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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: V ZB 71/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 129a Abs. 1 |
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 12. März 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,
den Richter Dr. Klein,
die Richterin Dr. Stresemann und
die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg vom 14. April 2008 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 800 EUR.
Gründe:
I.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 ordnete das Vollstreckungsgericht im Jahr 2002 die Versteigerung des im Eingang dieses Beschlusses genannten Flurstücks an. In dem Versteigerungstermin vom 20. April 2004 wurde es der Beteiligten zu 4 auf das Meistgebot von 800 EUR zugeschlagen.
Nachdem sich herausgestellt hatte, dass es sich bei dem Flurstück nicht um ein Grundstück im Rechtssinne handelt, hob das Vollstreckungsgericht den Beschluss über den Zuschlag am 12. Mai 2005 auf und versagte den Zuschlag. Dieser Beschluss wurde der Beteiligten zu 4 am 18. Mai 2005 zugestellt. Einen Tag später rief sie bei der zuständigen Rechtspflegerin an und widersprach der Aufhebung des Zuschlags. Mit Scheiben vom 6. Juni 2005 legte die Beteiligte zu 4 "Widerspruch" gegen den Beschluss ein.
Ende 2007 hat das Vollstreckungsgericht den als sofortige Beschwerde gewerteten Widerspruch dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt. Dieses hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 4 weiterhin die Aufhebung des den Zuschlag versagenden Beschlusses.
II.
Das Beschwerdegericht hält das von der Beteiligten zu 4 eingelegte Rechtsmittel für verfristet. Die gegen den Aufhebungsbeschluss statthafte sofortige Beschwerde sei innerhalb der am 1. Juni 2005 abgelaufenen zweiwöchigen Beschwerdefrist weder schriftlich noch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt worden. Der am 19. Mai 2005 telefonisch erhobene Widerspruch sei unbeachtlich, da eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle nicht fernmündlich abgegeben werden könne. Der Beteiligten zu 4 sei keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, da sie die Rechtsmittelfrist nicht ohne ihr Verschulden versäumt habe. Es habe ihr in eigener Verantwortung obgelegen, sich über Form und Frist eines Rechtsmittels zu erkundigen. Zu einer entsprechenden Belehrung sei die Rechtspflegerin nicht verpflichtet gewesen; dass sie eine unzutreffende Auskunft erteilt habe, werde nicht behauptet.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht nimmt zu Recht an, dass die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4 verfristet ist.
1.
Der Beschluss über die Aufhebung und Versagung des Zuschlags war innerhalb von zwei Wochen ab seiner Zustellung (§ 569 Abs. 1 ZPO) mit der sofortigen Beschwerde (§ 793 ZPO) anfechtbar; diese konnte durch Einreichung einer Beschwerdeschrift (§ 569 Abs. 2 ZPO) oder mittels Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden (§ 569 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m § 78 Abs. 1 ZPO). Da die Einlegungsfrist am 1. Juni 2005 endete, kann sie nur durch die telefonische Mitteilung der Beteiligten zu 4 vom 19. Mai 2005 gewahrt worden sein. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, handelt es sich dabei aber schon deshalb nicht um eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle, weil diese nicht fernmündlich abgegeben werden kann.
a)
Allerdings wird die telefonische Einlegung eines Rechtsmittels zu Protokoll der Geschäftsstelle teilweise für zulässig erachtet (so für § 21 Abs. 2 FGG: Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl., § 21 Rdn. 12; für § 314 StPO: LG Münster NJW 2005, 166 ) oder für den Fall nicht ausgeschlossen, dass ein Urkundsbeamter zur Entgegennahme und Protokollierung der Erklärung bereit ist (so offenbar Stein/Jonas/Leipold, ZPO 22. Aufl., § 129a Rdn. 12; Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 129a Rdn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 129a Rdn. 9, die lediglich eine Amtspflicht zur Aufnahme telefonischer Erklärungen verneinen).
b)
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht dagegen Einigkeit, dass eine Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder zur Niederschrift einer Behörde unwirksam ist, wenn sie nicht in körperlicher Anwesenheit des Erklärenden erfolgt (BGHSt 30, 64; BVerwGE 17, 166 ; 93, 45, 48 ; BFHE 80, 325); eine Ausnahme ist nur für den besonders ausgestalteten Einspruch im Bußgeldverfahren zugelassen worden (BGHSt 29, 173). Die Erwägungen, die den zu Straf-, Verwaltungs- und Finanzverfahren ergangenen Entscheidungen zugrunde liegen, gelten in gleicher Weise für die nach der Zivilprozessordnung durchzuführenden Verfahren.
Die Einlegung eines Rechtsmittels ist nicht nur aus Beweiszwecken an eine bestimmte Form gebunden, die Form soll es dem Gericht auch ermöglichen, sich Gewissheit über die Person des Erklärenden und über den Inhalt der Erklärung zu verschaffen (vgl. GmSOGB, BGHZ 144, 160, 162) , ferner soll sie den Betroffenen von dem übereilten Einlegen eines Rechtsmittels abhalten (vgl. BVerwGE 17, 166, 169) . Das ist bei einer mündlich zu Protokoll abzugebenden Erklärung nur dann ausreichend gewährleistet, wenn der Erklärende persönlich anwesend ist.
Bei einer fernmündlichen Übermittlung besteht eine weitaus größere Gefahr, dass es zu Missverständnissen über die Person des Anrufers und den Inhalt seiner Erklärung kommt. Häufig wird zunächst geklärt werden müssen, ob Anrufer und Erklärender identisch sind, ob ein Rechtsmittel eingelegt oder nur angekündigt werden soll, welches die anzufechtende Entscheidung und wer der Rechtsmittelführer ist. All dies lässt sich bei persönlicher Anwesenheit des Erklärenden wesentlich einfacher und beweiskräftiger feststellen (vgl. BGHSt 30, 64, 67 sowie BGH, Beschl. v. 9. Juli 1985, VI ZB 8/85, NJW 1985, 2650, 2651). Ferner kann der entgegennehmende Urkundsbeamte das Protokoll in Anwesenheit des Erklärenden erstellen und sich dieses anschließend genehmigen oder unterschreiben lassen, was ebenfalls zur Vermeidung von Unklarheiten und Ungenauigkeiten beiträgt (vgl. BFHE 80, 325, 333). Die Vergewisserung über das Gewollte ist nicht zuletzt deshalb erforderlich, weil das von dem Aufnehmenden zu fertigende Protokoll über die Erklärung als öffentliche Urkunde vollen Beweis dafür erbringt, dass eine bestimmte Erklärung von der im Protokoll bezeichneten Person abgegeben wurde (§ 415 ZPO, vgl. BGHSt 30, 64, 68) . Das Erfordernis, sich persönlich zu einem Gericht zu begeben, bietet zudem Gewähr dafür, dass der Rechtssuchende das Rechtsmittel nicht übereilt einlegt.
c)
Dafür, dass ein Rechtsmittel nicht telefonisch zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden kann, spricht auch die Vorschrift des § 129a Abs. 1 ZPO, die bestimmt, dass Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden können. Schon der Wortlaut legt nahe, dass der Erklärende "vor" dem Beamten der Geschäftsstelle erscheinen, also körperlich anwesend sein muss (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO 22. Aufl., § 129a Rdn. 12). Gestützt wird dies durch das erklärte Ziel der Regelung, den Schutz von Verfahrensbeteiligten zu verbessern, die sich in weiter Entfernung von dem Gericht aufhalten, an das sie ihre Anträge oder Erklärungen richten wollen; sie sollen die Möglichkeit haben, sich auch an ein näher gelegenes Amtsgericht zu wenden (vgl. BT/Drucks. 7/2729 S. 56). Dem liegt ersichtlich die Annahme zugrunde, dass der Rechtssuchende ein Gericht aufsuchen muss, um Erklärungen zu Protokoll abzugeben (vgl. MünchKomm-ZPO/Wagner, 3. Aufl., § 129a Rdn. 1; Wieczorek/Schütze/Borck, ZPO, 3. Aufl., § 129a Rdn. 12; Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 129a Rdn. 1).
d)
Eine fernmündliche Abgabe von Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht infolge der Entwicklung des modernen Telekommunikationsverkehrs zuzulassen. Zum einen war die technische Entwicklung in Bezug auf das Telefon bei Einfügung des § 129a ZPO im Jahr 1977 bekannt. Zum anderen ist der Zweck des Formerfordernisses, die Rechtssicherheit und die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten, auch bei der Nutzung moderner Kommunikationsmittel zu beachten (vgl. GmSOGB, BGHZ 144, 160, 165) . Schließlich besteht kein Bedürfnis, eine telefonische Rechtsmitteleinlegung als zulässig und wirksam anzuerkennen. Es ist dem nicht anwaltlich vertretenen Rechtssuchenden ohne weiteres zuzumuten, entweder ein Schreiben aufzusetzen oder sich persönlich zu einem Amtsgericht zu begeben (ebenso BVerwGE 17, 166, 169 f.) .
2.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) kommt nicht in Betracht, da diese nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr beantragt werden kann (§ 234 Abs. 3 ZPO). Innerhalb der - hier am 1. Juni 2006 abgelaufenen - Jahresfrist hat die Beteiligte zu 4 keinen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.
Ende der Entscheidung
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