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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.03.2003
Aktenzeichen: V ZR 156/02
Rechtsgebiete: EGBGB 1986


Vorschriften:

EGBGB 1986 Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1
Der Auflassungsanspruch aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB erfaßt das Grundstück nur insoweit, als das Eigentum dem Verpflichteten durch Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB übertragen werden sollte, nicht auch einen Miteigentumsanteil, den der Verpflichtete später hinzuerworben hat.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 156/02

Verkündet am: 28. März 2003

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12. Dezember 2001 aufgehoben und das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, dem Kläger das Eigentum an den Grundstücken Gemarkung A. Flur 9 Flurstück 93 und Flur 23 Flurstück 104, eingetragen im Grundbuch von A. Blatt 2343, Nr. 1 und Nr. 2, zu mehr als 1/2 zu übertragen.

Im übrigen wird der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um landwirtschaftlich genutzte Gründstücke aus der Bodenreform.

Bei Ablauf des 15. März 1990 war E. J. auf der Grundlage der Zuweisung der Grundstücke aus dem Bodenfonds als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. E. J. verstarb am 5. Juni 1979. Er wurde von seinen Töchtern, der Beklagten und ihrer Schwester, E. J. , zu gleichen Teilen beerbt.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 20. September 1990 setzten die Beklagte und E. J. den Nachlaß nach ihrem Vater dahin auseinander, daß die Grundstücke gegen Bezahlung des hälftigen Verkehrswertes an E. J. der Beklagten übertragen werden sollten. In Vollzug der Einigung vom 20. September 1990 wurde die Beklagte am 21. September 1994 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen. Sie ist nicht zuteilungsfähig.

Das klagende Land (Kläger) verlangt die Auflassung der Grundstücke. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt sie die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht erachtet die Klage für nach Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EGBGB begründet. Es meint, die am 20. September 1990 zwischen der Beklagten und ihrer Schwester getroffene Vereinbarung bedeute keinen Vertrag mit einem Dritten im Sinne von Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB, sondern eine andere Aufteilung des Eigentums an den Grundstücken im Sinne von Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 2 EGBGB, aufgrund deren die Beklagte mit Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes alleinige Eigentümerin der Grundstücke geworden sei. Da sie nicht zuteilungsfähig sei, habe sie die Grundstücke an den Kläger aufzulassen.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Die Ausführungen der Revision zur Verfassungswidrigkeit der in Art. 233 §§ 11 ff EGBGB bestimmten Auflassungsansprüche geben dem Senat allerdings keinen Anlaß zur Änderung seiner Rechtsprechung. Der Senat hat die Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften zur Abwicklung der Bodenreform auch angesichts des Irrtums des Gesetzgebers über die Vererblichkeit der Grundstücke aus der Bodenreform im Urteil vom 17. Dezember 1998 (BGHZ 140, 223, 231 ff) bejaht, seine Auffassung gegenüber im Schrifttum geäußerten Bedenken bestätigt (Senatsurt. v. 20. Oktober 2000, V ZR 194/99, WM 2001, 212 f) und hieran auch im Hinblick auf weitere Erkenntnisse der historischen Situation festgehalten (Senatsurt. v. 22. März 2002, V ZR 192/01, VIZ 2002, 483 f).

Ebensowenig wie Art. 233 §§ 11 ff EGBGB gegen das Grundgesetz verstoßen, verstoßen sie auch nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

III.

Das angefochtene Urteil hat dennoch keinen Bestand. Ein Anspruch des Klägers auf den Erwerb des Eigentums an den Grundstücken besteht nicht, soweit die Beklagte den Miteigentumsanteil ihrer Schwester an den Grundstücken aufgrund des Vertrages vom 20. September 1990 erworben hat. Hinsichtlich des anderen Anteils ist der Anspruch davon abhängig, daß E. J. nicht zuteilungsfähig war.

1. Nach Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1 EGBGB kann die Auflassung des Grundstücks nur insoweit verlangt werden, als das Eigentum dem Verpflichteten durch Art. 233 § 11 Abs. 2 EGBGB übertragen werden sollte. Die Vorschrift gewährt dagegen keinen Anspruch auf Übertragung von Eigentum oder Miteigentum an einem Grundstück, das die Beklagte nach dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes rechtsgeschäftlich erworben hat (Senatsurt. v. 15. März 2002, V ZR 106/01, VIZ 2002, 484, 485). Deswegen ist die Klage schon nicht schlüssig, soweit der Kläger von der Beklagten die Übertragung auch desjenigen Miteigentumsanteils der Beklagten an den Grundstücken verlangt, den die Beklagte von ihrer Schwester E. mit ihrer am 21. September 1994 erfolgten Grundbucheintragung erhalten hat; denn seit dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes waren die Beklagte und ihre Schwester Miteigentümerinnen zu jeweils hälftigem Anteil (vgl. Senatsurt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 341/97, WM 1999, 453, 455 u. v. 20. Oktober 2000, V ZR 194/99, WM 2001, 212, 213) mit der Folge, daß die Schwester über ihren Anteil verfügen durfte.

Hieran hat sich durch die am 25. Dezember 1993 in Kraft getretene, durch das Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vorgenommene Ergänzung von Art. 233 § 11 Abs. 2 Satz 2 EGBGB nichts geändert. Nach dieser Vorschrift sind die Bruchteile der Beteiligung an dem Grundstückseigentum abweichend von den Erbanteilen zu bestimmen, wenn "die Teilhaber übereinstimmend eine andere Aufteilung der Bruchteile bewilligen". Darum handelt es sich bei dem Vertrag vom 20. September 1990 nicht. Der Vertrag diente nicht dazu, die Anteile der Beklagten und ihrer Schwester an den Grundstücken abweichend von den Anteilen am Nachlaß zu bestimmen und eine Grundlage für die Nachfolge in die Bodenreformwirtschaft des Verstorbenen im Sinne von § 4 Abs. 3 BesitzwechselVO zu schaffen, sondern dazu, den der E. J. zustehenden Miteigentumsanteil an den Grundstücken entgeltlich an die Beklagte zu veräußern.

2. Ob der Kläger von der Beklagten die Übertragung des Miteigentums an den Grundstücken verlangen kann, soweit die Beklagte das Miteigentum kraft Gesetzes erworben hat, hängt davon ab, daß auch E. J. bei Ablauf des 15. März 1990 nicht zuteilungsfähig war und die Grundstücke deshalb in den Bodenfonds hätten zurückgeführt werden müssen. Denn das Vorhandensein auch nur eines zuteilungsfähigen Erben schließt den Anspruch des Klägers aus (vgl. Senatsurt. v. 21. Juni 1996, V ZR 284/95, WM 1996, 1865, 1866 u. v. 18. Juni 1999, V ZR 354/97, WM 1999, 1724, 1725). Daß nicht nur die Beklagte, sondern auch E. J. nicht zuteilungsfähig war, hat der Kläger darzulegen (vgl. Senatsurt. v. 4. Mai 2001, V ZR 21/00, WM 2001, 1902, 1903). Daran fehlt es.

Dies ist von den Parteien nicht gesehen worden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht erhalten sie Gelegenheit zur Ergänzung ihres Vorbringens.

Ende der Entscheidung

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