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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.10.1998
Aktenzeichen: V ZR 116/98
Rechtsgebiete: BGB, GKG


Vorschriften:

BGB § 138
BGB § 818 Abs. 2
GKG § 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 116/98

Verkündet am: 16. Oktober 1998

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Vogt, Dr. Lambert-Lang, Tropf und Schneider

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 17. Februar 1998 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin hat mit der Klage aus abgetretenem Recht des Landwirts W. dessen Forderung aus einem von ihm mit der Beklagten am 16. Oktober 1985 geschlossenen Grundstückskaufvertrag geltend gemacht. In dem Kaufvertrag hatte W. der Beklagten unter anderem ein Grundstück in O. , E. straße , zum Preis von 360.000 DM verkauft. Der Kaufpreis sollte zum Betrag von 158.220 DM auf Notaranderkonto gezahlt, der Restbetrag von 201.780 DM gegen einen Provisionsanspruch verrechnet werden, den sich die Beklagte aus einem für W. vermittelten Geschäft errechnete. Die Klägerin hat mit der Klage einen Teilbetrag von 70.000 DM aus dem auf Notaranderkonto zu zahlenden Kaufpreisteil in Höhe von 158.200 DM mit der Behauptung gefordert, die Beklagte habe den Betrag nicht auf Notaranderkonto eingezahlt, jedenfalls sei er W. nicht ausgezahlt worden. Die Klägerin hat des weiteren die Zahlung des Betrages von 201.780 DM, die mit dem Provisionsanspruch der Beklagten hatten verrechnet werden sollen, mit der Begründung gefordert, die Provision sei wegen Scheiterns des von der Beklagten zu vermittelnden Grundstücksgeschäfts nicht entstanden oder jedenfalls entfallen und habe deshalb nicht verrechnet werden können.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beklagte habe nachgewiesen, daß sie den geschuldeten Teilkaufpreis in Höhe von 158.220 DM im Juli 1985 vereinbarungsgemäß auf Notaranderkonto gezahlt habe. W. sei insoweit selbst von einer ordnungsgemäßen Teilerfüllung des Kaufvertrages ausgegangen. Die Klägerin könne auch die Zahlung der mit dem Provisionsanspruch verrechneten 201.780 DM nicht verlangen, obwohl der Beklagten ein Provisionsanspruch nicht zugestanden habe, der mit dem Kaufpreisanteil habe verrechnet werden können. W. habe jedoch am 18. April 1989 - vor allem um sein Grundstück E. straße zurückzubekommen - mit der Beklagten einen Grundstückstauschvertrag geschlossen, in dem er, wie dessen Auslegung ergebe, stillschweigend auf die Zahlung dieses Restkaufpreises verzichtet habe.

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung; die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, die Berufung sei als unzulässig zu verwerfen gewesen, weil es an einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung fehle. Die Klägerin habe in ihrer Berufungsbegründung die Klage geändert, so daß das mit der Berufungsbegründung zur Entscheidung gestellte Rechtsschutzbegehren nicht, auch nicht teilweise, dasselbe sei wie in erster Instanz. Dort habe die Klägerin Kaufpreis-Teilbeträge aus dem Vertrag vom 10. Juni 1985 in Höhe von 70.000 DM und 201.780 DM gefordert. Die Berufungsbegründung müsse demgegenüber dahin verstanden werden, daß die Klägerin den nunmehr von ihr nur noch beanspruchten Betrag von 270.000 DM ausschließlich als teilweisen Wertersatz beanspruche, weil die Beklagte zur Rückgabe der ihr durch den Tauschvertrag vom 18. April 1989 von W. übertragenen Eigentumswohnungen nicht mehr imstande sei. Dieses Rechtsschutzziel der Klägerin ergebe sich aus der Berufungsbegründung Seite 17/18; dort habe die Klägerin deutlich gemacht, es gehe ihr nur noch um die Frage, ob die Beklagte ihr Schadensersatz oder Wertausgleich schulde, weil der Tauschvertrag nach § 138 BGB nichtig die Beklagte aber zur Herausgabe der Eigentumswohnungen außerstande sei; die Klägerin errechne sich einen Betrag von 624.000 DM als Wert der Eigentumswohnungen, von dem sie nunmehr einen Teilbetrag von 270.000 DM fordere. Es habe sich bei den entsprechenden Ausführungen nicht lediglich, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht habe, um Hilfsüberlegungen zu der Frage der Konsequenzen bei Nichtigkeit des Tauschvertrages gehandelt.

II.

Die Revision hat Erfolg; die Berufung der Klägerin ist nicht unzulässig.

Im Ansatz geht das Berufungsgericht zwar richtig davon aus, daß eine Berufung unzulässig ist, wenn mit ihr nicht zumindest teilweise die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegende Beschwer, sondern ausschließlich ein neuer, bisher nicht geltend gemachter, Anspruch verfolgt wird (BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210 m.N.). Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß die Klägerin mit ihrer Berufung, zumindest in erster Linie, die im ersten Rechtszug geltend gemachten zwei Teilkaufpreisansprüche aus dem Vertrag vom 10. Juni 1985 weiterverfolgt. Die Auslegung des Prozeßvortrages durch das Berufungsgericht bindet den Senat nicht; das Revisionsgericht kann Prozeßerklärungen vielmehr selbst auslegen (BGHZ 115, 286, 290; BGH, Urt. v. 18. Juni 1996 aaO m.N.). Die Auslegung ergibt, daß sich die Klägerin mit ihrer Berufung unter Vorlage zahlreicher Unterlagen gegen die Überlegungen gewandt hat, mit denen das Landgericht für die eingeklagten 70.000 DM Erfüllung durch Zahlung auf Notaranderkonto angenommen und für die Verrechnung mit Provisionsansprüchen hinsichtlich des Restkaufpreises von 201.780 DM davon ausgegangen ist, W. habe jedenfalls durch den Tauschvertrag vom 18. April 1989 auf eine Restzahlung verzichtet. In der Berufung wird zwar nur noch Zahlung von 270.000 DM anstatt der im ersten Rechtszug geforderten 271.780 DM gefordert; daraus ist jedoch schon deshalb nicht auf eine Änderung der Klagegrundlage zu schließen, weil Nutzungsentschädigung hilfsweise Zinsen, wie bisher auch schon, für diese Summe seit dem 1. August 1985 gefordert werden. Dies deutet darauf hin, daß, wie in erster Instanz, Ansprüche aus dem Vertrag vom 1. Juni 1985 weiterverfolgt werden; denn für einen Wertersatzanspruch nach § 818 Abs. 2 BGB wegen Nichtigkeit des Vertrages vom 18. April 1989 wäre die Geltendmachung eines Zinsanspruchs bereits ab Januar 1985 nicht erklärlich.

Die Berufungsbegründung leitet, nach einer Schilderung der verschiedenen vertraglichen Absprachen zwischen W. und der Beklagten, ihre Angriffe gegen die Erwägungen des Urteils des Landgerichts mit dem Obersatz ein, daß die Klägerin aufgrund der vorgelegten Abtretungsvereinbarung mit dem Landwirt W. von der Beklagten "die Rückzahlung eines Teilkaufpreises in Höhe von 70.000 DM aus dem Kaufvertrag W. /Beklagte vom 10. Juni 1985 (Ur.Nr. / des Notars J. ) sowie die Zahlung weiterer 201.780,00 DM" begehre. Dann trägt die Berufung vor, wie die Klägerin diese Ansprüche vor dem Landgericht begründet und mit welchen Erwägungen das Landgericht ihre Begründung als unerheblich angesehen und die Klage abgewiesen habe. Unter dem Obersatz, daß die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben könne, folgen auf den nächsten zehn Seiten Angriffe gegen die rechtlichen Erwägungen des Landgerichts. Hinsichtlich des durch Zahlung auf Notaranderkonto zu erbringenden Kaufpreisteiles von 158.200 DM rügt die Berufung vor allem, die Beklagte behaupte selbst nicht, der Verkäufer W. habe eine Zahlung aus dem Notaranderkonto erhalten. Das Landgericht habe verkannt, daß die Zahlung auf Notaranderkonto noch keine Erfüllung der Kaufpreisschuld dargestellt habe. Damit läßt die Berufungsbegründung zu diesem Teil des geltend gemachten Anspruchs, entgegen der Meinung des Berufungsgerichts, ausreichend erkennen, daß und mit welchen rechtlichen Angriffen sich die Klägerin gegen die Abweisung des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung zum Betrag von 70.000 DM wenden und eine entsprechende Verurteilung der Beklagten auf Zahlung dieses Betrages erreichen will.

Gleiches gilt wegen des Teiles des Kaufpreises aus dem Vertrag vom 10. Juni 1985, der mit einem angeblichen Provisionsanspruch der Beklagten verrechnet werden sollte. Insoweit wendet sich die Berufungsbegründung gegen die Erwägungen des Landgerichts, daß W. und die Beklagte mit dem Tauschvertrag vom 18. April 1989 jedenfalls einen "Schlußstrich" unter die Angelegenheit hätten ziehen wollen. Der Beklagten sei schon bei Abschluß des Vertrages vom 10. Juni 1985 bewußt gewesen, daß ihr ein Provisionsanspruch nicht zustehe, der Verkauf des Hauses E. straße an sie deshalb gar nicht nötig sei. Darüber habe sie als Maklerin des W. diesen aufklären müssen. Statt dessen habe sie jedoch den Irrtum des W. aufrechterhalten und ihn schließlich, weil er das Grundstück E. straße zurückhaben wollte, zu dem für sie weit vorteilhafteren Tauschvertrag bewogen. Das Landgericht verkenne, dies wird im einzelnen ausgeführt, daß sich schon aus dem Wortlaut des Tauschvertrages eine Absicht des W. , auf den noch offenstehenden Kaufpreis aus dem Geschäft von 1985 verzichten zu wollen, nicht entnehmen lasse; jedenfalls sei aber nach den dargelegten Umständen und dem Wertmißverhältnis zwischen dem Haus im Wert von 270.000 DM, das W. zurückerhalten und den Eigentumswohnungen im Wert von 624.000 DM, die er der Beklagten dafür hingegeben habe, der Tauschvertrag wegen eines auffälligen Mißverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung insgesamt nichtig gewesen. Auch diese Begründung ergibt, daß es der Beklagten weiter auf die Zahlung des in erster Instanz geltend gemachten Kaufpreisanteiles in Höhe von über 200.000 DM aus dem Kauf von 1985 ankam.

Die Klägerin folgert aus der Nichtigkeit des Tauschvertrages auf Seite 18 ihrer Berufungsbegründung dann zwar, daß die Beklagte wegen der Nichtigkeit des Tauschvertrages Wertersatz in Höhe des Wertes der Eigentumswohnungen schulde, die sie nicht herausgeben könne. Daß die Klägerin damit klar zu erkennen gegeben hat (vgl. dazu BGH, Urt. v. 18. Juni 1996, VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210/1211), sie wolle den Anspruch aus dem Kaufvertrag fallen lassen und ihre Klage nunmehr nur noch auf einen Wertersatzanspruch aus dem Tauschvertrag umstellen, läßt sich schon deshalb nicht folgern, weil die Klägerin sofort fortfährt, sie werde sich um Aufklärung bemühen, wohin der auf das Notaranderkonto gezahlte Betrag von 158.200 DM geflossen sei und dies ggf. "später ergänzend berücksichtigen". Bei Forderung eines Wertersatzanspruchs in Höhe von 270.000 DM aus der Hingabe von Wohnungen im Wert von 624.000 DM macht eine solche Erklärung keinen Sinn. Zwar wird die Beklagte anschließend "bereits jetzt" aufgefordert, an die Klägerin bis 1. September 1997 über den mit der Klage geltend gemachten Betrag hinaus "weitere 354.00" (richtig 354.000 DM) zu zahlen. Damit wird aber allenfalls unklar, ob die Klägerin die Ansprüche aus dem Kaufvertrag weiterverfolgen will oder ob ein neuer Klagegrund geltend gemacht werden und die zuvor ausführlich in der Berufungsbegründung als zu Unrecht abgewiesen gerügten Ansprüche jetzt fallen gelassen werden sollen.

Da die Klägerin auf entsprechenden Hinweis in der mündlichen Verhandlung ihren wirklichen Willen (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 11. November 1993, VII ZB 24/93, NJW-RR 1994, 568) dahin klargestellt hat, sie habe den Streitgegenstand erster Instanz nicht verändern wollen, sondern mache, wie schon aus Seite 7 der Berufungsbegründung erhelle, weiterhin den Kaufpreisanspruch aus dem Vertrag von 1985 geltend, ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß sie vernünftigerweise (vgl. BGH, Urt. v. 9. Mai 1996, VII ZR 134/94, NJW-RR 1996, 1210, 1211 m.N.) mit ihrer Berufung den vom Landgericht abgewiesenen Anspruch weiterverfolge.

Die Abweisung der Berufung als unzulässig kann daher nicht bestehenbleiben; die Sache ist vielmehr zur Verhandlung und Entscheidung über den vom Landgericht abgewiesenen Anspruch an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 8 GKG Gebrauch gemacht.

Ende der Entscheidung

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