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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 03.05.2002
Aktenzeichen: V ZR 217/01
Rechtsgebiete: EGBGB 1986


Vorschriften:

EGBGB 1986 Art. 233 § 16 Abs. 2

Entscheidung wurde am 28.08.2002 korrigiert: Unter 2. a) wurde der 28. Februar 1998 durch den 26. März 1998 ersetzt
Ein Zahlungsanspruch des Fiskus aus Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB besteht nur, wenn das Grundstück, über das der Verpflichtete vor Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes verfügt hat, bei Ablauf des 15. März 1990 in den Bodenfonds zurückzuführen war (Abweichung vom Senatsbeschl. v. 26. März 1998, V ZR 232/97, VIZ 1998, 387).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 217/01

Verkündet am: 3. Mai 2002

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Mai 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Lemke und Dr. Gaier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 11. Mai 2001 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um eine Zahlungsverpflichtung im Zusammenhang mit dem Verkauf eines Grundstücks aus der Bodenreform.

Bei Ablauf des 15. März 1990 war F. W. als Eigentümer des Grundstücks eingetragen. Das Grundstück war ihm aus dem Bodenfonds zugewiesen worden, der Bodenreformvermerk war eingetragen. F. W. errichtete auf dem Grundstück für sich und seine Familie ein Wohnhaus. Er starb am 22. April 1969 und wurde von seiner Ehefrau H. W. und seinen vier Kindern, den Beklagten, beerbt. H. W. verblieb in dem auf dem Grundstück errichteten Wohnhaus. Sie starb am 8. Dezember 1990. Die Beklagten sind auch ihre Erben.

Durch Notarvertrag vom 30. August 1991 verkauften sie das Grundstück für 13.000 DM und ließen es den Erwerbern auf. Der Antrag auf deren Eintragung ging am 1. Oktober 1991 beim Grundbuchamt ein. Der klagende Freistaat (Kläger) verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Erstattung des für das Grundstück erzielten Erlöses unter Abzug eines für die Errichtung des Hauses von F. W. aufgenommenen Kredits, der im Zeitpunkt des Verkaufs noch 3.268,29 DM betrug. Insoweit beantragt der Kläger, die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen. Hilfsweise verlangt er von den Beklagten Zahlung von je 2.432,93 DM und Feststellung der Erledigung, höchst hilfsweise Zahlung von je 3.250 DM.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt er seine Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Beklagten waren im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revison des Klägers nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sich die Revison auf der Grundlage des von dem Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (Senatsurt. v. 14. Juli 1967, V ZR 112/64, NJW 1967, 2162, BGH, Urt. v. 10. Februar 1993, XII ZR 239/91, NJW 1993, 143).

II.

Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch des Klägers wegen des Verkaufs des Grundstücks durch die Beklagten. Es meint, für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch sei auf die Rechtslage am 15. März 1990 abzustellen. An diesem Tag habe H. W. in dem Haus gewohnt. Damit sei die Rückführung des Grundstücks in den Bodenfonds nicht in Betracht gekommen. Daß H. W. vor Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes verstorben sei, führe nicht zu einem Anspruch des Klägers.

Das hält der Nachprüfung stand.

III.

Ansprüche des Klägers wegen der Veräußerung des Grundstücks durch die Beklagten bestehen nicht. Der Kläger hätte ohne die Veräußerung des Grundstücks durch die Beklagten dessen Übertragung nicht verlangen können. Damit scheidet auch ein Anspruch des Klägers aus Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB aus.

1. Durch Art. 233 § 11 ff EGBGB soll die Rechtslage herbeigeführt werden, die bei Aufhebung der Besitzwechselverordnung durch das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990 (GBl I S. 134) bestanden hätte, sofern die Besitzwechselverordnung und die Rechtsgrundsätze zu ihrer Durchführung von den Behörden der DDR beachtet worden wären. Der zufällig entfaltete oder auch nicht entfaltete Eifer der zuständigen Stellen sollte nicht dazu führen, daß jemandem ein Grundstück verbleibt, dem es nach der Besitzwechselverordnung nicht zufallen konnte, oder daß jemandem ein Grundstück vorenthalten wird, dem es nach der Besitzwechselverordnung zu übertragen war (Senat, BGHZ 132, 71, 76 f; 136, 287, 289; 140, 223, 230 f). War ein Grundstück bei Ablauf des 15. März 1990 in den Bodenfonds zurückzuführen, ist es dem Fiskus des Landes aufzulassen, in dem es belegen ist. In dem Auflassungsanspruch des Fiskus setzt sich die unterlassene Rückführung in den Bodenfonds fort (Senat, BGHZ 132, 71, 78; 136, 283, 289).

Lagen die Voraussetzungen für die Übertragung eines Grundstücks aus der Bodenreform oder seine Rückführung in den Bodenfonds bei Ablauf des 15. März 1990 nicht vor, ist für einen Übertragungsanspruch aus Art. 233 §§ 11, 12 EGBGB kein Raum. So verhält es sich hier. Das Grundstück war F. W. aus dem Bodenfonds zugewiesen worden. Er hatte es bebaut. Nach seinem Tod war H. W. in dem auf dem Grundstück errichteten Wohnhaus verblieben. Nach gebilligter allgemeiner Rechtspraxis zu § 4 Abs. 4 BesWechselVO war es daher nach dem Tod von F. W. nicht in den Bodenfonds zurückzuführen. Hieran hat sich bis zur Aufhebung der Besitzwechselverordnung mit Ablauf des 15. März 1990 nichts geändert.

Seit der Aufhebung der für die Grundstücke aus der Bodenreform geltenden Beschränkungen durch das Gesetz vom 6. März 1990 konnten die Beklagten und H. W. als Miterben nach F. W. über das Grundstück frei verfügen. War H. W. mit Inkrafttreten des Familiengesetzbuchs am 1. April 1966 Miteigentümerin des Grundstücks in ehelicher Vermögensgemeinschaft geworden (vgl. OG NJ 1970, 249, 250), war nur das hälftige Miteigentum an dem Grundstück Bestandteil des Nachlasses von F. W. . Zur anderen Hälfte war H. W. allein berechtigt. Mit ihrem Tod am 8. Dezember 1990 wurden die Beklagten Miterben auch nach H. W. . Das Grundstück war fortan Bestandteil beider Nachlässe. Seine Rückführung in den Bodenfonds kam nunmehr deshalb nicht in Betracht, weil die Besitzwechselverordnung mit Ablauf des 15. März 1990 aufgehoben war.

Die Rückführung des Grundstücks in den Bodenfonds ist mithin nicht rechtswidrig unterlassen worden. Damit aber ist für eine Nachzeichnung der unterlassenen Rückführung des Grundstücks in den Bodenfonds durch einen Auflassungsanspruch des Klägers kein Raum. Der Rechtserwerb der Beklagten und der Fortbestand ihres Eigentums beruhen nicht auf der Nichtbeachtung der Grundsätze der Besitzwechselverordnung. Auch ohne die Veräußerung des Grundstücks durch die Beklagten vor dem Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes am 22. Juli 1992 hätte der Kläger die Auflassung des Grundstücks nicht verlangen können. Das steht auch einem Anspruch des Klägers aus Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB entgegen. Der in Art. 233 § 16 Abs. 2 Satz 2 EGBGB bestimmte Zahlungsanspruch tritt an die Stelle des Auflassungsanspruchs des Besserberechtigten, soweit der Auflassungsanspruch wegen einer Verfügung des Verpflichteten vor dem 22. Juli 1992 nicht mehr erfüllt werden kann (Senatsurt. v. 5. Dezember 1997, V ZR 179/96, VIZ 1998, 150 f; v. 28. Januar 2000, V ZR 78/99, VIZ 2000, 233 u. v. 26. Mai 2000, V ZR 60/99, VIZ 2000, 613).

2. a) Der Beschluß des Senats vom 26. März 1998, V ZR 232/97, WM 1998, 1365 f, der zu einem anderen Ergebnis kommt, beruht auf der Vorstellung des Gesetzgebers, die Grundstücke aus der Bodenreform seien nicht vererblich gewesen; die Erben hätten das Eigentum erst mit Inkrafttreten des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes erworben. Da diese Annahme sich als unzutreffend herausgestellt hat, ist an dem Beschluß vom 26. Februar 1998 nicht festzuhalten.

b) Der Entscheidung des Senats vom 17. Dezember 1998 (BGHZ 140, 224 ff) ist entgegen der Meinung des Klägers nichts anderes zu entnehmen. Die Erblasserin, die das auf dem betroffenen Grundstück errichtete Haus zusammen mit ihrer Schwägerin bewohnt hatte, war 1987 verstorben. Daß ihre Schwägerin über den Tod der Erblasserin hinaus in dem Haus verblieben war, ist für den in jenem Rechtsstreit geltend gemachten Anspruch aus Art. 233 § 11 Abs. 3, § 12 Abs. 2 Nr. 2 c EGBGB, §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB a.F. ohne Bedeutung. Daß die Erblasserin auch von ihrer Schwägerin beerbt worden sei, war nicht behauptet. Die Möglichkeit der Übertragung eines Hauses auf einem Bodenreformgrundstück auf jemanden, der mit dem Erblasser nicht verwandt, sondern verschwägert war, zeichnet Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB nicht nach.

Ende der Entscheidung

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