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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 16.11.2007
Aktenzeichen: V ZR 214/06
Rechtsgebiete: BGB, BauGB


Vorschriften:

BGB § 134
BGB § 138
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1
BGB § 818 Abs. 1
BGB § 818 Abs. 2
BauGB § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
BauGB § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3
BauGB § 57
BauGB § 57 Satz 3
BauGB § 58
BauGB § 58 Abs. 3
BauGB § 63 Abs. 1
BauGB § 72 Abs. 1
BauGB § 194
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 214/06

Verkündet am: 16. November 2007

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2007 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. August 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Aufgrund notariell beurkundeten Vertrages vom 26. Januar 1994 erwarb die Beklagte von dem Kläger einen Miteigentumsanteil von 13/100 an einem Grundstück des Klägers für 5 DM pro Quadratmeter (Kaufpreis: 16.151,85 DM). Hintergrund des Geschäfts war eine "freiwillige Gemeindebeteiligung" bei Baulandausweisungen, wonach laut Gemeinderatsbeschluss die betroffenen Grundstückseigentümer auf "freiwilliger Basis" 10 % ihrer Flächen an die Beklagte zur Kostendeckung übertragen mussten.

Im Juli 1994 beschloss der Gemeinderat der Beklagten die Durchführung eines Umlegungsverfahrens. U.a. brachten der Kläger und die Beklagte ihr gemeinschaftliches Grundstück ein. Nach dem unanfechtbaren Umlegungsplan erhielten sie dafür verschiedene Baugrundstücke. Der Wert der Sollzuteilung betrug für die Beklagte 411.161,76 €.

Der Kläger hält den Kaufvertrag für nichtig nach §§ 134, 138 BGB. Wegen der Unmöglichkeit der Rückgabe des Miteigentumsanteils verlangt er von der Beklagten die Zahlung von 411.161,76 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 148.649,57 € nebst Zinsen stattgegeben.

Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klage in Höhe des abgewiesenen Teils weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger gegen die Beklagte ein Bereicherungsanspruch nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB zu. Der Miteigentumsanteil an dem Grundstück des Klägers sei ohne Rechtsgrund an die Beklagte übereignet worden, weil der Kaufvertrag wegen groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Wegen der Unmöglichkeit der Rückübertragung des Miteigentumsanteils schulde die Beklagte Wertersatz. Für die Berechnung der Anspruchshöhe sei der Zeitpunkt der Entstehung des Kondiktionsanspruchs, und nicht der des Eintritts der Unmöglichkeit der Herausgabe maßgeblich. Der von der Beklagten gezahlte Kaufpreis sei im Wege der Saldierung von dem Anspruch des Klägers abzuziehen.

Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

II.

1. Das Berufungsgericht hat in einem sehr sorgfältig und überzeugend begründeten Urteil dargelegt, dass der Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht als städtebaulicher Vertrag nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3 BauGB zu werten und auf dieser Grundlage als gültig anzusehen ist, sondern als wucherähnliches Geschäft wegen groben Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist. Dies greift die Revision, weil ihr günstig, nicht an und wird ebenso wenig von der Revisionserwiderung, etwa durch Erhebung von Gegenrügen, in Frage gestellt. Die Rechtsausführungen sind auch nicht zu beanstanden.

Weiterhin geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die Beklagte nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB wegen der Unmöglichkeit der Herausgabe des Miteigentumsanteils zum Wertersatz verpflichtet ist. Die von dem Kläger in der Revisionsbegründung vertretene Auffassung, die Herausgabepflicht der Beklagten erstrecke sich nach § 818 Abs. 1 BGB auf den Wert der Sollzuteilung, der ihr als Ersatz für die Einbringung des Miteigentumsanteils im Umlegungsverfahren zugestanden habe, trifft nicht zu.

a) Der Bereicherungsschuldner ist in erster Linie zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten in Natur verpflichtet (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ist das nicht möglich, weil ihm der erlangte Gegenstand entzogen wurde, muss der Bereicherungsschuldner dasjenige herausgeben, was er als Ersatz für die Entziehung erworben hat (§ 818 Abs. 1 BGB). Wenn sowohl die Herausgabe des Erlangten in Natur als auch die des Ersatzes unmöglich ist, muss er dem Bereicherungsgläubiger den Wert des erlangten Gegenstands ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB).

b) Ihre primäre Pflicht zur Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten in Natur kann die Beklagte nicht erfüllen, weil der erworbene Miteigentumsanteil nicht mehr existiert. Er ist durch die Aufteilung des Gesamtgrundstücks in einzelne Baugrundstücke gemäß dem unanfechtbaren Umlegungsplan untergegangen (vgl. § 72 Abs. 1 BauGB). Darin liegt keine Entziehung i.S. von § 818 Abs. 1 BGB. Denn nach dem der Umlegung zugrunde liegenden, aus § 63 Abs. 1 BauGB folgenden Gedanken der ungebrochenen Fortsetzung des Eigentums an einem "verwandelten Grundstück" geht das Eigentum an dem alten Grundstück nicht unter, und es wird nicht etwa als Entschädigung dafür ein neues Eigentum begründet; vielmehr wird dem Eigentumsrecht an dem Grundstück ein anderes Objekt "untergeschoben" (BGHZ 111, 52, 56). An diesem setzen sich die früheren Eigentumsverhältnisse ungebrochen fort (BGH, Beschl. v. 26. Juni 1997, III ZR 152/96, NVwZ-RR 1998, 8). Demgemäß ist die Durchführung der Baulandumlegung kein Fall der Enteignung (BVerfG NVwZ 2001, 1023). Somit schuldet die Beklagte Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB. Dessen Höhe richtet sich, wovon das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen ist, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem objektiven Verkehrswert des rechtsgrundlos Erlangten (Senat, aaO; BGHZ 132, 198, 207; 168, 220, 239).

2. Fehlerhaft hat das Berufungsgericht jedoch als maßgeblichen Zeitpunkt für die Ermittlung der Höhe des Wertersatzes den Zeitpunkt der Entstehung des Bereicherungsanspruchs am 26. Januar 1994 angenommen. Das steht - worauf der Kläger in seiner Revisionsbegründung zutreffend hingewiesen hat - nicht in Einklang mit der neuesten, dem Berufungsgericht allerdings im Zeitpunkt seiner Entscheidung noch nicht bekannt gewesenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach ist in dem hier vorliegenden Fall, dass die Erfüllung der Verpflichtung zur Herausgabe des Erlangten in Natur zeitlich erst nach der Entstehung des Bereicherungsanspruchs unmöglich geworden ist, für die Bestimmung des Umfangs der dadurch entstandenen Wertersatzpflicht der Zeitpunkt des Eintritts der Unmöglichkeit maßgebend (BGHZ 168, 220, 237). Dies gilt auch, wenn der Bereicherungsgegenstand zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung des Bereicherungsanspruchs und dem Eintritt der Unmöglichkeit der Herausgabe an Wert gewonnen hat und die Wertsteigerung auf der fachlichen Leistungsfähigkeit und dem persönlichen Einsatz des Bereicherungsschuldners beruht und möglicherweise nicht eingetreten wäre, falls der Bereicherungsgegenstand in der Hand des Bereicherungsgläubigers verblieben oder ihm alsbald nach der rechtsgrundlosen Leistung an den Bereicherungsschuldner von diesem herausgegeben worden wäre (BGHZ 168, 220, 238).

3. Demnach bestimmt sich die Höhe des Wertersatzes nach dem objektiven Verkehrswert, den der Miteigentumsanteil am Tag der Bekanntmachung der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans (§ 71 Abs. 1 Satz 1 BauGB) gehabt hat. Denn in diesem Zeitpunkt trat nach § 72 Abs. 1 BauGB die Rechtsänderung gemäß dem Umlegungsplan ein, durch die der Beklagten die Herausgabe des Miteigentumsanteils unmöglich wurde.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Verkehrswert nicht ohne weiteres mit der Höhe des der Beklagten in dem Umlegungsverfahren zugewiesenen Sollzuteilungsanspruchs gleichzusetzen. Denn zum einen sind die Bewertungszeitpunkte unterschiedlich. Der Sollzuteilungsanspruch bemisst sich nach §§ 57 Satz 3, 58 Abs. 3 BauGB nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Umlegungsbeschlusses; hierunter ist der Tag zu verstehen, an dem der Umlegungsbeschluss nach § 50 Abs. 1 BauGB bekannt gemacht wurde (BGH, Urt. v. 21. Februar 1980, III ZR 84/78, NJW 1980, 1634, 1635 zu §§ 50 Abs. 1, 57, 58 BauGB, die, soweit hier einschlägig, mit §§ 50, 57, 58 BauGB übereinstimmen; Löhr aaO, § 57 Rdn. 8). Demgegenüber tritt der für die Bemessung des Wertersatzes (§ 818 Abs. 2 BGB) maßgebliche Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit des Umlegungsplans erst später ein, nämlich mit Ablauf der letzten Frist zur Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen den den Beteiligten zugestellten (§ 70 Abs. 1 BauGB) Plan, gegen einen hiergegen gerichteten Widerspruch oder gegen eine gerichtliche Entscheidung oder im Zeitpunkt der anderweitigen Erledigung eines Rechtsbehelfsverfahrens. Zum anderen gelten für die Ermittlung des Verkehrswerts des Miteigentumsanteils die in § 194 BauGB und in den Vorschriften der Wertermittlungsverordnung enthaltenen Grundsätze, während für die Bemessung des Sollzuteilungsanspruchs die davon abweichenden Bestimmungen in §§ 57, 58 BauGB maßgebend sind. Deshalb muss der Wert einer dem Sollanspruch entsprechenden Zuteilung nicht dem Wert des eingeworfenen Grundstücks (hier: Miteigentumsanteil) entsprechen (BGH, Urt. v. 21. Februar 1980, III ZR 84/78, aaO).

4. Ebenfalls fehlerhaft hat das Berufungsgericht bei der Berechnung des Wertersatzanspruchs im Wege der Saldierung den von der Beklagten für den Miteigentumsanteil gezahlten Kaufpreis in Abzug gebracht, ohne dass die Beklagte die Aufrechnung erklärt hat. Das widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der bei der Rückabwicklung eines gegenseitigen Vertrags die Saldotheorie nicht zum Nachteil der durch ein wucherähnliches und nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidriges Geschäft benachteiligten Partei anzuwenden ist (siehe nur Senat, BGHZ 146, 298, 306 ff. m.w.N.). Die von dem Berufungsgericht angenommene Beschränkung des Ausschlusses der Saldotheorie auf die Fälle, in denen ungleichartige Leistungen zurückzugewähren sind, lässt sich dieser Rechtsprechung nicht entnehmen (siehe z.B. BGH, Urt. v. 2. Mai 1990, VIII ZR 139/89, NJW 1990, 2880, 2881 f.). Auch gibt die von dem Berufungsgericht zitierte Kommentarliteratur (Staudinger/Lorenz [1999], § 818 Rdn. 47) für seine Auffassung nichts her. Eine solche Beschränkung wäre auch nicht gerechtfertigt.

III.

Nach alledem ist die Revision begründet; das Berufungsurteil ist im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als die Berufung des Klägers zurückgewiesen worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). In diesem Umfang ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es den für die Berechnung des Verkehrswerts des von der Beklagten erworbenen Miteigentumsanteils maßgeblichen Zeitpunkt und den Verkehrswert feststellen kann.

Ende der Entscheidung

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