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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 03.07.2008
Aktenzeichen: V ZR 194/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

BGB § 463 Satz 2 a. F.
ZPO § 296
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3
ZPO § 544 Abs. 7
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

V ZR 194/07

vom 3. Juli 2008

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 3. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Lemke, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:

Tenor:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 6. November 2007 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 505.291,88 €.

Gründe:

I.

Mit notariellem Vertrag vom 29. September 1999 verkauften die Beklagten der Klägerin ein mit einem Hotel mit Tiefgarage bebautes Grundstück in T. für 8 Mio. DM. Der Vertrag enthält einen Ausschluss der Gewährleistung für Größe und etwaige Mängel sowie die Klausel, dass "der Verkäufer dem Käufer" zusichere, "dass er die angefangene Beseitigung und Sanierung der Durchfeuchtungsschäden im Kellerbereich (Garagenzugang) auf seine Kosten bis zum 31.12.1999 ordnungsgemäß beenden wird." Dazu kam es indes nicht, weil sich die Feuchtigkeitsproblematik als erheblich umfangreicher darstellte als erwartet. Feuchtigkeitsschäden zeigten sich nämlich über den Kellerbereich (Garagenzugang) hinaus auch in anderen Gebäudebereichen. Die Klägerin veranschlagt für die Beseitigung aller Feuchtigkeitsschäden Kosten in Höhe von über 1 Mio. DM. Mit einem Vorschussanspruch für die Mängelbeseitigung in Höhe von 515.016,80 € hat sie die Aufrechnung gegen die am 31. Dezember 2000 fällig gewordene letzte Kaufpreisrate von 1 Mio. DM (511.291,88 €) erklärt. Die Beklagten wollen die Restforderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Vollstreckungsgegenklage. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie bis auf einen Teilbetrag von 6.000 €, dessentwegen es die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt hat, abgewiesen. Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Beschwerde der Klägerin, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen.

II.

Das Berufungsgericht verneint einen aufrechenbaren Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 2 BGB a. F. mit der Begründung, ein arglistiges Verhalten der Beklagten sei nicht nachgewiesen. Die Beweisaufnahme vor dem Landgericht habe nicht ergeben, dass den Beklagten andere Durchfeuchtungsschäden als die im Kellerbereich (Garagenzugang) bekannt gewesen seien und sie diese der Klägerin verheimlicht hätten. Mit einem Anspruch aus der Zusicherung, die Beseitigung und Sanierung der Durchfeuchtungsschäden im Kellerbereich (Garagenzugang) zu Ende zu führen, könne die Klägerin zwar aufrechnen. Der dazu erforderliche Aufwand verursache aber nur Kosten von 6.000 €. Die Zusicherung erfasse demgegenüber nicht ganz andere Durchfeuchtungsschäden, die mit der Feuchtigkeit im Kellerbereich (Garagenzufahrt) - wie die vor dem Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme ergeben habe - nichts zu tun hätten. III.

Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat. 1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Insoweit gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BVerfGE 50, 32, 35; 60, 247, 249). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebotes verstößt daher dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655). Ein solcher Fehler ist dem Berufungsgericht hier unterlaufen. 2. Er liegt allerdings entgegen der Ansicht der Nichtzulassungsbeschwerde nicht schon darin, dass es eine Arglist der Beklagten verneint hat, ohne die übrigen von der Klägerin angetretenen Beweise zu der behaupteten Kenntnis der Beklagten von den Feuchtigkeitsschäden zu erheben. a) Die Klägerin hat zu ihrer von den Beklagten jedenfalls zunächst bestrittenen Behauptung, der Beklagte zu 1 habe von den Feuchtigkeitsschäden Kenntnis gehabt, neben den dazu vernommenen Zeugen M. , S. , Mö. , Ma. , F. und Sch. schon in der Klageschrift den Zeugen H. und im Schriftsatz vom 18. Dezember 2003 den Zeugen N. benannt. Ferner hat sie mit Schriftsatz vom 28. November 2002 eine erneute Vernehmung der Zeugen M. und F. beantragt. Dass diesen Beweisanträgen nicht entsprochen worden ist, ist nicht zu beanstanden. b) Die in das Wissen dieser Zeugen gestellte Behauptung war zwar geeignet, den Vortrag der Beklagten, ihnen seien Feuchtigkeitsschäden nicht bekannt gewesen, zu widerlegen. Zu dem der Klägerin als Käuferin obliegenden (Senat, BGHZ 117, 260, 263) Beweis der Arglist genügte das aber nicht. Die Beklagten hatten nämlich in der Klageerwiderung auch vorgetragen, sie seien wie alle Beteiligten davon ausgegangen, dass die Feuchtigkeit im Fußbodenaufbau auf das Eindringen von Wasser aus dem Bereich der Gebäudetrennfuge zwischen dem Garagenteil und dem Haupthaus zurückzuführen sei. Das war aber der Feuchtigkeitsschaden, den zu beseitigen sie sich im Kaufvertrag verpflichtet hatten. Der Nachweis der Arglist ließ sich deshalb nicht allein mit der Kenntnis von Feuchtigkeitsschäden, sondern nur mit zusätzlichem Vortrag zu solchen Umständen führen, die den Rückschluss zulassen, die Beklagten hätten von einer anderen Ursache gewusst. Dahin gehenden Vortrag hat die Klägerin nicht gehalten. 3. Mit dem Prozessrecht nicht vereinbar ist es aber, dass das Berufungsgericht die in zweiter Instanz in der mündlichen Verhandlung am 25. September 2007 benannten Zeugen nicht vernommen hat. a) In dieser Verhandlung hat die Klägerin behauptet, bei Vertragsschluss sei nicht nur auf der der Tiefgarage zugewandten Seite der Öffnung im Türdurchgang Feuchtigkeit vorhanden gewesen, sondern auch auf der "linken", also der dem Keller des Hotels zugewandten Seite. Als Beweis für diese Behauptung hat sie die Zeugen Ha. , Nö. , Mö. , Sch. , Ma. und K. benannt. b) Diese Behauptung ist für die Entscheidung des Berufungsgerichts erheblich. Denn es stützt seine Auslegung der Zusicherung der Beklagten im Kaufvertrag entscheidend darauf, dass seinerzeit "eine Sanierung des Baukörpers ,Tiefgarage' zu Ende zu bringen [war], nicht aber ein bei Vertragsschluss nicht erkanntes Feuchtigkeitsproblem auf der Seite des Hauptgebäudes hinter der Dehnfuge". Trat aber bei Vertragsschluss auch in dem Bereich auf der Seite des Hauptgebäudes Feuchtigkeit auf, so lässt sich die einschränkende Auslegung der Klausel durch das Berufungsgericht nicht, jedenfalls nicht so, begründen. Zu welchem Auslegungsergebnis das Berufungsgericht dann gelangt wäre, ist zumindest offen. c) Die Vernehmung der Zeugen zu dieser entscheidenden Frage durfte das Berufungsgericht nicht nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO als verspätet ablehnen. aa) Die Klägerin hatte in erster Instanz keine Veranlassung, zu dieser Frage näher vorzutragen. Für das Landgericht kam es auf diese Unterscheidung nämlich zunächst nicht an, weil es von einem Schadensersatzanspruch nach § 463 Satz 2 BGB a. F. ausgegangen war. Erst mit Beschluss vom 1. Juli 2004 hat es auf eine mögliche Haftung der Beklagten aus der "Zusicherung" der Mängelbeseitigung in dem Kaufvertrag hingewiesen. Doch spielte auch dann die Frage, an welchen Stellen genau Feuchtigkeitsschäden aufgetreten waren, keine Rolle. Die Auslegung der Klausel hing für das Landgericht davon nicht ab. Es ging davon aus, dass beiderseits der Fuge Feuchtigkeit war und es deshalb entscheidend darauf ankommen würde, ob die Feuchtigkeit im Keller auf einen Wassereinbruch in der "Trennfuge" zurückging. Das hat das Landgericht in seinem Urteil, gestützt auf die Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Ko. vom 26. Juni 2003, angenommen und der Klage stattgegeben. Anlass zu ergänzendem Vortrag und Beweisantritt zu dem genauen Vorkommen von Feuchtigkeit hatte die Klägerin daher entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht. bb) Ob das Vorbringen der Klägerin von dem Berufungsgericht nach § 296 ZPO hätte zurückgewiesen werden können, ist im Hinblick darauf, dass es an einem Hinweis auf die von der ersten Instanz abweichende Rechtsauffassung fehlt, zweifelhaft und im Übrigen ohne Belang. Denn so ist das Berufungsgericht nicht verfahren.

Ende der Entscheidung

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