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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 02.10.2003
Aktenzeichen: V ZB 8/03
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

-
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZB 8/03

vom 2. Oktober 2003

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 2. Oktober 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 28. Januar 2003 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Auf Grund eines Grundstückskaufvertrags der Parteien vom 24. August 2000 erwarb der Beklagte von der Klägerin eine 1.440 m2 Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin in K. zum Preise von 1,5 Mio. DM. In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte dazu, den Sitz seiner Firma in das Gebiet der Klägerin zu verlegen, das Grundstück zu bebauen und diese Bebauung mit der Klägerin "unabhängig vom öffentlich-rechtlichen Baugenehmigungsverfahren" abzustimmen. Mit einer privatschriftlichen Zusatzvereinbarung verpflichtete sich der Beklagte, einen Carport unter Einhaltung von dort festgelegten Höchstmaßen zu errichten und bei Verstößen hiergegen einen Rückbau vorzunehmen. Die Klägerin macht diesen Rückbauanspruch mit der Behauptung geltend, der errichtete Carport halte die Maße nicht ein.

Das Landgericht hat die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs festgestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beklagten, der den Verwaltungsrechtsweg für gegeben hält, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von dem Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Ob eine Streitigkeit öffentlich- oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283; BGHZ 97, 312, 313, 314 m. w. Nachw.). Dabei kommt es regelmäßig darauf an, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bedient oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt (BGHZ 97, 312, 313, 314; BSG, SozR § 51 SGG Nr. 61).

2. Die Natur vertraglicher Ansprüche wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Meist wird nicht auf den konkret geltend gemachten Anspruch, sondern darauf abgestellt, wo der Schwerpunkt der Vereinbarung liegt (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 3131 f.; 102, 280, 283; BGH, BGHZ 56, 365, 371 f.; 76, 16, 20; Urt. v. 7. Februar 1985, III ZR 179/83, NJW 1985, 1892, 1893; Senatsurt. v. 12. November 1986, V ZR 273/84, NJW 1987, 773; Urt. v. 12. November 1991, KZR 22/90, NJW 1992, 1237, 1238; Senatsbeschl. v. 6. Juli 2000, V ZB 50/99, NJW-RR 2000, 845; BVerwGE 22, 138, 140; 92, 56, 59; BSG SozR § 51 SGG Nr. 24 S. 56, 59). Teilweise wird aber auch auf das einschlägige Vertragselement abgestellt (BAG, NJW 1969, 1192; BVerwG, DÖV 1981, 878; BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, NJW 1998, 909, 910; BAG, NJW 1969, 1192; OVG Schleswig, NordÖR 2002, 309, 310). Ob und in welchem Umfang diese Beurteilungsansätze in einem inhaltlichen Gegensatz stehen oder sich im Hinblick auf die Behandlung gemischttypischer Verträge auch ergänzen und welchem Ansatz im allgemeinen zu folgen ist, bedarf jedenfalls im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Hier führt der eine wie der andere Beurteilungsansatz zur Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs.

3. Der Schwerpunkt des Vertrags liegt auf dem Gebiet des Zivilrechts. Auch die geltend gemachte Rückbauverpflichtung ist zivilrechtlicher Natur.

a) Der Vertrag der Parteien vom 24. August 2000 ist seinem wesentlichen Inhalt nach auf die Übertragung des Eigentums an der Teilfläche eines Grundstücks der Klägerin gegen Zahlung des ausbedungenen Kaufpreises gerichtet und damit ein Grundstückskaufvertrag, der dem Zivilrecht zuzurechnen ist. Die Regelung zur Bebauung des Grundstücks hat zwar einen Bezug zu den Aufgaben der Organe der Klägerin in ihrer Eigenschaft als Bauordnungsbehörde. Sie hat aber im Verhältnis zu dem eigentlichen Inhalt des Vertrags, nämlich dem Verkauf des Grundstücks an den Beklagten, nur untergeordnete Bedeutung und ändert nichts daran, daß dieser Vertrag insgesamt seinen Schwerpunkt im Zivilrecht hat. Diesen Schwerpunkt teilt die Vereinbarung der Parteien vom 21. November 2001, mit der diese die technischen Einzelheiten der Abstimmung der Bebauung mit der Klägerin nach dem Grundstückskaufvertrag vereinbart haben.

b) Nichts anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts, wenn man zur Beurteilung der Natur des Rechtsverhältnisses auf die konkret geltend gemachte Rückbauverpflichtung abstellt. Diese Verpflichtung füllt die Regelung des Vertrags über die Abstimmung der Bebauung des Grundstücks mit der Klägerin näher aus. Selbst wenn die Klägerin hiermit nur die Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Vorgaben hätte sicherstellen wollen, würde das nicht dazu zwingen, diese Verpflichtung als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorgaben kann auch in Privatrechtsform durchgesetzt werden (BGH, Urt. v. 7. Februar 1985, III ZR 179/83, NJW 1985, 1892, 1893). Hier bestanden solche Vorgaben noch nicht einmal. Der Carport war nach schleswig-holsteinischem Landesrecht nicht genehmigungspflichtig. Es bestand auch keine Gestaltungssatzung der Klägerin, an deren Vorgaben seine Errichtung auszurichten gewesen wäre. Die zivilrechtliche Qualifikation dieser Regelungen des Vertrags und der diese ausfüllenden Vereinbarung vom 21. November 2001 folgt aber vor allem auch daraus, daß die Klägerin mit diesen Regelungen zwei Verpflichtungen des Beklagten erreicht hat, die sie als Bauordnungsbehörde mit öffentlich-rechtlichen Mitteln nicht hätte durchsetzen können: Der Beklagte hat sich zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet, was sonst nur unter den besonderen, hier nicht gegebenen Voraussetzungen eines Baugebots möglich gewesen wäre. Außerdem hat er sich verpflichtet, die Bebauung seines Grundstücks schlechthin, also auch in solchen Punkten mit der Klägerin abzustimmen, die diese bauordnungsrechtlich und auch in einer Gestaltungssatzung nicht hätte vorschreiben können. Das war nur möglich, wenn und weil sich die Klägerin auf die Ebene des Zivilrechts begeben und die dann auch für sie geltende Privatautonomie genutzt hat. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin auch in anderen Fällen so vorgegangen ist. Das kann den zivilrechtlichen Prüfungsmaßstab für entsprechende vertragliche Regelungen verändern. An der zivilrechtlichen Einordnung dieses Handelns ändert das nichts.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren bemißt der Bundesgerichtshof bei der Rechtswegbestimmung bislang mit 1/5 des Hauptsachewerts (BGH, Beschl. v. 19. Dezember 1996, III ZB 105/96, WM 1997, 1077; Beschl. v. 4. März 1998, VIII ZB 25/97, BGHR GVG § 17a Abs. 4 Satz 1, Beschlußform 1; Senatsbeschl. v. 6. Juli 2000, V ZB 50/99, NJW-RR 2000, 845, 846). Zu einer abweichenden Beurteilung besteht kein Anlaß.



Ende der Entscheidung

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