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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 24.07.1998
Aktenzeichen: V ZR 140/97
Rechtsgebiete: DDR KomVerf
Vorschriften:
DDR KomVerf § 27 |
Der Bürgermeister einer Gemeinde konnte, ohne daß es hierzu einer besonderen Ermächtigung in der Kommunalverfassung der ehemaligen DDR bedurfte, Vollmacht zum Abschluß von Verträgen im privaten Rechtsverkehr erteilen.
BGH, Urt. v. 24. Juli 1998 - V ZR 140/97 - OLG Naumburg LG Halle
BUNDESGERICHTSHGF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 24. Juli 1998
Kanik Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juli 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 18. März 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es zum Nachteil der Klägerin ergangen ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien schlossen am 11. November 1992 einen notariellen Vorvertrag ab, wonach sich der Beklagte verpflichtete, sein im künftigen Gewerbegebiet K. straße gelegenes, 27.180 qm großes Grundstück Flur 3, Flurstück 140, nach "bestandskräftiger Bestätigung" des Bebauungsplanes K. straße der klagenden Stadt (Klägerin) zu übertragen. Die Übertragung sollte innerhalb von zwei Jahren nach der Beurkundung erfolgen.
Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin, dem Beklagten nach Vermessung und Parzellierung des Gewerbegebiets ein Grundstück gleicher Größe zu übertragen. Ein Ausgleichsbetrag für die Grundstücke war nicht vorgesehen, jedoch verpflichtete sich der Beklagte, "den nicht geförderten Betrag" der Erschließungskosten für das ihm zu übertragende Grundstück zu erstatten. Auf seiten der Klägerin war bei der Beurkundung des Vorvertrags ein Bevollmächtigter aufgrund einer von dem Bürgermeister der Stadt am 9. November 1992 ausgestellten Vollmacht aufgetreten. Der Bebauungsplan trat nach Genehmigung durch den Regierungspräsidenten am 16. Dezember 1994 in Kraft.
Die Klägerin nahm das Grundstück des Beklagten in Besitz und ließ dort ab Dezember 1992 ein Regenrückhaltebecken nebst dazugehörenden Gebäuden und Anlagen errichten. Hierbei stützte sie sich auf eine privatschriftliche "Absichtserklärung" der Parteien vom 11. August 1992, in der der Beklagte sich zu einem Grundstückstausch bereit erklärt und "im vorab Erschließungsmaßnahmen durch die Stadtverwaltung" zugestimmt hatte.
Mit Anwaltsschreiben vom 15. November 1994 bot der Beklagte der Klägerin an, den Hauptvertrag abzuschließen und forderte sie, unter Vorbehalt des eigenen Bestimmungsrechts auf, die Gegenleistung zu bezeichnen. Hierzu setzte er ihr Frist bis 22. November 1994 und lehnte für den Fall des fruchtlosen Ablaufs die Durchführung des Vorvertrags ab. Die Klägerin bot ihm am 18. November 1994 schriftlich eine Teilfläche von 27.180 qm eines im Gewerbegebiet gelegenen Grundstücks an und errechnete einen vom Beklagten zu entrichtenden Erschließungskostenanteil von 951.300 DM. Zugleich schlug sie einen Beurkundungstermin vor. Der Beklagte erklärte am 1. Dezember 1994 den Rücktritt vom Vorvertrag und wiederholte dies unter Vorlage einer Anwaltsvollmacht am 8. Dezember 1994.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ein notariell beurkundetes Angebot abzugeben, wonach er sich verpflichtet, sein Grundstück auf die Klägerin im Hinblick auf deren Zusicherung zu übertragen, daß der Bebauungsplan für das Gewerbegebiet K. straße genehmigt und in Kraft getreten ist, Zug um Zug gegen die Verpflichtungserklärung der Klägerin, die dort gelegenen Grundstücke Flur 3, Flurstück 142/8 (26.400 qm) und Flurstück 152/2 (3.780 qm), insgesamt 27.180 qm, dem Beklagten in voll erschlossenem Zustand ohne Ausgleichsleistung aber unter Erstattung der nicht geförderten Erschließungskosten zu übertragen. Hilfsweise hat sie beantragt, den Beklagten zur Annahme eines Angebots gleichen Inhalts, höchst hilfsweise eines noch abzugebenden Angebots diesen Inhalts zu verurteilen. Der Beklagte hat Klagabweisung und widerklagend beantragt, ihm eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 13.590 DM für den Monat Januar 1995 zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Klägerin zur Zahlung des beantragten Betrags, jedoch für Januar, Februar und (anteilig) für März 1994 verurteilt. Die weitergehende Widerklage hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Erweiterung der Widerklage auf die Feststellung, daß der Klägerin aus dem Vorvertrag keine Rechte zustehen, stattgegeben, im übrigen die Berufungen beider Seiten zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag fort und begehrt volle Zurückweisung der Widerklage. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Bevollmächtigte des Bürgermeisters habe die Klägerin beim Abschluß des Vorvertrags nicht wirksam vertreten können, da der nach § 21 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Buchst. k der (damals in Thüringen geltenden) Kommunalverfassung der DDR für die Verfügung über Gemeindevermögen erforderliche Beschluß der Stadtverordnetenversammlung nicht vorliege. Die Vorschriften beschränkten nicht nur die Befugnis des Bürgermeisters zur Vertretung, sondern schränkten auch dessen Vertretungsmacht ein. Eine Genehmigung des Vertrags sei nicht erfolgt, die Klägerin sei auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, sich auf den Vertretungsmangel zu berufen. Die vom Landgericht zugesprochene Nutzungsentschädigung sei nach den Vorschriften über das Verhältnis des Eigentümers zum nicht berechtigten Besitzer geschuldet.
II.
Mit dieser Begründung hält das Berufungsurteil der Revision nicht stand.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat, nach Erlaß des Berufungsurteils, entschieden, daß nach der DDR-Kommunalverfassung rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde abgab, regelmäßig auch dann für die Gemeinde verbindlich waren, wenn sie der internen gesetzlichen Aufgabenverteilung zwischen Gemeindevertretung und Bürgermeister oder der innergemeindlichen Willensbildung widersprachen (Urt. v. 17. April 1997, III ZR 98/96, WM 1997, 2410). Der VII. Zivilsenat hat im Anschluß hieran ausgesprochen, daß rechtsgeschäftliche Erklärungen, die der Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde abgab, regelmäßig auch dann für die Gemeinde verbindlich waren, wenn, wie im Streitfall, entsprechende Beschlüsse der Gemeindevertetung nicht vorlagen (Urt. v. 18. Dezember 1997, VII ZR 155/96, WM 1998, 1097).
Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsprechung der beiden Senate an. Für eine Ausnahme von der aufgestellten Regel gibt der Streitstoff keinen Anlaß.
III.
Das Berufungsurteil kann auch nicht mit anderer Begründung aufrechterhalten bleiben.
1. Unzutreffend ist die Auffassung der Revisionserwiderung, die Klägerin sei bei Abschluß des Vorvertrages deshalb nicht wirksam vertreten gewesen, weil die Kommunalverfassung zwar eine Vertretung des Bürgermeisters durch dessen Stellvertreter, den Ersten Beigeordneten (§ 28 Abs. 2 Satz 1), nicht aber eine darüber hinausgehende Möglichkeit der Stellvertretung vorgesehen habe. Der Erste Beigeordnete vertritt als allgemeiner ständiger Stellvertreter den Bürgermeister in allen Angelegenheiten seines Amtes, seien sie der hoheitlichen Verwaltung, seien sie der Teilnahme am privaten Rechtsverkehr zuzurechnen. Dies galt nach der Kommunalverfassung und gilt nach der Thüringer Kommunalordnung vom 16. August 1993 (GVBl. S. 501), die diese abgelöst hat (§ 32 Kommunalordnung). Aus § 28 Abs. 2 der Kommunalverfassung konnte nicht der Schluß gezogen werden, eine Vertretung des Bürgermeisters durch andere Personen als seinen allgemeinen Stellvertreter sei ausgeschlossen. Allerdings kann der Bürgermeister nach altem wie neuem Recht die Erledigung seiner hoheitlichen Aufgaben nicht ohne gesetzliche Ermächtigung auf andere Personen übertragen. Die Kommunalverfassung sah deshalb, wie jetzt die Kommunalordnung, besondere Gemeindeorgane, die Beigeordneten, vor, denen die Leitung von Dezernaten und Ämtern der Gemeindeverwaltung übertragen werden konnte (§ 28 Abs. 2 Satz 2; § 32 Abs. 5 der Kommunalordnung). Die Befugnis der Gemeinde, auf dem Gebiet des Privatrechts Vollmacht zu erteilen, folgt dagegen bereits aus deren Stellung als Rechtssubjekt. Sie wird durch das vertretungsberechtigte Organ, im Streitfall den Bürgermeister, nach den Vorschriften der §§ 164 ff BGB ausgeübt. Allerdings enthalten, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, Gemeindeordnungen zum Teil die ausdrückliche Bestimmung, daß der Bürgermeister in einzelnen Angelegenheiten rechtsgeschäftliche Vollmacht erteilen kann (so § 53 Abs. 2 GemO Baden-Württemberg), oder sie setzen dies ausdrücklich voraus (vgl. § 64 Abs. 3 GemO Nordrhein-Westfalen oder mit dem Hinweis, daß außer einer Bevollmächtigten auch ein Bevollmächtigter in Frage komme, § 63 Abs. 3 GemO Niedersachsen, § 56 Abs. 3 GemO Schleswig- Holstein). Diese Vorschriften sind jedoch, was die Bevollmächtigung zur Teilnahme am privaten Rechtsverkehr angeht, deklaratorisch (für Baden-Württemberg vgl. Kunze/Schmid, Gemeindeordnung, 3. Aufl., § 53 Anm. II; Gern, Kommunalrecht, 5. Aufl., 1992, Rdn. 270). Ihr Zweck besteht vielfach darin, bei der Bevollmächtigung zur Abgabe von Verpflichtungserklärungen die Vollmachtserteilung an die (landesrechtlichen, vgl. BGH, Urt. v. 20. Januar 1994, VII ZR 174/92, NJW 1994, 1528) Formerfordernisse des abzuschließenden Geschäfts zu knüpfen (vgl. § 31 Abs. 2 der Thüringer Kommunalordnung). Der Bürgermeister der Klägerin konnte mithin auch ohne besondere Ermächtigung in der Kommunalverfassung einen Vertreter zur Abgabe der im Beurkundungstermin vom 11. November 1992 abgegebenen Erklärungen bevollmächtigen.
2. Unzutreffend ist auch die Auffassung der Revisionserwiderung, der Vorvertrag sei wegen inhaltlicher Unbestimmtheit nicht bindend.
Allerdings kann ein Vorvertrag die Parteien nur binden, wenn deren Einigung einen seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmten oder unter Berücksichtigung allgemeiner Auslegungsregeln sowie des dispositiven Rechts zumindest bestimmbaren Hauptvertrag zum Gegenstand hat (BGH, Urt. v. 18. November 1993, IX ZR 256/92, WM 1994, 752, 754; v. 20. September 1989, VIII ZR 143/88, WM 1989, 1769). Dies folgt freilich, entgegen der Auffassung der Revision, nicht aus § 313 Satz 1 BGB. Das Formgebot hat die Erklärungen zum Gegenstand, die die Parteien zum Inhalt ihres Grundstücksgeschäfts machen. Kommen sie, wenn auch nur andeutungsweise (BGHZ 87, 150, 154), im Urkundstext zum Ausdruck, ist ihm Genüge getan. Ein notarieller Vorvertrag mit nicht hinreichend bestimmbarem Inhalt scheitert, wenn die Urkunde die Erklärungen der Parteien - andeutungsweise - wiedergibt, nicht an der Form, sondern an der Unzulänglichkeit des Inhalts der abgegebenen Erklärungen (RGZ 124, 81; 83).
Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Der Vorvertrag vom 11. November 1992 enthält zwar, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, keine Bestimmung über die Lage des dem Beklagten gebührenden Tauschgrundstücks im Gewerbegebiet K. straße und über dessen Zuschnitt. Das lag indessen daran, daß sich seinerzeit noch nicht abschätzen ließ, welche Parzellierung die Flächen im Endergebnis aufweisen würden. Maßgeblich sollten, wie der Vorvertrag ausdrücklich bestimmt, die Ergebnisse der Vermessung und Parzellierung des Gewerbegebiets sein. Der Vertrag enthält auch, was die Revisionserwiderung weiter bemängelt, keine Bestimmung darüber, welche Vertragspartei aus der Zahl der in Frage kommenden Parzellen die dem Beklagten gebührende Fläche auszuwählen hat. Dies ist indessen eine Frage der Auslegung des Vertrags, im Zweifel gilt § 316 BGB.
IV.
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Das Berufungsgericht hat, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagte wirksam vom Vertrag zurückgetreten ist. Dies hängt davon ab, was die Parteien unter der "bestandkräftigen Bestätigung" des Bebauungsplanes verstanden haben, an die der Vorvertrag die beiderseitige Pflicht zum Abschluß des Grundstückstauschs knüpft. Wenn darunter die Unanfechtbarkeit der Satzung zu verstehen sein sollte, wird das Berufungsgericht auf eine Ergänzung des Parteivortrags hinwirken müssen. Von Bedeutung kann auch sein, in welchem Verhältnis die als Sollbestimmung in den Vorvertrag aufgenommene Zweijahresfrist ab Beurkundung zu dem Zeitpunkt der "bestandskräftigen Bestätigung" des Bebauungsplanes steht. Schließlich kann es darauf ankommen, welcher Seite das Bestimmungsrecht über die dem Beklagten gebührende Fläche zustand. Kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß der Beklagte wirksam vom Vorvertrag zurückgetreten ist, ist von diesem Zeitpunkt an ein Recht der Klägerin zum Besitz des im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücks auch nicht mehr nach der "Absichtserklärung" vom 11. August 1992 gegeben. Hiervon hängt auch die Entscheidung über die Widerklage ab.
Ende der Entscheidung
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