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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.1999
Aktenzeichen: V ZR 12/98
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 117 | |
BGB § 252 |
Die Partei, die die Nichternstlichkeit eines Geschäfts behauptet, trägt hierfür auch dann die Beweislast, wenn sie sich gegen einen Anspruch auf Ersatz des Gewinns verteidigt, den der Geschädigte aus dem Geschäft gezogen hätte.
BGH, Urt. v. 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - OLG München LG Traunstein
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 9. Juli 1999
Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 5. November 1997 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Aufgrund notarieller Angebots- und Annahmeerklärungen vom 27. Juli und 7. Dezember 1988 kauften die Klägerinnen von der beklagten Gemeinde (Beklagte) das Grundstück Flurstück 397 der Gemarkung S. , Grünland, 0,2544 ha zum Preis von 960.000 DM. Hinzu traten Vorauszahlungen über insgesamt 44.460 DM für Kanalgebühren. Im Anschluß an die Freistellung der Beklagten von der Haftung für Sachmängel bestimmt der Abschnitt VI des Vertrags:
"Der Veräußerer erklärt, daß das Vertragsgrundstück aufgrund des bestehenden Bebauungsplanes mit einem Gebäude E + 1 + D, wobei D ein Vollgeschoß sein kann, bebaut werden kann. Die Geschoßflächenzahl beträgt für das Vertragsgrundstück 0,7. Der Erwerber beabsichtigt, auf dem Vertragsgrundstück ein Apparthotel oder Seniorenwohnheim in Form des Wohnungseigentums zu errichten."
Tatsächlich war ein Bebauungsplan nicht vorhanden. Ein Planentwurf aus dem Jahr 1979 sah allerdings eine Bebauung des Grundstücks vor. Die Klägerinnen reichten Mitte 1989 Bauanträge für das Apparthotel ein, die sie auf Anregung des Landratsamtes in mehreren Punkten abänderten. Am 12. Oktober 1989 stimmte der Gemeinderat dem Bauvorhaben zu. Gegen Ende des Jahres 1989 kam eine Bürgerinitiative zustande, die sich gegen den Bau des Hotels richtete. Am 15. November 1989 teilte das Landratsamt den Klägerinnen mit, ihr Vorhaben sei gegenwärtig wegen der Außenbereichslage nicht genehmigungsfähig; die Weiterbearbeitung erfolge erst nach Erreichen der Planreife im Bebauungsplanverfahren. Weder vor noch nach der Kommunalwahl vom 18. März 1990 kam es zu einem Beschluß der Beklagten über die Aufstellung eines Bebauungsplanes. Der neugewählte Gemeinderat sprach sich gegen das Bauvorhaben aus.
Zwischenzeitlich hatten die Klägerinnen der Firma P. Treuhand-GmbH Steuerberatungsgesellschaft, München (P. ) das Grundstück für 1.840.876 DM zum Kauf angeboten. Das notarielle Angebot vom 13. November 1989 enthielt eine Zusicherung der Klägerinnen, die der Erklärung der Beklagten in Abschnitt VI des Vertrags vom 27. Juli/7. Dezember 1988 entsprach. P. sollte ein Rücktrittsrecht für den Fall zustehen, daß nicht spätestens am 31. Januar 1990 eine Genehmigung des Bauantrags vorlag, der die Zustimmung der Gemeinde gefunden hatte. P. hatte das von den Klägerinnen am 25. Januar 1990 abgeänderte Angebot am gleichen Tag angenommen. Die Änderungen bestanden darin, daß das Rücktrittsrecht erst bestehen sollte, wenn nicht bis 30. Juni 1990 eine bestandskräftige Baugenehmigung vorlag und daß der Vertrag bis zur Genehmigung aufschiebend bedingt war. Mit Urkunde vom 19. Juni 1990 wurde die Frist für den Eintritt des Rücktrittsrechts bis Ablauf des 31. Juli 1990 verlängert. Am 1. August 1990 trat P. von dem Vertrag zurück.
Am 5. Oktober 1990 hoben die Parteien den Kaufvertrag vom 27. Juli/7. Dezember 1988 auf. Die notarielle Urkunde enthält folgende Bestimmung:
"Der Veräußerer verpflichtet sich zunächst zur Bezahlung eines Betrages in Höhe von 1.400.000,-- DM an den Erwerber, ohne daß bereits jetzt vom Veräußerer anerkannt wird, zur Zahlung eines Betrages in dieser Höhe verpflichtet zu sein noch vom Erwerber über diesen Betrag hinaus bereits geltend gemachte Ansprüche ausgeschlossen werden."
Die Beklagte entrichtete den Betrag von 1.400.000 DM, weitere Zahlungen lehnte sie ab.
Die Klägerinnen haben die Differenz zwischen dem im Vertrag mit P. beurkundeten Kaufpreis und der erfolgten Zahlung als Schadensersatz geltend gemacht und von der Beklagten jeweils Zahlung in Höhe von 220.438 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und hieran auch nach Aufhebung seines Urteils und Zurückverweisung der Sache festgehalten. Auf die erneute Berufung der Klägerinnen hat das Oberlandesgericht der Klage stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten mit der sie die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts anstrebt. Die Klägerinnen beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß die Beklagte den Klägerinnen die Bebaubarkeit des Grundstücks im Sinne der in den Vertrag aufgenommenen Erklärung zugesichert habe. Den Klägerinnen stünden die verlangten Beträge als entgangener Gewinn zu, denn es stehe fest, daß der Vertrag mit P. kein Scheingeschäft, sondern ernstlich gemeint gewesen sei. Hierbei stützt sich das Berufungsurteil auf die notariellen Urkunden, die Zeugenaussage des Geschäftsführers F. der P. und die Umstände des Geschäfts. Die Preisdifferenz zwischen den beiden Geschäften stehe dem nach den eingeholten Gutachten nicht entgegen. Der Zeuge F. habe Gewinnerwartungen der P. , die den akzeptierten Kaufpreis verständlich machten, glaubhaft dargelegt. Schließlich sei ein angemessener Verkaufsgewinn der Klägerinnen in Rechnung zu stellen.
Dies hält der Revision stand.
II.
1. Die Deutung der Erklärung der Beklagten in Abschnitt VI des Kaufvertrags der Parteien als Zusicherung der Bebaubarkeit (§ 459 Abs. 2 BGB) läßt keinen Auslegungsfehler (§§ 133, 157 BGB) erkennen. Das Berufungsgericht hat sich, anders als die Revision meint, mit dem Umstand auseinandergesetzt, daß die Erklärung einem allgemeinen Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel folgte. Es hat die Freizeichnung auch für die Baulandeigenschaft in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Überlegung verneint, daß sie mit dem von ihm festgestellten Einstandswillen der Beklagten unvereinbar sei. Mit der Frage, ob die Bebaubarkeit auch lediglich Gegenstand einer vertraglichen Beschaffenheitsangabe (§ 459 Abs. 1 BGB) sein konnte (Senat BGHZ 117, 159, 162), die im Falle ihrer Unrichtigkeit keinen Schadensersatzanspruch nach § 463 BGB auslöst, hat sich das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich befaßt. Es hat aber die weitere Möglichkeit der bloßen Geschäftsgrundlage mit Erwägungen verneint, die seine Auffassung, die Bebaubarkeit sei zugesichert worden, tragen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des von der Revision an sich zu Recht hervorgehobenen Umstandes, daß an eine Zusicherung gegenüber der Beschaffenheitsvereinbarung erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Aus dem zutage getretenen ausschließlichen Interesse der Klägerinnen als Bauunternehmerinnen an einer baulichen Nutzung des Grundstücks konnte das Berufungsgericht den Schluß darauf ziehen, die Beklagte habe die Gewähr für das Vorhandensein dieser Eigenschaft übernommen und sich verpflichtet für alle Folgen ihres Fehlens einzustehen. Mehr setzt die Zusicherung rechtlich nicht voraus (Senatsurt. v. 12. April 1996, V ZR 83/95, BGHR BGB § 459 Abs. 2, Eigenschaft, zugesicherte 20).
2. Die Klägerinnen haben ihren entgangenen Gewinn aus dem Geschäft mit der Beklagten aufgrund der von ihnen getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, nämlich des Vertragsschlusses mit P. , errechnet. Dem ist das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit § 252 Satz 2 BGB gefolgt, wonach als entgangen und nach Satz 1 der Vorschrift zu ersetzen der Gewinn gilt, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder, wie hier, nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen des Geschädigten, erwartet werden konnte. Allerdings ist die in § 252 Satz 2 BGB begründete Vermutung, der wahrscheinlich zu erwartende Gewinn wäre auch eingetreten (BGHZ 100, 36, 49), im Streitfalle nicht ausschlaggebend; denn wenn der Kaufvertrag mit P. , worüber die Parteien allein streiten, ernstlich gewollt war, steht der Gewinnausfall der Klägerinnen fest. Auch auf die in § 287 Abs. 1 ZPO vorgesehene Erleichterung des Beweises des Geschädigten für die besonderen Umstände, aus denen er seine Gewinnerwartung herleitet (Senatsurt. v. 5. Juli 1991, V ZR 115/90, BGHR BGB § 252, Schätzgrundlage 3), kommt es hier nicht entscheidend an. Denn für den fehlenden Willen der Klägerinnen und P. , den Weiterverkauf des Grundstücks ernstlich vorzunehmen, trägt die Beklagte die Beweislast. Das Gesetz geht nämlich davon aus, daß abgeschlossene Vereinbarungen auch ernstlich gemeint sind (zu § 117 BGB: BGH, Urt. v. 25. Januar 1977, VI ZR 85/75, BGB LM § 117 Nr. 4; v. 28. Juni 1984, IX ZR 143/83, FamRZ 1984, 874, 876). Hieran ändert, entgegen der Auffassung der Revision, auch der Umstand nichts, daß sich die Beklagte gegenüber Behauptungen der Klägerinnen zum Schadenseintritt und zur Schadenshöhe verteidigt. Zwar kann der Abschluß eines Kaufvertrags als "juristische Tatsache" (vgl. Senatsurt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93 und v. 13. März 1998, V ZR 190/97, BGHR ZPO § 138 Abs. 1, Tatsachen, juristische 1 und 2) Gegenstand des Bestreitens im Prozeß sein. Die Beklagte läßt indes die Tatsache des Vertragsschlusses mit P. als solche unstreitig und wendet sich lediglich mit der rechtshindernden Einwendung (BGH, Urt. v. 31. Januar 1991, VII ZR 375/89, NJW 1991, 1617) der fehlenden Ernstlichkeit gegen die Wirksamkeit des Geschäfts. Ihre Voraussetzungen hat sie, wie sonst auch, nachzuweisen. Die Klage wäre mithin bereits dann erfolgreich, wenn die Ernstlichkeit des Geschäfts mit P. zwar zweifelhaft, aber nicht widerlegt wäre.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus die Ernstlichkeit positiv festgestellt. Die hiergegen gerichteten Verfahrensrügen greifen nicht durch. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 561 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich prüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweisürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IVb ZR 23/86, BGHR ZPO § 286 Abs. 1, Revisionsrüge 1). Diese Grenzen der rechtlichen Nachprüfbarkeit hält das Berufungsurteil ein, eine darüber hinausgehende Beurteilung der Überzeugungskraft seiner Beweisgründe ist dem Revisionsgericht versagt.
a) Zu Unrecht wirft die Revision dem Berufungsgericht vor, es habe die Ambivalenz (vgl. BGH, Urt. v. 14. Januar 1993, IX ZR 238/91, NJW 1993, 935) der rechtlichen Ausgestaltung des Kaufs mit P. verkannt. Die von ihm für die Bejahung des Bindungswillens herangezogenen Umstände, das Rücktrittsrecht der P. für den Fall der Nichtbebaubarkeit und die zusätzlich vereinbarte aufschiebende Bedingung der Bebaubarkeit, sind rechtlich geeignete Mittel zur Absicherung des ernstlich gesinnten Käufers gegen das erkannte Risiko. Die Überlegung der Revision, sie kämen ebenso als Sicherungsmittel der P. für den Fall in Betracht, daß die Klägerinnen dieser gegenüber eine Scheinabrede leugneten, setzt im tatsächlichen eine doppelte Kollusion, nämlich einmal zwischen den Klägerinnen und P. zum Nachteil der Beklagten, zum anderen zwischen den Klägerinnen untereinander zum Nachteil der P. , voraus. Die Ausgestaltung der Vertragsbedingungen läßt mithin einen Schluß auf die Ernstlichkeit des Vereinbarten eher zu, als auf ein Scheingeschäft. Zudem konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei dem Umstand, daß die Kaufparteien den Beginn des Rücktrittsrechts der P. wiederholt hinausgeschoben haben, zugunsten der ernstlichen Absicht würdigen. Das Vertragsverhalten der Parteien findet letztlich eine Parallele in der Willensbildung der Beklagten, die sich angesichts auftretender Widerstände in der Bevölkerung, der bevorstehenden Kommunalwahlen und deren Ergebnis von der Bejahung des Bauvorhabens bis zu dessen endgültiger Ablehnung wandelte. Das Rücktrittsrecht machte es P. möglich, hierauf zu reagieren und den durch die Bedingung geschaffenen rechtlichen Schwebezustand (BGH NJW 1994, 3228) zu beenden.
b) Die Rüge, das Berufungsgericht habe sich lediglich mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen, nicht aber mit der Glaubhaftigkeit seiner Aussage befaßt, greift in der Sache nicht durch. Die von dem Zeugen dargestellte Kalkulation der P. ist nicht deshalb unglaubhaft, weil sie zu einem negativen Ergebnis führen konnte. Das Berufungsurteil kommt mit rechtlich nicht zu beanstandenden Erwägungen zu dem Ergebnis, daß ein Mißerfolg des Vorhabens bei einem Einstandspreis von 1.840.876 DM zwar nicht ausgeschlossen, andererseits aber auch nicht abzusehen oder auch nur wahrscheinlich war. Die Ernstlichkeit der Vorstellung des Zeugen, P. handle kaufmännisch zweckmäßig, konnte das Berufungsgericht vor diesem Hintergrund bejahen. Dies gilt um so mehr, als der Zeuge sich nach den unangegriffenen Feststellungen bereits seit Jahren für das Grundstück interessiert hatte. Wegen der weiteren Verfahrensrügen zu diesem Punkte, die nicht durchgreifen, macht der Senat von der Möglichkeit, nach § 565 a ZPO von einer Begründung abzusehen, Gebrauch.
c) Die Preisdifferenz zwischen den beiden Verträgen gab keinen zwingenden Anlaß, die Ernstlichkeit des Geschäfts mit P. in Frage zu stellen. Die in den Instanzen eingeholten Wertgutachten schwanken zwischen 1,5 bzw. 1,3 Millionen DM (Gutachter W. ) und 1,14 Millionen DM (Gutachter B. ), das im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten gelangt zu 1,14 Millionen DM. Eine abschließende Feststellung zum Verkehrswert brauchte das Berufungsgericht nicht zu treffen, denn es hatte entscheidend nicht auf die objektiven Verhältnisse im einzelnen, sondern auf die Glaubhaftigkeit der Erfolgsrechnung der P. vor dem in Frage kommenden Tatsachenhintergrund abzustellen. Zudem hat das Berufungsgericht, von der Revision unangegriffen festgestellt, daß ein anderes Bauunternehmen einen Kaufpreis von 1,7 Millionen DM angeboten hatte. Diesen hat die P. in einem rechtlich nachvollziehbaren Rahmen überboten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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