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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.10.2007
Aktenzeichen: V ZB 75/07
Rechtsgebiete: ZVG
Vorschriften:
ZVG § 85a | |
ZVG § 97 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 18. Oktober 2007
in dem Zwangsversteigerungsverfahren
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 18. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
beschlossen:
Tenor:
Dem Beteiligten zu 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 23. November 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 150.000 €.
Gründe:
I.
Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks des Beteiligten zu 2. Der Verkehrswert des Objekts wurde auf 345.100 € festgesetzt.
Der erste Versteigerungstermin blieb mangels Abgabe von Geboten ergebnislos. Das Verfahren wurde einstweilen eingestellt und später auf Antrag der Beteiligten zu 1 fortgesetzt.
In dem folgenden Versteigerungstermin gab einzig der Terminsvertreter der Beteiligten zu 1 ein Gebot von 150.000 € ab. Das Vollstreckungsgericht versagte den Zuschlag gemäß § 85a Abs. 1 ZVG.
Dagegen hat der Schuldner sofortige Beschwerde eingelegt, weil nach seiner Meinung das Gebot unwirksam ist und deshalb habe zurückgewiesen werden müssen. Das Rechtsmittel ist erfolglos geblieben.
Mit der von dem Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will der Schuldner die Zurückweisung des Gebots erreichen.
II.
Das Beschwerdegericht hält die sofortige Beschwerde für zulässig, aber unbegründet. Das abgegebene Gebot sei wirksam, weil es kein Scheingebot sei.
Das hält einer rechtlichen Überprüfung im Ergebnis nicht stand.
III.
Die aufgrund ihrer Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 575 ZPO) und begründet. Das Berufungsgericht hat die sofortige Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen.
1. Der Beteiligte zu 2 ist beschwerdeberechtigt. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ergibt sich das allerdings nicht aus § 95 ZVG. Denn der Beteiligte zu 2 hat nicht eine vor der Beschlussfassung über den Zuschlag erfolgte Entscheidung, sondern die Zuschlagsentscheidung selbst angegriffen. Auf diese sofortige Beschwerde finden nach § 96 ZVG in erster Linie die Vorschriften der §§ 97 bis 104 ZVG Anwendung.
a) Nach § 97 Abs. 1 ZVG steht die Beschwerde im Fall der Versagung des Zuschlags dem betreibenden Gläubiger, dem Bieter, dessen Gebot nicht erloschen ist, und demjenigen zu, der nach § 81 ZVG an die Stelle des Bieters treten soll. Nach ganz überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ist der Schuldner in diesem Fall nicht beschwerdeberechtigt (siehe nur OLG Köln Rpfleger 1997, 176 f.; Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 97 Rdn. 8; Muth in Dassler/Schiffhauer/Gerhardt/Muth, ZVG, 12. Aufl., § 97 Rdn. 7; Eickmann, Zwangsversteigerungs- und Zwangsverwaltungsrecht, 2. Aufl., § 16 IV 5; Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 97 Rdn. 16; Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 97 Anm. 2.11). Demgegenüber wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass auch der Schuldner den Zuschlagsversagungsbeschluss mit der Beschwerde angreifen könne (Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 10. Aufl., D 5.4.1; Hintzen, Rpfleger 1997, 150 f.).
b) Für die vorliegende Fallkonstellation ist Letzteres richtig. Zwar haben die Vertreter der überwiegenden Auffassung den Gesetzeswortlaut auf ihrer Seite. Da nach § 97 Abs. 1 ZVG die Beschwerde im Fall der Erteilung des Zuschlags jedem Beteiligten zusteht, der Schuldner zu den Beteiligten gehört (§ 9 ZVG), aber im Fall der Zuschlagsversagung weder sämtliche Beteiligte noch der Schuldner als Beschwerdeberechtigte genannt werden, liegt die Annahme nahe, dass er die Versagung des Zuschlags nicht mit der Beschwerde angreifen kann. Aber diese formale Betrachtungsweise wird den schutzwürdigen Interessen des Schuldners nicht immer ausreichend gerecht. Diese berücksichtigt das Gesetz u.a. in der Regelung des § 85a Abs. 1 ZVG, nach welcher der Zuschlag zu versagen ist, wenn das abgegebene Meistgebot einschließlich des Kapitalwerts der nach den Versteigerungsbedingungen bestehen bleibenden Rechte die Hälfte des Grundstückswerts nicht erreicht. Damit soll im Interesse des Eigentümers die Verschleuderung von Grundstücken verhindert und ein wirtschaftlich vertretbares Ergebnis bei der Versteigerung bewirkt werden (BGH, Beschl. v. 10. Oktober 2003, IXa ZB 128/03, NJW-RR 2004, 302, 303). Die Vorschrift bezweckt somit, den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Schuldners vor einer Verschleuderung seines Grundbesitzes in der Zwangsversteigerung zu gewährleisten (vgl. BT-Drucks. 8/693, S. 52). Dieser Zweck wird nicht erreicht, wenn das Vollstreckungsgericht rechtsfehlerhaft den Zuschlag auf ein unwirksames Gebot nach § 85a Abs. 1 ZVG versagt, anstatt das Gebot zurückzuweisen (§ 71 Abs. 1 ZVG) und das Verfahren nach § 77 Abs. 1 ZVG einstweilen einzustellen oder es nach § 77 Abs. 2 ZVG aufzuheben bzw. die Zwangsverwaltung anzuordnen. Damit wird die gesetzliche Risikoverteilung (§§ 74a, 77, 85a ZVG), die das Fehlen von Bietern dem Risikobereich des Gläubigers zuweist und den Schuldner nach einer ergebnislosen Versteigerung weiterhin durch die Wertgrenzen der §§ 74a Abs. 1, 85a Abs. 1 ZVG vor einer Verschleuderung des Grundstücks schützt, unterlaufen (Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, WM 2007, 1522, 1525, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Um das zu vermeiden, muss - auch unter dem Blickwinkel der in Art. 14 GG verankerten Eigentumsgarantie - in einem solchen Fall der Schuldner die Möglichkeit haben, den Beschluss über die Versagung des Zuschlags mit der sofortigen Beschwerde anzufechten.
2. In der Sache hat die angefochtene Entscheidung jedoch keinen Bestand. Aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen kann die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts nicht als rechtmäßig angesehen werden.
a) Zu Recht hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass das von dem Terminsvertreter der Beteiligten zu 1 abgegebene Gebot kein Scheingebot ist. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 24. November 2005, V ZB 98/05, NJW 2006, 1355), auf die sich der Beteiligte zu 2 in den Tatsacheninstanzen berufen und die der Senat in einer neueren Entscheidung bestätigt hat (Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, WM 2007, 1522, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
b) Rechtsfehlerhaft hat das Beschwerdegericht jedoch das Gebot auch im Übrigen als wirksam angesehen. Das steht nicht in Einklang mit der neueren Senatsrechtsprechung (Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, aaO), nach welcher das Eigengebot des Gläubigervertreters, das ausschließlich darauf gerichtet ist, zugunsten des Gläubigers und zu Lasten des Schuldners die Rechtsfolgen des § 85a Abs. 1 und 2 ZVG herbeizuführen, rechtsmissbräuchlich und deshalb unwirksam ist, und nach der bei dem Eigengebot eines Gläubigervertreters eine tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht spricht, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen. Danach kommt hier die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und die Zurückweisung des Gebots (§ 71 Abs. 1 ZVG) mit der Folge der Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens oder der Anordnung der Zwangsverwaltung (§ 77 Abs. 2 ZVG) in Betracht; denn auch die Versagung des Zuschlags nach § 85a Abs. 1 ZVG setzt ein wirksames Meistgebot voraus (Senat, Beschl. v. 10. Mai 2007, V ZB 83/06, aaO).
aa) Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist davon auszugehen, dass der Terminsvertreter der Beteiligten zu 1 das Gebot im eigenen Namen abgegeben hat. In der Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Beschlusses heißt es zwar, das Gebot sei für die Beteiligte zu 1 abgegeben worden. Dabei handelt es sich aber um einen offensichtlichen Fehler; denn das Beschwerdegericht geht bei seiner rechtlichen Beurteilung selbst von einem Eigengebot des Terminsvertreters aus. Das entspricht den Feststellungen in dem Protokoll über den Versteigerungstermin, die die alleinige Grundlage für die Entscheidung über den Zuschlag bilden (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 78 Anm. 2.8).
bb) Somit spricht eine tatsächliche Vermutung für die missbräuchliche Absicht des Terminsvertreters, den von dem Gesetz bezweckten Schuldnerschutz zu unterlaufen. Sie kann allerdings dadurch widerlegt werden, dass ein gesetzeskonformes Interesse an der Abgabe des Eigengebots glaubhaft gemacht wird.
IV.
Nach alledem ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Der Beteiligten zu 1 ist Gelegenheit zu geben, etwaige Ausführungen zur Widerlegung der Vermutung des Rechtsmissbrauchs zu machen.
Ende der Entscheidung
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