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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 13.06.2008
Aktenzeichen: V ZR 132/07
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 13. Juni 2008
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 13. Juni 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 11. Juli 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger betreibt Landwirtschaft auf einem Hof in G. . Er und seine Vorfahren bezogen aus den Wäldern des Beklagten im Waldrevier G. jährlich einen Klafter (= 2,3 Raummeter) Geschirr-Losholz in Form von Buchenschnittholz nach Anweisung des Forstes. Am 29. Oktober 2002 ließ der Beklagte dem Vater des Klägers mitteilen, die rechtliche Grundlage der Berechtigung sei entfallen, weil er kein Gespann zu eigenem Ackerbau unterhalte. Mit seiner Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten, ihm zu gestatten, aus seinen Wäldern in G. nach Anweisung des Forstortes je einen Klafter Buchenschnittholz für die Jahre 2003 bis 2005 zu entnehmen, und die Feststellung einer entsprechenden Berechtigung für die Folgejahre. Er stützt sich auf ein Endurteil des hessischen Großherzoglichen Landgerichts Ortenberg vom 25. April 1871, in welchem Berechtigungen zum Bezug von Losholz und von Geschirr-Losholz festgestellt werden. Nach dem Urteil hängt die Berechtigung zum Bezug von Geschirr-Losholz unter anderem davon ab, dass der Eigentümer des betreffenden Hauses ein vollständiges Geschirr, bestehend aus zwei Kühen oder Stieren oder einem Pferde, einem Wagen oder Karren und einem Pfluge oder einer Egge zum eigenen Ackerbau hält. Der Beklagte bestreitet den Bestand der Holzberechtigung und die Existenz des Urteils und macht ferner geltend, das Recht sei abgelöst, jedenfalls aber durch das hessische Gesetz zur Bereinigung der Rechtsvorschriften über die Nutzungsrechte der Ortsbürger vom 19. Oktober 1962 (GVBl. 467) aufgehoben worden. Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision. Entscheidungsgründe:
I.
Das Landgericht meint, dem Kläger stehe die geltend gemachte Berechtigung nicht zu. Eine schuldrechtliche Berechtigung habe er nicht schlüssig dargelegt. Auch aus einer Grunddienstbarkeit stehe dem Kläger ein Holzentnahmerecht nicht zu. Dafür könne offen bleiben, ob eine Grunddienstbarkeit aus dem Gemeinen Recht oder aus dem Urteil des Großherzoglichen Landgerichts Ortenberg hergeleitet werden könne. Sie stehe dem Kläger jedenfalls schon deshalb nicht zu, weil die Holzberechtigung nicht allein vom Eigentum an dem fraglichen Anwesen in G. , sondern von weiteren in der Person des Eigentümers zu erfüllenden Voraussetzungen abhänge. Wenn man dennoch eine Grunddienstbarkeit annehme, scheitere die Berechtigung des Klägers daran, dass er kein Geschirr unterhalte. Er betreibe zwar Landwirtschaft, aber ohne Geschirr. Insoweit könne die Dienstbarkeit nicht angepasst werden. Geschirrholz habe den Holzbedarf des Berechtigten für die Reparatur der zum Ackerbau eingesetzten Geräte decken sollen.
II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand.
1. Das von ihm geltend gemachte Recht zum Bezug von Geschirr-Losholz aus dem Wald des Beklagten kann der Kläger nur auf eine einer Grunddienstbarkeit vergleichbare altrechtliche Holzgerechtigkeit stützen. Ob eine solche Gerechtigkeit entstanden ist und ob sie heute noch besteht, bedarf keiner Entscheidung.
2. Wenn eine solche Gerechtigkeit besteht, dann kann sie nach dem Vortrag des Klägers nur den aus dem Urteil des Großherzoglichen Landgerichts Ortenberg vom 25. Juni 1871 ersichtlichen Inhalt haben. Danach hängt die Berechtigung zum Bezug von Geschirr-Losholz unter anderem davon ab, dass der Eigentümer des berechtigten Anwesens ein vollständiges Geschirr, bestehend aus zwei Kühen oder Stieren oder einem Pferde, einem Wagen oder Karren und einem Pflug oder einer Egge zum eigenen Ackerbau hält.
3. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht.
a) Er hat zwar ein solches Gespann und betreibt auch Landwirtschaft. Das Berufungsgericht hat der in dem Urteil verwendeten Formulierung, dass das Gespann "zu" eigenem Ackerbau gehalten werden müsse, aber entnommen, dass das Gespann auch zum Ackerbau eingesetzt werde. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht. Diese Feststellungen greift die Revision nicht an. Sie wendet sich vielmehr nur gegen die Auslegung dieser Textstelle im Urteil durch das Berufungsgericht.
b) Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden.
aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend (Senat, Beschl. v. 23. September 1993, V ZB 27/92, NJW 1993, 3197, 3198) von dem Wortlaut des Urteils ausgegangen. Der spricht für die Auslegung des Berufungsgerichts. Das Urteil verlangt nicht nur ein Halten des Gespanns, sondern ein Halten "zu eigenem Ackerbau". Der bloße Besitz eines Gespanns der in dem Urteil bezeichneten Art genügt dazu nach dem Wortsinn der Bestimmung ebenso wenig wie ein Gespann, das nur noch zu musealen oder touristischen Zwecken oder vielleicht nur noch deshalb gehalten wird, weil das Urteil das Halten eines solchen Gespanns als Grundlage des Holzbezugs verlangt. Zu eigenem Ackerbau wird ein Gespann nur gehalten, wenn es auch für den Ackerbau eingesetzt wird.
bb) Nichts anderes ergibt sich, wenn man neben dem Wortlaut, wie geboten, auch den Zweck der Bestimmung (BGHZ 109, 19, 22) und die daraus ersichtliche Interessenlage der Parteien (BGH, Urt. v. 13. März 2003, IX ZR 199/00, NJW 2003, 2235, 2236; Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 240/02, NJW-RR 2003, 1053, 1054) berücksichtigt.
(1) Den Zweck der Gerechtigkeit hat das Berufungsgericht darin gesehen, den Bedarf des Berechtigten an Holz zur Reparatur seines Ackergeräts zu decken. Dieser Zweck ist nur zu erreichen, wenn das Gespann zum Ackerbau verwendet wird. Denn nur dann kann es abnutzen, und nur dann kann ein Bedarf zur Beschaffung von Reparaturholz entstehen. Dass das Holz zur Erstellung oder Ausbesserung von Zäunen verwandt wird, besagt dann, anders als die Revision meint, für die Anforderungen an das Halten des Gespanns nichts.
(2) Ob dem Urteil des Großherzoglichen Landgerichts Ortenberg eine solch enge Zweckbestimmung des Holzbezugsrechts zu entnehmen ist, ist nicht frei von Zweifeln. Dafür lässt sich mit dem Berufungsgericht der von dem Kläger vorgelegte Auszug aus dem Gutachten anführen, das in dem parallel zu dem damaligen Zivilrechtsstreit betriebenen Ablösungsverfahren eingeholt worden ist. Darin wird der Ablösungswert der Gerechtigkeit anhand des Reparaturbedarfs der einzelnen Teile des Ackergeräts bestimmt. Das Großherzogliche Landgericht Ortenberg hat den Holzbezug in seinem Urteil davon aber nicht abhängig gemacht. Es enthält zudem für die Berechtigung zum Bezug von Los-holz keine vergleichbar enge Zweckbestimmung, obwohl diese Berechtigung von geringeren Voraussetzungen abhängt, insbesondere das Halten eines Gespanns nicht voraussetzt. Diese Überlegung hilft dem Kläger indes nicht. Die Holzberechtigung dient nach dem Urteil des Großherzoglichen Landgerichts jedenfalls einem Bedürfnis. Das geht zwar weiter, als das Berufungsgericht meint, ist bei dem Kläger aber gleichfalls nicht gegeben.
(3) Auf das Halten eines Gespanns zu eigenem Ackerbau stellt das Großherzogliche Landgericht Ortenberg in seinem Urteil ersichtlich ab, um sicherzustellen, dass die Eigentümer der berechtigten Anwesen zum Bezug von Geschirr-Losholz nur berechtigt sind, wenn sie eine Landwirtschaft betreiben. Damit dient die Gerechtigkeit aber nicht einem mehr oder weniger freigiebigen Zweck, sondern einem Bedürfnis (dazu: Senat, Urt. v. 27. Mai 1966, V ZR 156/63, LM Gemeines Recht [Allgemeines] Nr. 2). Der Betrieb einer Landwirtschaft erforderte unter den bis zum Ende des 19. Jahrhunderts herrschenden Bedingungen Zugang zu Holz, das für die Bauern nur aus den umliegenden Wäldern zu beziehen war, die ihnen aber regelmäßig nicht gehörten. Holz soll deshalb nur der beziehen dürfen, der für seine Landwirtschaft darauf angewiesen ist. Eine solche Lage kann nur beim Betrieb einer Landwirtschaft zu den Bedingungen des ausgehenden 19. Jahrhunderts angenommen werden. Dieser Bezug kommt in dem Erfordernis des Haltens eines für diese Verhältnisse typischen Gespanns sinnfällig zum Ausdruck. Wer, wie der Kläger, die Landwirtschaft mit modernem Gerät betreibt, mag Geschirr-Losholz noch verwenden können. Darauf angewiesen ist er nicht. Deshalb änderte es auch nichts, wenn der Kläger sein Gespann künftig neben seinen Maschinen für den Ackerbau einsetzte.
(4) Dieses Ergebnis ist auch interessengerecht. Der auf Dauer unentgeltliche Bezug von Geschirr-Losholz ist für den Beklagten eine nicht unerhebliche Belastung. Ihre inhaltliche Rechtfertigung lag bei ihrem Entstehen darin, dass der Bestand einer Landwirtschaft zu den damaligen Bedingungen von der Möglichkeit des Holzbezugs abhing. Das existenzielle Interesse seiner Vorfahren an dem Holzbezug besteht beim Kläger nicht mehr. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht auf ein Holzbezugsrecht angewiesen. Diese Entwicklung kann aber nur zu einer eng am Wortlaut ausgerichteten und nicht zu einer Auslegung führen, die sich vom Wortlaut der Bedingung entfernt. Dem Kläger über den Wortlaut hinaus ein Recht zum Bezug von Holz zuzubilligen, auf das er für seine Landwirtschaft nicht angewiesen ist, lässt sich auch mit der Interessenlage der Parteien nicht begründen.
c) Dem Kläger hilft schließlich nicht, dass Inhalt und Umfang einer zeitlich unbegrenzten Dienstbarkeit nicht in jeder Beziehung von vornherein für alle Zeiten festliegen, sondern gewissen Veränderungen unterworfen sind, die sich aus der wirtschaftlichen und technischen Entwicklung ergeben (Senat, Urt. v. 11. April 2003, V ZR 323/02, NJW-RR 2003, 1235, 1236). Hier geht es nämlich nicht um Inhalt und Umfang der Holzberechtigung, sondern um die Voraussetzungen ihrer Ausübung. Ihre Anpassung wäre jedenfalls ähnlich wie die von Inhalt und Umfang (dazu: Senat, BGHZ 44, 171, 172 f.; 145, 16, 21) nur möglich, wenn sie sich in dem durch den Zweck der Gerechtigkeit bestimmten Rahmen hielte. Daran fehlt es. Eine Anpassung der Voraussetzungen für den Holzbezug würde den Zweck der Gerechtigkeit grundlegend verändern. Sie diente nicht mehr einem existenziellen Bedürfnis der Berechtigten und entwickelte sich zu einer Freigiebigkeit des Beklagten, die sie gerade nicht sein sollte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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