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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.10.2000
Aktenzeichen: V ZR 207/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 459 Abs. 2 |
Fehlt der gekauften Sache bei Gefahrübergang eine zugesicherte Eigenschaft, entfällt der Anspruch des Käufers auf Minderung nicht dadurch, daß der Sache bis zum Vollzug der Minderung die zugesicherte Eigenschaft zuwächst.
BGH, Urt. v. 20. Oktober 2000 - V ZR 207/99 - OLG München LG Kempten (Allgäu)
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 20. Oktober 2000
Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Schneider, Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revison der Klägerin gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 25. März 1999 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Minderung des Kaufpreises für ein Grundstück.
Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 23. Juli 1993 verkaufte die Klägerin der Beklagten eine Teilfläche von 4.250 qm ihres Grundstücks Flurstück Nr. 187 in W. -S. (im folgenden: Kaufgrundstück) zur Errichtung eines SB-Marktes. Die Gewährleistung für Mängel wurde im Vertrag ausgeschlossen. Der vereinbarte Kaufpreis betrug 637.500 DM (150 DM/qm). Die Kaufpreisfälligkeit war u.a. von der Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Beklagten und der für die Teilung des Grundstücks notwendigen Genehmigung abhängig. Der Besitz sollte mit der Zahlung des Kaufpreises auf die Beklagte übergehen. Die Klägerin versicherte im Vertrag, das Kaufgrundstück sei in dem von der Gemeinde beschlossenen Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen.
Tatsächlich war das Kaufgrundstück im Flächennutzungsplan als Wohngebiet ausgewiesen. Die Gemeinde versagte ihr Einverständnis zur Teilung. Mit Bescheid vom 28. Februar 1994 lehnte der zuständige Landkreis die beantragte Genehmigung ab. Diesen Bescheid focht die Klägerin an. Durch Vertrag vom 30. März 1994 verkaufte sie die Restfläche ihres Grundstücks für 80 DM/qm an die Gemeinde. Daraufhin erklärte der Landkreis, daß es der zur Teilung des Grundstücks notwendigen Genehmigung nicht mehr bedürfe, und erteilte einen Negativbescheid.
Im Juli 1994 stellte die Gemeinde einen Bebauungsplan auf, nach welchem das Kaufgrundstück in einem Mischgebiet liegt, beschloß im Juli 1996 jedoch, daß der SB-Markt auf dem Flurstück 195 zu errichten sei, das sich im Eigentum der Gemeinde befand.
Hierauf forderte die Klägerin die Beklagte auf, entweder der Löschung der zwischenzeitlich eingetragenen Vormerkung zuzustimmen oder den vereinbarten Kaufpreis zu zahlen. Die Beklagte hielt am Vertrag fest und überwies der Klägerin 382.500 DM mit dem Vermerk "Quadratmeter à 90 DM". Die Klägerin widersprach der Minderung. Im Dezember 1996 vertauschte die Beklagte das Kaufgrundstück der Gemeinde gegen das Grundstück Flurstück 195, um auf diesem den Markt zu errichten. Im August 1997 trat der 1994 von der Gemeinde beschlossene Bebauungsplan in Kraft.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Bezahlung der Differenz zwischen dem für das Kaufgrundstück vereinbarten Preis und dem von der Beklagten auf diesen gezahlten Betrag. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen Anspruch der Beklagten auf Minderung des für das Kaufgrundstück vereinbarten Preises. Es führt aus, die Versicherung im Kaufvertrag, das Grundstück sei im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen, bedeute die Zusicherung einer Eigenschaft, an der es bei Gefahrübergang gefehlt habe. Die Gefahr sei mit der Zahlung des Betrages von 382.500 DM übergegangen. Auf diesen Betrag sei der vereinbarte Kaufpreis nach dem berechtigten Minderungsverlangen der Beklagten zurückzuführen. Daß mit dem späteren Inkrafttreten des Bebauungsplans dem Kaufgrundstück die zugesicherte Eigenschaft, in einem als Mischgebiet ausgewiesenen Baugebiet belegen zu sein, zugewachsen sei, lasse den Minderungsanspruch der Beklagten unberührt.
II.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
1. Die Auslegung der Versicherung der Klägerin im Kaufvertrag durch das Berufungsgericht, das Grundstück sei im Flächennutzungsplan als Mischgebiet ausgewiesen, als Zusicherung einer Eigenschaft im Sinne von § 459 Abs. 2 BGB, die von dem vereinbarten Gewährleistungsausschluß nicht berührt wird, stellt die Revision nicht in Frage. Ebensowenig wendet sie sich gegen die weitere Auslegung des Vertrages durch das Berufungsgericht, daß die Gefahr auch dann übergehe, wenn die Zahlung auf den Kaufpreis zwar hinter dem vereinbarten Betrag zurückbleibe, der Zahlungsbetrag jedoch einem berechtigten Minderungsverlangen entspreche. Die Höhe des wegen dieses Verlangens von der Beklagten zu zahlenden Preises zieht die Revision ebenfalls nicht in Zweifel. Revisionsrechtlich beachtliche Fehler liegen auch nicht vor.
2. Die Revision wendet sich gegen die Meinung des Berufungsgerichts, der Anspruch der Beklagten auf Minderung des Kaufpreises sei nicht dadurch entfallen, daß dem Kaufgrundstück bis zum Vollzug der Minderung die zugesicherte Eigenschaft zugewachsen sei. Damit kann sie nicht durchdringen.
Seit Inkrafttreten des Bebauungsplans, in dem das Kaufgrundstück als Mischgebiet ausgewiesen ist, hat die Frage seiner Ausweisung im Flächennutzungsplan für die Beklagte an Bedeutung verloren. Planungsrechtlich ist die Situation des Grundstücks seither besser, als die Klägerin zugesichert hat. Entscheidend für die Frage, ob die Beklagte von der Klägerin das Einverständnis zur Minderung des Kaufpreises verlangen kann, ist jedoch nicht der Zeitpunkt des Vollzugs der Minderung, im vorliegenden Fall der Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Klage (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juli 1990, VIII ZR 219/89, NJW 1990, 2680, 2681 m.w.N., und Urt. v. 19. Juni 1996, VIII ZR 252/95, NJW 1996, 2647, 2648), sondern der Zeitpunkt des Übergangs der Gefahr.
Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise die Meinung vertreten, der die Minderung rechtfertigende Mangel müsse noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vorliegen, auf die das Urteil ergeht, in welchem über das Minderungsverlangen entschieden wird (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 265 und 1587, 1588; Palandt/Putzo, BGB, 59. Aufl., § 462 Rdn. 9). Das Berufungsgericht und die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur sind jedoch der Auffassung, maßgebend sei nach den gesetzlichen Gewährleistungsvorschriften lediglich, daß der Kaufgegenstand im Zeitpunkt des Gefahrübergangs einen Mangel aufweise (RGZ 55, 201, 206; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 279, 280; Erman/Grunewald, BGB, 10. Aufl., § 459 Rdn. 31; Jauernig/Vollkommer, BGB, 9. Aufl., § 462 Rdn. 7; MünchKomm-BGB/Westermann, 3. Aufl., § 459 Rdn. 31; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 459 Rdn. 90; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 6. Aufl., Rdn. 282; Vollkommer/Teske, JZ 1984, 844, 845; Peters, JR 1997, 102, 103). Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher offengelassen (BGHZ 90, 198, 204; BGH, Urt. v. 19. Juni 1996, VIII ZR 252/95, NJW 1996, 2647, 2648)
Zumindest für die vorliegende Fallkonstellation, in welcher der Mangel weggefallen ist, ohne daß eine der Kaufvertragsparteien dazu beigetragen hat, ist der letztgenannten Auffassung zu folgen. Hierfür spricht zunächst der Wortlaut von § 459 BGB. Sowohl nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 der Vorschrift hat der Verkäufer Gewähr dafür zu leisten, daß die Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelfrei ist bzw. die zugesicherte Eigenschaft hat und nicht erst bis zum Vollzug der Wandlung oder Minderung fehlerfrei wird. Weiterhin kann es dem Verkäufer nicht zugute kommen, daß er sein Einverständnis zur Vollziehung der Wandlung oder Minderung hinauszögert, obwohl der Käufer wegen des Mangels oder des Fehlens der zugesicherten Eigenschaft berechtigt Wandlung oder Minderung verlangt (Soergel/Huber, aaO). Die gegenteilige Auffassung schränkt zudem den Käufer bis zum Vollzug der Wandlung oder Minderung in seiner Dispositionsbefugnis ein. Tätigt der Käufer vor dem Vollzug der Wandlung oder Minderung ein Deckungsgeschäft, wie es wirtschaftlich im vorliegenden Fall durch den Tausch zwischen der Beklagten und der Gemeinde geschehen ist, liefe der Käufer bei einem Wegfall des Mangels bis zum Vollzug der Wandlung oder Minderung Gefahr, trotz des Fehlers der Kaufsache das Deckungsgeschäft auf eigenes Risiko zu schließen (Reinicke/Tiedtke, aaO; Vollkommer/Teske, aaO).
3. Die Revision hat auch insoweit keinen Erfolg, als sie geltend macht, das Minderungsverlangen der Beklagten bedeute einen Verstoß gegen Treu und Glauben und sei als unzulässige Rechtsausübung zurückzuweisen (§ 242 BGB). Eine solche Ausnahme kommt nach der Rechtsprechung in Betracht, wenn der Mangel der Kaufsache für den Käufer tatsächlich keine nachteiligen Auswirkungen hat und er die Sache zunächst in Betrieb genommen sowie einige Zeit genutzt hat (BGHZ 90, 198, 204; BGH, Urt. v. 8. Februar 1984, VIII ZR 295/82, NJW 1984, 1525, 1526).
So liegt der Fall hier nicht. Aufgrund der Ausweisung des Grundstücks im Flächennutzungsplan als Wohngebiet war die Beklagte bis zum Inkrafttreten des, wenn auch schon in Rede stehenden, Bebauungsplans an der vertraglich vorgesehenen Nutzung des Grundstücks gehindert. Für die Beklagte war nicht nur der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans unsicher, sondern auch, ob angesichts der im Flächennutzungsplan vorgesehenen andersartigen Nutzung der Bebauungsplan überhaupt rechtswirksam werden würde. Denn ein Bebauungsplan, der nicht aus einem entsprechenden Flächennutzungsplan entwickelt ist, kann ungültig sein, sofern durch ihn die aus dem Flächennutzungsplan folgende geordnete städtebauliche Entwicklung beeinträchtigt wird (BVerwGE 48, 70, 72; Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl., § 8 Rdn. 6). Angesichts dessen entsprach das Minderungsverlangen der Beklagten jedenfalls nach der Aufforderung der Klägerin, sich zwischen der Löschung der Auflassungsvormerkung und der Zahlung des Kaufpreises zu entscheiden, einer sachgerechten Interessenwahrnehmung. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischen der Gemeinde und der Beklagten vorgenommenen Grundstückstausch. Dieser diente letztlich nur dazu, den Markt auf einem Grundstück errichten zu können, das planungsrechtlich die Qualität hatte, die von der Klägerin für das Kaufgrundstück zugesichert war.
Ende der Entscheidung
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