerten Willen des Gesetzgebers muss § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO teleologisch erweiternd ausgelegt werden. Dies führt dazu, dass die Frist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO in Anlehnung an § 551 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 2 ZPO angemessen verlängert werden kann. Das ist hier geschehen. Die verlängerte Frist ist eingehalten.

2. Die während des Rechtsbeschwerdeverfahrens erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin bleibt nach § 30d ZVG ohne Einfluss auf das vorliegende Verfahren.

3. Die Rechtsbeschwerde ist aber unbegründet, weil die Beschwerde unzulässig war.

a) Der Beschwerdeführer war allerdings beschwerdeberechtigt. Dies folgt indessen nicht aus § 97 Abs. 1 ZVG. Denn zum Zeitpunkt des Zuschlags war er kein Beteiligter mehr. Er war zwar zunächst kraft Gesetzes an dem Verfahren beteiligt, weil zur Zeit der Eintragung des Versteigerungsvermerks eine Auflassungsvormerkung zu seinen Gunsten im Grundbuch eingetragen war (§ 9 Nr. 1 ZVG). Diese Stellung hat er aber verloren, als die Vormerkung am 13. Februar 2002 auf die Beteiligte zu 5 umgeschrieben wurde (vgl. Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 9 Rdn. 3 unter 3.12). Bis zur Erteilung des Zuschlags hat der Beschwerdeführer auch keine neue Anmeldung nach § 9 Nr. 2 ZVG vorgenommen. Seine Beschwerdeberechtigung ergibt sich jedoch aus § 97 Abs. 2 ZVG. Denn er ist am Tag des Zuschlags als Eigentümer des Flurstücks 97/5 in das Grundbuch eingetragen worden und hat dieses anmeldepflichtige Recht mit der sofortigen Beschwerde geltend gemacht. Das stellt eine nachträgliche Anmeldung im Beschwerdeverfahren dar (vgl. Stöber, aaO, § 9 Rdn. 4 unter 4.1), die gemäß § 97 Abs. 2 ZVG genügt, um die Beschwerdeberechtigung zu begründen. Einer Glaubhaftmachung bedurfte es hierzu nicht, weil das angemeldete Recht aus dem Grundbuch ersichtlich ist.

b) Die am 13. Juni 2005 eingelegte sofortige Beschwerde war aber verspätet. Denn für den Beschwerdeführer begann die zweiwöchige Notfrist der § 96 ZVG, § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bereits mit der Verkündung des Zuschlags am 11. Mai 2005.

aa) Nach dem Wortlaut des § 98 Satz 2 ZVG beginnt die Beschwerdefrist im Falle der Erteilung des Zuschlags nur für die Beteiligten, welche im Versteigerungs- oder Verkündungstermin anwesend waren, mit der Verkündung. Für die übrigen Beschwerdeberechtigten enthält das Zwangsversteigerungsgesetz keine Sonderregelung, so dass die Frist gemäß § 96 ZVG, § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO grundsätzlich mit der Zustellung des Zuschlagsbeschlusses, und wenn diese verfahrensfehlerhaft unterbleibt, mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung beginnt (Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 98 Rdn. 3; Stöber, aaO, § 98 Rdn. 2 unter 2.7; vgl. auch Korintenberg/Wenz, ZVG, 6. Aufl., § 98 Anm. 3 b; Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., § 98 Rdn. 3; Steiner/Storz, Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung, 9. Aufl., § 98 Rdn. 6 bis 9 und Reinhard/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 98 Rdn. 5 bis 8 für die Rechtslage vor dem 1. Januar 2002). Dementsprechend schreibt § 88 Satz 1 ZVG vor, dass der Beschluss, durch welchen der Zuschlag erteilt wird, den nicht erschienenen Beteiligten und den übrigen nach § 97 Abs. 1 ZVG beschwerdeberechtigten Personen zuzustellen ist. § 88 Satz 2 ZVG erstreckt die Zustellungspflicht darüber hinaus auf potentielle Beschwerdeführer, die ihr Recht zwar angemeldet, aber noch nicht glaubhaft gemacht haben. Der Fall des § 97 Abs. 2 ZVG wird von dieser in sich geschlossenen Regelung nicht erfasst. Denn wer erst bei dem Beschwerdegericht ein Recht im Sinne von § 9 Nr. 2 ZVG anmeldet, war bei der Erteilung des Zuschlags noch kein Beteiligter, so dass er weder den Tatbestand des § 98 Satz 2 ZVG erfüllt noch Adressat einer Zustellung nach § 88 ZVG sein kann.

bb) Diese Besonderheit, die in der Rechtsprechung bisher keine Bedeutung erlangt hat und auch im Schrifttum nur vereinzelt bemerkt worden ist (Korintenberg/Wenz, aaO, § 98 Anm. 3 b), hat aber nicht zur Folge, dass die Beschwerdefrist im Fall des § 97 Abs. 2 ZVG erst fünf Monate nach der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses beginnt. Wie die Gesetzesmaterialien zeigen, beruht sie nämlich auf einer planwidrigen Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung von § 98 Satz 2 ZVG zu schließen ist.

(1) Die Vorschrift des § 97 Abs. 2 ZVG geht auf den von der BGB-Kommission erarbeiteten Entwurf eines Gesetzes betreffend die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen aus dem Jahr 1889 zurück. Sie findet sich in § 128 Abs. 2 dieses Entwurfs und hat ihr Vorbild in § 87 Abs. 1 S. 2 des gleichnamigen preußischen Gesetzes vom 13. Juli 1883 (GS S. 131; vgl. Jäckel/Güthe, aaO, § 97 Rdn. 2). Nach den Motiven zu dem Entwurf (Amtliche Ausgabe, 1889, S. 247) gibt sie dem Beschwerdeführer Gelegenheit, die bisher versäumte Anmeldung seines Rechts in der Beschwerdeinstanz nachzuholen. Sie soll ihm aber nicht die Möglichkeit verschaffen, seine Anmeldung und damit auch die Rechtskraft des Zuschlags noch weiter hinauszuschieben. Deshalb war in § 136 Abs. 1 Satz 2 des Entwurfs ebenso wie in § 90 des preußischen Gesetzes vorgesehen, dass die Beschwerdefrist für diejenigen Personen, denen der Beschluss nicht zuzustellen ist, mit der Verkündung beginnt (vgl. die Motive, aaO, S. 244 und S. 257). Diesen allgemeinen Tatbestand, der auch den Fall des § 97 Abs. 2 ZVG umfasst, hat der Gesetzgeber nicht in § 98 Satz 2 ZVG übernommen, weil er den von der Zivilprozessordnung abweichenden Beginn der Beschwerdefrist bei der Erteilung des Zuschlags auf die anwesenden Beteiligten beschränken wollte (vgl. die Denkschrift in: Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Bd. 5, S. 57). In den Materialien findet sich kein Hinweis darauf, dass dadurch auch demjenigen, der die rechtzeitige Anmeldung seines Rechts versäumt hat, ein über den Entwurf hinausgehendes und nach damaliger Rechtslage sogar unbefristetes Beschwerderecht eingeräumt werden sollte. Vielmehr zeigt § 88 ZVG, wonach im Unterschied zu § 125 des Entwurfs die Zustellung an alle nicht erschienenen Beteiligten zwingend vorgeschrieben ist, dass die beschränkte Wirkung der Verkündung die Rechtskraft des Zuschlags gerade nicht beeinträchtigen soll.

(2) Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den Beginn der Beschwerdefrist im Fall des § 97 Abs. 2 ZVG nur deshalb nicht geregelt hat, weil er die Möglichkeit einer nachträglichen Anmeldung im Beschwerdeverfahren übersehen und darum angenommen hat, die Einschränkung des § 98 Satz 2 ZVG werde durch die Erweiterung der Zustellungspflicht in § 88 ZVG vollständig ausgeglichen. Da die beiden Vorschriften im Übrigen genau aufeinander abgestimmt sind und ersichtlich gewährleisten sollen, dass die Beschwerdefrist entweder mit der Verkündung oder mit der Zustellung beginnt, ist diese Regelungslücke in entsprechender Anwendung des § 98 Satz 2 ZVG zu schließen. Die Beschwerdefrist beginnt also auch für denjenigen, der sein Recht erst bei dem Beschwerdegericht anmeldet, mit der Verkündung des Zuschlags (so auch Korintenberg/Wenz, aaO, § 98 Anm. 3 b). Dass sie damit unabhängig von seiner Kenntnis in Lauf gesetzt wird, verkürzt zwar die durch § 97 Abs. 2 ZVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit. Dies ist jedoch im Interesse der vom Gesetzgeber gewollten und gerade beim Zuschlag auch erforderlichen Rechtssicherheit geboten und gehört damit zu den Nachteilen, die der Beschwerdeführer wegen seiner verspäteten Anmeldung hinzunehmen hat (vgl. § 37 Nr. 5 ZVG).

(3) Die durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 eingeführte Neufassung des § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO steht der Analogie nicht entgegen. Sie sieht zwar vor, dass die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde unabhängig von der Zustellung des angefochtenen Beschlusses spätestens fünf Monate nach dessen Verkündung beginnt. Die planwidrige Regelungslücke im Zwangsversteigerungsgesetz wurde dadurch aber nicht geschlossen. Denn zum einen betrifft die aus § 516 ZPO a.F. (jetzt: § 517 ZPO) übernommene Neuregelung nur die Fälle einer verfahrensfehlerhaft unterbliebenen, mangelhaften oder nicht nachweisbaren Zustellung. Sie setzt nämlich voraus, dass der angefochtene Beschluss dem Beschwerdeführer zuzustellen war (vgl. § 329 Abs. 3 ZPO und BT-Drucks. 14/4722, S. 112), und ist darum kein Ersatz für die fehlende Vorschrift zum Beginn der Beschwerdefrist im Fall des § 97 Abs. 2 ZVG. Zum anderen ist das Zwangsversteigerungsgesetz zwar über § 869 ZPO als Teil der Zivilprozessordnung anzusehen. Es stellt dieser gegenüber aber ein Sondergesetz dar, dessen Vorschriften denen der Zivilprozessordnung vorgehen (Senat, BGHZ 44, 138, 143). Für die Vorschriften zur Zuschlagsbeschwerde ist dies in § 96 ZVG sogar ausdrücklich bestimmt. Demnach findet auch § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO nur insoweit Anwendung, als nicht in den §§ 97 bis 104 ZVG ein anderes vorgeschrieben ist. Dieser Vorbehalt gilt nicht nur für den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 98 ZVG, sondern auch für die nach dem Gesetzeszweck gebotene entsprechende Anwendung dieser Vorschrift im Fall des § 97 Abs. 2 ZVG.

c) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Beteiligte zu 1 nicht ausdrücklich beantragt. Seine Behauptung, erst am 30. Mai 2005 von dem Zuschlag erfahren zu haben, könnte zwar als Wiedereinsetzungsantrag verstanden werden. Dann aber fehlt es an der Glaubhaftmachung (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sein Vorbringen genügte auch in der Sache nicht, um die Wiedereinsetzung zu begründen. Die fehlende Kenntnis von der Verkündung des Zuschlagsbeschlusses ist nämlich nicht unverschuldet im Sinne von § 233 ZPO. Dabei kann offen bleiben, ob sich der Verschuldensvorwurf bereits aus der Bekanntmachung der Terminsbestimmung mit der Aufforderung nach § 37 Nr. 5 ZVG ergibt. Denn der Beteiligte zu 1 wusste - zumindest aufgrund des Zwangsversteigerungsvermerks im Grundbuch - von dem anhängigen Verfahren und musste jedenfalls deshalb mit der Erteilung des Zuschlags rechnen. In derartigen Fällen vermag die Unkenntnis einer öffentlich zugestellten oder in Abwesenheit verkündeten Entscheidung die Wiedereinsetzung nur zu begründen, wenn die Partei alles getan hat, damit ihr die Entscheidung zur Kenntnis gebracht werden kann (vgl. BGHZ 25, 11, 13 und BGH, Beschl. v. 22. Juni 1977, IV ZB 28/77, VersR 1977, 932 sowie - für die Verkündung - BGH, Beschl. v. 30. April 1997, XII ZB 36/96, FamRZ 1997, 997, 998 f.). Der Beschwerdeführer war daher gehalten, das am Tag der Verkündung eingetragene Eigentum unverzüglich gemäß § 9 Nr. 2 ZVG bei dem Vollstreckungsgericht anzumelden. In diesem Fall hätte ihm der Zuschlag noch innerhalb der Beschwerdefrist bekannt gemacht werden können, und er wäre in der Lage gewesen, diese Frist einzuhalten. Dass der Fristbeginn im Zwangsversteigerungsgesetz nicht ausdrücklich geregelt ist, steht dem nicht entgegen. Denn in Anbe-tracht der zumindest zweifelhaften Rechtslage hätte der Beschwerdeführer den sichersten Weg wählen und die mit der Verkündung beginnende Frist wahren müssen (vgl. BGHZ 8, 47, 55; Senat, Beschl. v. 19. November 1992, V ZB 37/92, NJW 1993, 332, 333 und Beschl. v. 13. April 2000, V ZB 48/99, NJW-RR 2000, 1665, 1666).

III.

Ein Ausspruch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüber stehen. Das steht einer Anwendung von § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. dazu insbesondere Senat, Beschl. v. 25. Januar 2007, V ZB 125/05, BGH-Report 2007, 578, 579; ferner Beschl. v. 20. Juli 2006, V ZB 168/05, NJW-RR 2007, 143, und v. 26. Oktober 2006, V ZB 188/05, NJW-RR 2007, 194, 198).

Ende der Entscheidung

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