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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.09.2008
Aktenzeichen: V ZB 59/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 985
BGB § 1004
ZPO § 574 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 59/08

vom 25. September 2008

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. September 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 31. März 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.200 €.

Gründe:

I.

Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Auf dem Grundstück der Kläger befindet sich als Abgrenzung zu dem Grundstück der Beklagten ein in Sockel einbetonierter Maschendrahtzaun. Die dadurch bis zur tatsächlichen Grundstücksgrenze entstehende Fläche von 24 qm nutzen die Beklagten.

Die Kläger haben die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung des Zaunes beantragt. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Kläger keinen Herausgabe- und Beseitigungsanspruch aus §§ 985, 1004 BGB hätten. Die Berufung der Kläger hat das Landgericht - nach Erteilung eines Hinweises - durch Beschluss als unzulässig verworfen.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde wollen die Kläger unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Durchsetzung ihres - mit dem erstinstanzlichen Antrag übereinstimmenden - Berufungsantrags, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht erreichen.

II.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Berufung unzulässig, weil die Beschwer der Kläger nicht mehr als 600 €, sondern lediglich 100 € betrage. Denn sie verlangten nur die Beseitigung des Zaunes, nicht aber die Einräumung des Besitzes an dem dahinter liegenden Grundstücksteil. Aus einer Verurteilung der Beklagten zur Entfernung des Zaunes ergäbe sich nicht, dass diese die Teilfläche von 24 qm nicht weiter nutzen dürften. Die Rechtskraft eines Urteils werde nämlich durch die Anträge der Parteien und den Tenor begrenzt. Dass die Kläger und die Beklagten ebenso wie das Amtsgericht möglicherweise davon ausgegangen seien, dass eine Verurteilung zur Entfernung des Zaunes zugleich die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe der Teilfläche bedeute, ändere daran nichts. Deshalb bemesse sich die Beschwer der Kläger nur nach ihrem wirtschaftlichen Interesse an der Beseitigung der durch den Zaun allenfalls geringfügig und nicht nachhaltig entstandenen Substanzverletzung des Erdreichs in Verbindung mit einem wohl eher immateriellen Interesse an der Beseitigung einer eventuellen optischen Beeinträchtigung durch den Zaun.

III.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 575 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen vor; die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (Nr. 2 Alt. 2).

1. Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Ansicht hat das Berufungsgericht allerdings den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Denn es hat ihren Vortrag, dass sie sowohl in erster als auch in zweiter Instanz die Herausgabe der von den Beklagten genutzten Teilfläche verlangt hätten und dies habe das Amtsgericht auch so verstanden, in dem angefochtenen Beschluss sowohl zur Kenntnis genommen als auch erwogen. Es hat ihn lediglich rechtlich anders bewertet als die Kläger.

2. Das Berufungsgericht hat jedoch entgegen dem in Art. 19 Abs. 4 GG verankerten Justizgewährungsanspruch den Klägern den Zugang zur Berufungsinstanz in unzumutbarer Weise erschwert und damit gegen das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG als allgemeinem Prozessgrundrecht folgende Recht auf ein faires Verfahren verstoßen (vgl. BVerfGE 110, 339, 342).

3. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

a) Das Amtsgericht hat - allerdings ohne auf die Stellung eines entsprechenden Klageantrags hinzuwirken (§ 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO) - das Klageziel, nämlich auch die Herausgabe der durch den Maschendrahtzaun abgetrennten Teilfläche des Grundstücks der Kläger, richtig erkannt; die Beklagten sind ebenfalls davon ausgegangen, dass sie die Fläche herausgeben sollen. Die erstinstanzliche Klageabweisung beruht auf der Überlegung, dass die Kläger die Zufahrt zu der Garage der Beklagten unter Inanspruchnahme eines Teils ihres Grundstücks aus dem Gesichtspunkt des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses (§ 242 BGB) dulden müssen. Somit bildete der Herausgabeanspruch den rechtlichen Schwerpunkt des Prozesses. Insoweit sind die Kläger durch die Klageabweisung beschwert.

b) Diesen Umfang der Beschwer hat das Berufungsgericht verkannt, indem es zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die Rechtskraft eines Urteils durch die Anträge und den Tenor begrenzt werde. Richtig ist demgegenüber, dass zur Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft auch Tatbestand und Entscheidungsgründe einschließlich des Parteivorbringens heranzuziehen sind, wenn sich, wie bei Klageabweisungen, der Urteilsformel nicht mit genügender Bestimmtheit entnehmen lässt, worüber das Gericht entschieden hat (BVerfG NJW 2003, 3759).

c) Der Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts vom 6. März 2008 ändert an der rechtsfehlerhaften Behandlung der Sache nichts. Nachdem die Kläger daraufhin ihr Klageziel ausführlich dargelegt haben, musste das Berufungsgericht ihnen die Gelegenheit geben, dieses - gegenüber dem erstinstanzlichen Verfahren unveränderte - Ziel in dem Berufungsverfahren - gegebenenfalls mit einem sachdienlichen Antrag - weiter zu verfolgen. Diese Möglichkeit hat das Berufungsgericht ihnen mit dem angefochtenen Beschluss genommen.

IV.

Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens bemisst der Senat entsprechend den Angaben der Kläger mit dem Wert der Teilfläche.

Ende der Entscheidung

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