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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: V ZR 116/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 506
BGB § 167 Abs. 1
BGB § 133 BGB
BGB § 168 BGB
BGB § 1098
ZPO § 398
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL

V ZR 116/99

Verkündet am: 30. Juni 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 4. Februar 1999 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die beklagten Eheleute sind Eigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks Flurstück 2 der Gemarkung H. . Das Grundstück ist mit einem Vorkaufsrecht zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Nachbargrundstücke Flurstück 2 /3 und 2 /4 belastet. Eigentümer der herrschenden Grundstücke sind die Kläger, Schwiegersohn und Tochter der Beklagten. Mit notariellem Vertrag vom 23. September 1996 verkauften die Beklagten das Grundstück Flurstück 2 an die Eheleute C. für 250.000 DM. Der Vertrag schloß für den Fall der Ausübung des Vorkaufsrechts Ansprüche der Käufer auf Erfüllung oder Schadensersatz aus; beide Seiten sollten in diesem Falle berechtigt sein, vom Kaufvertrag zurückzutreten. Den Kaufvertrag schloß der Beklagte in eigenem Namen und "als privatschriftlich Bevollmächtigter" seiner Ehefrau. Das Schriftstück, auf das sich die notarielle Urkunde bezog, enthält eine Vollmachtserteilung an den Beklagten zum Verkauf an die Eheleute C. , an die sich folgende handschriftliche Ergänzung anschließt:

"Hiermit möchten wir W. L. sowie Ehefrau M. L. ausdrücklich zum Ausdruck bringen, daß im Fall die Eheleute M. und Mo. Ch. (scil. Kläger) von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen, wir für keinerlei Kosten sowie Ansprüche aufkommen.

N. , 22.9.1996".

Es folgen die Unterschriften der beiden Beklagten. Die Kläger erklärten am 2. Dezember 1996, das Vorkaufsrecht auszuüben.

Ihre Klage auf Auflassung und Bewilligung ihres Eintrags als Eigentümer in das Grundbuch hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt, vor dem Oberlandesgericht allerdings mit der Maßgabe, daß die Auflassung Zug um Zug gegen Zahlung von 250.000 DM zu erklären ist.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf volle Abweisung der Klage weiterverfolgen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat Erfolg.

Die Kläger waren trotz ordnungsgemäßer Ladung im Verhandlungstermin nicht vertreten. Deshalb ist über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden; inhaltlich beruht das Urteil allerdings nicht auf der Säumnisfolge (vgl. Senat BGHZ 37, 79, 81 ff; BGH, Urt. v. 4. Oktober 1995, IV ZR 73/94, NJW-RR 1996, 113).

1. Rechtlich nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht angegriffen legt das Berufungsgericht die Vollmachtsurkunde dahin aus, daß der handschrifltiche Zusatz die Bevollmächtigung des Beklagten nicht auf den (nach § 506 BGB sanktionierten) Fall beschränkt, daß die Kläger von der Ausübung des Vorkaufsrechts keinen Gebrauch machen (§§ 167 Abs. 1, 133 BGB). Rechtsfehlerfrei gelangt das Berufungsgericht auch zu der Feststellung, daß die Beklagte die Vollmacht nicht fernmündlich widerrufen (§ 168 BGB) hat. Die Verfahrensrügen der Beklagten gegen die Feststellung greifen nicht durch. Entgegen deren Auffassung bestand kein Anlaß, die Zeugin F. erneut (§ 398 ZPO) zu dem behaupteten telefonischen Widerruf und die Zeugen C. erstmals zu der Behauptung zu hören, der Notar habe bei der Beurkundung erklärt, es seien hinreichende Sicherungen in den Vertrag eingebaut; sollte wider Erwarten ein Vorkaufsrecht ausgeübt werden, bestünde die Möglichkeit des Rücktritts. Eine solche Belehrung des Notars wäre, entgegen der Auffassung der Revision, inhaltlich nicht unzutreffend gewesen, denn die Vorbehalte hatten gegenüber den Käufern Bestand. Darüber, daß das Vorkaufsrecht der Kläger von dem Rücktritt unberührt blieb (§ 506 BGB), waren die Vertragsparteien nicht in Zweifel gelassen worden. Denn der Vertrag enthält die ausdrückliche Belehrung darüber, daß bei Ausübung des dinglichen Vorkaufsrechts durch die Kläger kraft Gesetzes ein Kaufvertrag zwischen diesen und den Beklagten zustande kommt; auch über die weiteren Folgen des Vertragsabschlusses mit den Vorkaufsberechtigten waren die Beteiligten belehrt worden. Ein vom Berufungsgericht nicht erkanntes Eigeninteresse des Notars am Ausgang des Rechtsstreits, das, wie die Revision meint, Anlaß zu dessen erneuter Vernehmung hätte geben können, wäre durch die in das Wissen der Zeugen C. gestellten Umstände nicht begründet.

2. Das angefochtene Urteil hat aber keinen Bestand, weil das Berufungsgericht, was die Revision zu Recht rügt, sich nicht mit dem unter Beweis gestellten Vortrag der Beklagten befaßt hat, der Makler H. habe in ihrem Auftrag im Spätjahr 1996 bei den Klägern angefragt, ob sie im Falle eines Verkaufs von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen würden; die Kläger hätten dies verneint. Trifft diese Behauptung zu, so liegt es nahe, daß zwischen den Parteien ein (vorweggenommener) Erlaßvertrag (§ 397 BGB) zustande gekommen ist, der die Beklagten von der Verpflichtung befreite, die durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eintreten würde. Die Möglichkeit eines solchen, den Fortbestand des Vorkaufsrechts an sich unberührt lassenden (vgl. § 875 BGB), Geschäfts wird vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung bejaht. Es ist formfrei möglich, an sein Zustandekommen sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Senat, Urt. v. 14. November 1956, V ZR 178/54, LM § 1098 BGB Nr. 2; Urt. v. 10. Juni 1966, V ZR 177/64, WM 1966, 893, 895; BGHZ 60, 275, 291; Urt. v. 9. Februar 1990, V ZR 279/88, NJW 1990, 1473; 1474). Sollte sich das Berufungsgericht bei der erforderlich werdenden erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 565 Abs. 1 ZPO) vom Zustandekommen eines Erlaßvertrages zwischen den Parteien nicht überzeugen können, kann das Klagebegehren auch an Treu und Glauben (§ 242 BGB) scheitern, wenn die Kläger eine auf die Anfrage des Maklers abgegebene tatsächliche Zusage, von dem Vorkaufsrecht keinen Gebrauch zu machen, ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht eingehalten haben (Senat, Urt. v. 10. Juni 1966, aaO; MünchKomm-BGB/H.P. Westermann, 3. Aufl., § 504 Rdn. 27).



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