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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 15.04.1999
Aktenzeichen: V ZB 7/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 233 | |
ZPO § 85 Abs. 2 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
15. April 1999
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 15. April 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Schneider und Dr. Klein
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Januar 1999 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 17.013 DM.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung von 17.013 DM, die dieser im Zusammenhang mit der Abwicklung des Erwerbs einer Wohnung im Bauherrenmodell zugeflossen sein sollen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses ihr am 4. September zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 2. Oktober 1998 bei dem Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Benachrichtigung über den Eingang der Rechtsmittelschrift erreichte die Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten am 7. Oktober 1998.
Mit einem am 13. November 1998 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Berufung begründet. Sie sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Aus nicht nachvollziehbaren und nicht mehr aufklärbaren Gründen sei die Notierung der Berufungsbegründungsfrist mit entsprechender Vorfrist im Fristenkalender ebenso unterblieben wie die Überprüfung des vermerkten Fristendes anhand der schriftlichen Benachrichtigung vom Eingang des Berufungsschriftsatzes durch das Gericht. Die seit gut einem Jahr in der Kanzlei tätige, mit der Fristenüberwachung befaßte Sekretärin sei generell angewiesen, die Fristen selbständig mit einer Woche Vorfrist zu notieren und nach Eingang der gerichtlichen Nachricht über den Tag des Eingangs der Berufungsschrift das vermerkte Fristenende zu überprüfen und erforderlichenfalls zu berichtigen.
Durch Beschluß vom 20. Januar 1999 hat das Oberlandesgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen sowie den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe abgelehnt. Gegen diesen ihr am 28. Januar 1999 zugestellten Beschluß richtet sich die am 10. Februar 1999 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.
II.
Das Rechtsmittel ist begründet.
Nach § 233 ZPO setzt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand voraus, daß die Partei ohne ihr Verschulden gehindert war, die versäumte Frist einzuhalten. Dabei steht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO). Hier ist die Fristversäumung dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht anzulasten und deswegen die beantragte Wiedereinsetzung zu gewähren.
1. Ein Rechtsanwalt kann die Führung des Fristenkalenders und auch die Berechnung der üblichen, in seiner Praxis häufig vorkommenden, Fristen einem gut ausgebildeten und sorgfältig überwachten Büropersonal überlassen, sofern er durch geeignete allgemeine Anweisungen für einen verläßlichen, Fristversäumnisse möglichst vermeidenden Geschäftsgang Sorge getragen hat. Im Hinblick auf die Wahrung der Berufungsbegründungsfrist ist anerkannt, daß die Nachricht des Berufungsgerichts nicht abgewartet werden darf, in der der Tag des Eingangs der Berufungsschrift mitgeteilt wird. Das mutmaßliche Ende der Frist muß vielmehr schon früher vermerkt werden, nämlich bei oder alsbald nach der Einreichung der Berufungsschrift. Ein solcher Vermerk ist zu überprüfen und ggf. zu korrigieren, wenn später das genaue Eingangsdatum der Berufungsschrift durch die gerichtliche Eingangsbestätigung bekannt wird. Der Zugang dieser lediglich bestätigenden Mitteilung ist für den Lauf der Berufungsbegründungsfrist bedeutungslos; sie erleichtert dem Prozeßbevollmächtigten des Berufungsklägers lediglich seine vor allem ihm obliegende Aufgabe, sich über das Datum des Eingangs der Berufungsschrift zu vergewissern (st. Rspr., z.B. BGH, Beschl. v. 6. Mai 1997, VI ZB 12/97, NJW-RR 1997, 1153; v. 13. Juni 1996, VII ZB 7/96, NJW 1996, 2514).
2. Es kann offenbleiben, ob das, was die Klägerin zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuches fristgerecht vorgetragen hat, nicht schon ausreicht, um ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten an der Fristversäumung auszuräumen. Jedenfalls hat die Klägerin ihre Angaben mit der sofortigen Beschwerde noch in zulässiger Weise (vgl. BGH, Beschl. v. 13. Juni 1996, VII ZB 13/96, NJW 1996, 2513, 2514 m.w.N.) dahin erläutert, daß die generelle Anweisung dahin geht, die Frist in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bearbeitung der eingehenden Fristsachen "stets umgehend und in einem Arbeitsgang zunächst im Fristenkalender und sodann alsbald in der jeweiligen Prozeßakte mit Erledigungsvermerk als sog. rote Frist zu notieren". Dieser Vortrag ist noch zu berücksichtigen (vgl. BGH, aaO) und schließt ein der Klägerin zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozeßbevollmächtigten aus.
Ende der Entscheidung
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