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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.06.2001
Aktenzeichen: V ZR 128/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 812 | |
BGB § 951 | |
BGB § 994 ff |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 22. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter die Richter Tropf, Schneider, Dr. Klein und Dr. Lemke
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 23. März 2000 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 3. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten beabsichtigten, in Bad D. ein Einkaufszentrum zu errichten. Hierzu kauften sie mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. Januar 1994 von der Klägerin mehrere teilweise mit landwirtschaftlichen Gebäuden bebaute Grundstücke. Der Gesamtkaufpreis von 800.000 DM war am 2. Februar 1994 fällig. Mit seiner Zahlung sollte der Besitz übergehen. Zur Sicherung des Anspruchs der Beklagten auf den Erwerb des Eigentums bewilligte und beantragte die Klägerin die Eintragung von Vormerkungen in das Grundbuch.
Ohne Zahlung geleistet zu haben, begannen die Beklagten mit dem geplanten Umbau. Bis zum Abschluß der Arbeiten im März 1995 und der Aufnahme des Betriebs des Zentrums investierten sie nach ihrer Behauptung etwa 4 Mio. DM.
Am 25. Juli 1994 änderten die Parteien die im Vertrag vom 19. Januar 1994 zur Fälligkeit des Kaufpreises getroffene Regelung. Fälligkeit sollte nunmehr 30 Tage nach der Mitteilung der Urkundsnotarin eintreten, daß die zugunsten der Beklagten bewilligten Vormerkungen in das Grundbuch eingetragen seien. Am 26. Juli 1995 änderten die Parteien den Kaufvertrag erneut. Fälligkeit des Kaufpreises trat hiernach in Höhe eines Teilbetrages von 270.000 DM am 10. August 1995 ein. Für die Zeit bis zu dem im Vertrag vom 19. Januar 1994 vereinbarten Übergang der Nutzungen und Lasten sollten die Beklagten "für die bereits außerhalb und unabhängig von den Notarverträgen durchgeführte Nutzung" ein Nutzungsentgelt zu bezahlen haben.
Am 14. November 1995 wurden die Vormerkungen eingetragen. Mit Schreiben vom 24. November 1995 forderte die Klägerin die Beklagten zur Zahlung von 270.000 DM auf. Mit Schreiben vom 4. März 1996 setzte sie ihnen hierzu Frist bis zum 21. März 1996 und erklärte, die Annahme des Kaufpreises nach Ablauf dieser Frist abzulehnen; das Nutzungsverhältnis gelte für diesen Fall als gekündigt. Die Beklagten zahlten weiterhin nicht. Mit Anwaltsschreiben vom 1. April 1996 erklärten sie, das Vertragsverhältnis sei auch aus ihrer Sicht mit Wirkung zum 21. März 1996 beendet und befinde sich in der "Rückabwicklungsphase". Gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der Grundstücke nähmen sie wegen ihrer Aufwendungen ein Zurückbehaltungsrecht in Anspruch.
Dem Verlangen der Klägerin nach Räumung und Herausgabe der Grundstücke sind die Beklagten während des Rechtsstreits unter dem Vorbehalt von Verwendungsersatzansprüchen nachgekommen. Gegenüber dem Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 6.960 DM Verzugszinsen auf den Kaufpreis und Einwilligung in die Löschung der Vormerkungen machen sie ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihrer Baumaßnahmen geltend. Ihre - zwischenzeitlich zur Sicherheit abgetretenen - Ansprüche beziffern sie auf 2,3 Mio. DM.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Soweit das Verfahren nicht hinsichtlich der Ansprüche auf Räumung und Herausgabe übereinstimmend für erledigt erklärt ist, hat das Oberlandesgericht die auf die Versagung eines Zurückbehaltungsrechts beschränkte Berufung durch Urteil vom 9. April 1998 zurückgewiesen. Diese Entscheidung hat der Senat durch Urteil vom 1. Oktober 1999, V ZR 162/98 (WM 2000, 140 ff) aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Es sei festzustellen, ob die Klägerin Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlange oder ob der Kaufvertrag nach den Regeln des Rücktrittsrechts abzuwickeln sei. In letzterem Fall sei aufzuklären, ob die Parteien neben der zur Nutzung der Grundstücke getroffenen Vereinbarung im Hinblick auf die Baumaßnahmen der Beklagten eine Zweckvereinbarung im Sinne von § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative BGB getroffen hätten.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen. Dagegen richtet sich ihre Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint weiterhin ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagten. Es stellt fest, die Parteien hätten sich geeinigt, den Kaufvertrag nach den Regeln des Rücktrittsrechts abzuwickeln. Aus diesen lasse sich der geltend gemachte Anspruch nicht herleiten. Auch die Tatsache, daß den Beklagten der Besitz an den Grundstücken nicht aufgrund des Kaufvertrages, sondern aufgrund eines selbständigen Nutzungsvertrages überlassen worden sei, führe zu keinem anderen Ergebnis. Einem bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Ausgleich der Wertsteigerung des Grundstücke durch die Baumaßnahmen stehe entgegen, daß die Beklagten diese Maßnahmen zwar in der gemeinsamen Erwartung der Parteien ausgeführt hätten, die Beklagten würden das Eigentum an den Grundstücken erwerben, die Parteien jedoch keine von der Durchführung des Kaufvertrages unabhängige Zweckvereinbarung im Hinblick auf die Baumaßnahmen getroffen hätten.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
II.
1. Die Revision erhebt gegen die Anwendung des Rücktrittsrechts auf die Abwicklung des Kaufvertrags zwischen den Parteien durch das Berufungsgericht keine Einwendungen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Nicht zu beanstanden ist auch, daß das Berufungsgericht die Aufwendungen der Beklagten nicht als notwendige Verwendungen auf die von den Baumaßnahmen betroffenen Grundstücke wertet (§§ 347, 994 BGB).
2. Das Berufungsurteil geht jedoch insoweit fehl, als es einen Anspruch der Beklagten auf Ausgleich der Werterhöhung der Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Beklagten nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative (condictio ob rem), § 818 Abs. 2 BGB verneint.
a) Die Beklagten haben die Baumaßnahmen als berechtigte Besitzer durchgeführt. Für das durch die "außerhalb und unabhängig von den Notarverträgen" erfolgte Überlassung des Besitzes begründete Rechtsverhältnis haben die Parteien am 26. Juli 1995 rückwirkend eine entgeltliche Regelung vereinbart. Auf dieses Rechtsverhältnis finden die Bestimmungen der §§ 535 ff BGB Anwendung. Das Mietverhältnis sollte dadurch enden, daß die Beklagten das Eigentum an den Grundstücken erwerben.
Die Bebauung der Grundstücke diente jedoch nicht dazu, die Mietsache zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern. Sie sollte nicht der Klägerin, sondern den Beklagten zugute kommen und ihnen mit dem vereinbarten Eigentumserwerb verbleiben. § 547 BGB schließt daher einen bereicherungsrechtlichen Anspruch der Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative, § 818 Abs. 2 BGB auf Ausgleich der Wertsteigerung, welche die Grundstücke durch die Baumaßnahmen erfahren haben, nicht aus (vgl. BGHZ 44, 321, 323; 108, 256, 261; Emmerich, JuS 1990, 143, 144).
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin die Erwartung der Beklagten, die mit der Durchführung der Baumaßnahmen verbundene Wertsteigerung der Grundstücke werde nach der Beendigung des vereinbarten Mietverhältnisses nicht der Klägerin, sondern den Beklagten zugute kommen, geteilt. Damit waren sich die Parteien darüber einig, daß die Klägerin die Bauleistung der Beklagten nur im Hinblick auf die erwartete Eigentumsübertragung erhielt. Dieser übereinstimmend verfolgte Zweck kann nicht mehr erreicht werden. Die Erwartung der Parteien ist gescheitert, seit feststeht, daß der Kaufvertrag vom 19. Januar 1994 nicht durchgeführt werden wird. Folglich hat die Klägerin den Wertzuwachs, den die Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Beklagten erfahren haben, nach § 812 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative, § 818 BGB auszugleichen (vgl. BGHZ 35, 356, 358; Senatsurt. v. 21. Dezember 1965, V ZR 108/63, WM 1966, 277 f; BGH, Urt. v. 12. April 1961, VIII ZR 152/60, WM 1961, 700, 701; v. 15. April 1965, II ZR 73/62, WM 1965, 795 f, und v. 10. Oktober 1969, VII ZR 145/69, NJW 1970, 136).
b) Das zwischen den Parteien für die Abwicklung des Kaufvertrages vereinbarte Recht der §§ 346 ff BGB steht diesem Anspruch nicht entgegen. Der Rechtsgrund der Bauleistung war weder der Kaufvertrag noch der Mietvertrag, sondern die gesondert getroffene Zweckvereinbarung. Zwar hatte sich die Klägerin durch den Kaufvertrag zur Grundstücksübertragung verpflichtet, jedoch war diese Verpflichtung nicht der Rechtsgrund der Bauleistung. Denn die Beklagten hatten den hierfür erforderlichen Besitz nicht aufgrund der kaufvertraglichen Verpflichtung, sondern "außerhalb und unabhängig" hiervon zur zweckbestimmten Nutzung (Durchführung von Baumaßnahmen) eingeräumt bekommen. Nach dem Vertrag sollte der Besitz erst mit der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises auf die Beklagten übergehen. An dieser Regelung haben Parteien auch bei den Änderungen des Kaufvertrages noch festgehalten, obwohl die Beklagten zu dieser Zeit längst im Besitz der Kaufgrundstücke waren.
c) Die condictio ob rem wird auch nicht durch die Vorschriften der §§ 994 ff BGB ausgeschlossen. Zwar finden die Vorschriften der §§ 987 ff BGB nach gefestigter Rechtsprechung auch auf den bei Geltendmachung des Vindikationsanspruchs nicht mehr berechtigten Besitzer Anwendung (vgl. nur Senatsurt. v. 24. November 1995, V ZR 88/95, NJW 1996, 921 m.w.N.) und schließen die Anwendbarkeit des allgemeinen Bereicherungsrechts aus (vgl. Senatsurt. v. 29. September 1995, V ZR 130/94, NJW 1996, 52 ff). Dies gilt jedoch nicht für Bereicherungsansprüche wegen Baumaßnahmen auf fremdem Grund und Boden, die von einem berechtigten Besitzer in der begründeten Erwartung des späteren Eigentumserwerbs vorgenommen werden (vgl. BGHZ 44, 321, 323; 108, 256, 262; ferner Senat, BGHZ 10, 171, 177; Urt. v. 29. September 1995, V ZR 130/94, aaO, mit Besprechung Canaris, JZ 1996, 344, 347).
3. Zu einer abschließenden Entscheidung ist der Senat weiterhin nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, zur Höhe der Wertsteigerung der Grundstücke durch die Baumaßnahmen der Beklagten keine Feststellungen getroffen hat. Dies ist nachzuholen.
4. Im Rahmen der Zurückverweisung hat der Senat von der ihm durch § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht.
Ende der Entscheidung
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