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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 20.09.2002
Aktenzeichen: V ZR 270/01
Rechtsgebiete: SachenRBerG


Vorschriften:

SachenRBerG § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
SachenRBerG § 31 Abs. 1
Auch die Vermietung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ist eine Nutzung, die der Einrede aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG entgegensteht.

Die Einrede geringer Restnutzungsdauer (§ 31 Abs. 1 SachenRBerG) braucht nicht ausdrücklich erhoben zu werden. Es reicht vielmehr aus, daß der Wille des Grundstückseigentümers zum Ausdruck kommt, den Abschluß des verlangten Erbbaurechts- bzw. Kaufvertrages wegen der geringen Restnutzungsdauer des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu verweigern.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 270/01

Verkündet am: 20. September 2002

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 1. Juni 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist Gesamtvollstreckungsverwalter über das Vermögen der Konsumgenossenschaft F. /O. . Mit der Schuldnerin war die Konsumgenossenschaft Fü. verschmolzen worden. Im Eigentum der beklagten Gemeinde steht ein in Sch. gelegenes Grundstück, auf dem die Konsumgenossenschaft Fü. - jeweils mit Billigung staatlicher Stellen - 1970/72 eine Kaufhalle errichtete und 1990/91 um einen Anbau erweiterte. Finanziert wurde die Bebauung aus Eigenmitteln der Konsumgenossenschaft. Ein Nutzungsrecht wurde nicht bestellt, selbständiges Gebäudeeigentum nicht begründet.

Nach Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens vermietete der Kläger die Kaufhalle mit Vertrag vom 21. Dezember 1992 an die E. B. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH. Obwohl der Mietvertrag für zehn Jahre abgeschlossen war, kündigte die Mieterin zum 31. Dezember 1997. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und nimmt die Mieterin in einem noch anhängigen Rechtsstreit auf Zahlung von Mietzins in Anspruch. Während der Anbau noch immer anderweitig vermietet ist und derzeit als Getränkemarkt genutzt wird, steht das Hauptgebäude seit der Räumung durch die Mieterin leer.

Der Kläger betreibt den Ankauf des Grundstücks. Nach Aussetzung des notariellen Vermittlungsverfahrens gemäß § 94 Abs. 2 Nr. 2 SachenRBerG hat er in erster Instanz die Feststellung beantragt, daß ihm gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Ankauf des Grundstücks zum halben Bodenwert zustehe. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat der Kläger die Klage um den Hilfsantrag erweitert, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei, die auf dem Grundstück befindlichen Gebäude für 200.000 DM zu erwerben, und weiter hilfsweise die Feststellung beantragt, daß die Beklagte das Grundstück zum Verkauf bereitstellen müsse und ihm, dem Kläger, insoweit ein Ankaufsrecht zum ungeteilten Bodenwert zustehe. Das Oberlandesgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht bejaht ein Ankaufsrecht des Klägers. Ein gegenläufiges Ankaufsrecht der Beklagten hinsichtlich des Gebäudes nach § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG stehe dem nicht entgegen; denn die Beklagte könne einen Verkauf des Grundstücks nicht gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG verweigern. Die Kaufhalle sei gegenwärtig noch nutzbar. Es handele sich um ein stabiles, in der Substanz intaktes Gebäude. Vorhandene Mängel, wie der Schimmelpilzbefall im Gebäudeinneren und die zerstörten oder verschmierten Glasscheiben, seien einfach zu beseitigen. Außerdem sei eine Rekonstruktion des Gebäudes durch den Kläger zu erwarten. Auch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG stehe einem Ankaufsrecht nicht entgegen. Für die Nutzung des Gebäudes reiche nämlich dessen Vermietung selbst dann aus, wenn der Mieter - wie hier - das Objekt tatsächlich nicht gebrauche. Nichts anderes gelte, wenn von einer Beendigung des Mietverhältnisses auf Grund der Kündigung durch die Mieterin ausgegangen werde. Für diesen Fall fehle es an der weiteren Voraussetzung, daß mit einem Gebrauch durch den Kläger nicht mehr zu rechnen sei. Schließlich scheide ein Ankaufsrecht der Beklagten nach § 81 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG aus. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, daß nur das umstrittene Grundstück als Standort für ihr neues Rathaus in Frage komme.

Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Das Berufungsgericht bejaht allerdings zutreffend die Tatbestandsvoraussetzungen eines Ankaufsrechts nach § 1 Abs. 1 lit. c, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 4, § 15 SachenRBerG (vgl. Senat, Urt. v. 21. Januar 2000, V ZR 327/98, WM 2000, 1069, 1070). Die Gesamtvollstreckungsschuldnerin, deren Rechte und Ansprüche der Kläger wahrnimmt (vgl. Senat, Urt. v. 21. Januar 2000, aaO, 1071), ist als Rechtsnachfolgerin der Genossenschaft, die das Gebäude errichtet hat, auch Nutzerin im Sinne des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SachenRBerG).

Soweit die Revision mit dem Hinweis auf die Nutzung nahezu der Hälfte der Grundstücksfläche für öffentliche Parkplätze einen Ausschluß des Rechtsverhältnisses von der Sachenrechtsbereinigung nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 SachenRBerG erreichen will, werden in der Revisionsinstanz neue Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung von materiell-rechtlicher Bedeutung sind. Die Revision verweist nicht auf entsprechendes Vorbringen in den Tatsacheninstanzen. Hierfür genügen insbesondere nicht die nur beiläufigen Hinweise in dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten. Obwohl grundsätzlich auch ein im Rechtsstreit vorgelegtes Privatgutachten zu dem Parteivorbringen zählt, waren die Tatsachengerichte hier wegen der fehlenden Aufarbeitung durch einen Rechtsanwalt nicht gehalten, die umfangreichen Ausführungen des Sachverständigen auf entscheidungserhebliches Vorbringen zu untersuchen (vgl. BGH, Beschl. v. 27. April 1989, III ZR 175/88, BGHR ZPO § 130 Nr. 6 Parteischriftsatz 1). Die mithin vorgetragenen neuen Tatsachen könnten im Revisionsverfahren allenfalls dann beachtet werden, wenn sie nach Schluß der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entstanden und unstreitig oder ohnehin von Amts wegen zu beachten wären (BGHZ 53, 128, 130 f; 83, 102; 85, 288, 290; 139, 214, 221; Senat, Urt. v. 3. April 1998, V ZR 143/97, NJW-RR 1998, 1284). An diesen Voraussetzungen fehlt es jedoch.

2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Verneinung der Ausschlußtatbestände des § 29 Abs. 1 SachenRBerG durch das Berufungsgericht.

a) Daß das Berufungsgericht die Einrede fehlender Nutzbarkeit nicht durchgreifen läßt, ist nicht zu beanstanden. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG kann der Eigentümer die Durchführung der Sachenrechtsbereinigung verweigern, wenn das Gebäude oder die bauliche Anlage nicht mehr nutzbar ist und deshalb kein Anlaß besteht, dem Nutzer einen Ausgleich für seine Aufwendungen in Bauwerke zu gewähren (Senat, Urt. v. 31. Juli 1997, V ZR 23/96, WM 1997, 2040, 2042). Die Eigenschaft der Nutzbarkeit ist Tatfrage (vgl. Eickmann/Rothe, Sachenrechtsbereinigung, § 29 SachenRBerG Rdn. 9). Im vorliegenden Fall sind dem Berufungsgericht bei deren Prüfung keine Rechtsfehler unterlaufen.

aa) Die Regelung zielt auf "Ruinengrundstücke" (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/5992, S. 128), bei denen die weitere Nutzung der baulichen Investition objektiv ausgeschlossen ist (vgl. Erman/Ebbing, BGB, 10. Aufl., § 29 SachenRBerG Rdn. 3; Knauber, RVI, § 29 SachenRBerG Rdn. 10). Das setzt voraus, daß das Gebäude nach den objektiven Gegebenheiten im Rahmen seines Nutzungszwecks keiner wirtschaftlich sinnvollen Verwendung mehr zugeführt werden kann (MünchKomm-BGB/Smid, 3. Aufl., § 29 SachenRBerG Rdn. 5), es sich also um wertlose Bausubstanz handelt (vgl. Fellhauer, in Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 29 SachenRBerG Rdn. 2). An einem solchen Bauzustand fehlt es jedoch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, wonach es sich um ein zwar mittlerweile verwahrlostes, gleichwohl aber "stabiles, in der Substanz intaktes Gebäude" handelt.

bb) Diese Feststellungen hat das Berufungsgericht frei von Rechtsfehlern getroffen und sich dabei auch - wie erforderlich (vgl. BGH, Urt. v. 13. Februar 2001, VI ZR 272/99, NJW 2001, 2796, 2797 m.w.N.) - mit dem von der Beklagten vorgelegten Privatgutachten des Sachverständigen S. auseinandergesetzt. Hierbei war das Berufungsgericht an den getroffenen Feststellungen nicht gehindert; denn diese stehen nicht im Widerspruch zu dem Inhalt des Privatgutachtens. Die Revision stellt selbst nicht in Abrede, daß der Gutachter dem Gebäude einen insgesamt "ausreichenden Bau- und Unterhaltungszustand" attestiert. Soweit die Revision meint, schon die von dem Sachverständigen ermittelte Restnutzungsdauer bis 2002 setze erhebliche Investitionen voraus, trifft das nach dem Inhalt des Gutachtens nicht zu; der Sachverständige spricht insoweit nur von "geringfügigen Reparaturarbeiten". Die von der Revision überdies angeführten Hinweise des Privatgutachtens zur wirtschaftlichen Überalterung und Rentabilität einer Umnutzung oder eines Umbaus betreffen nicht die unveränderte Nutzbarkeit des vorhandenen Gebäudes, sondern könnten allenfalls für die Prognose hinsichtlich einer Rekonstruktion durch den Nutzer erheblich werden. Diese zweite, von dem Berufungsgericht hilfsweise geprüfte und verneinte Voraussetzung des Ausschlußtatbestandes nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG ist jedoch ohne Bedeutung, nachdem schon das erste Tatbestandsmerkmal fehlender Nutzbarkeit nicht vorliegt.

cc) Das von der Revision als übergangen gerügte Vorbringen zur Erforderlichkeit von Aufwendungen betrifft keine für die Entscheidung erheblichen Umstände. Daß das Gebäude für eine Nutzung hergerichtet werden muß, ist zwischen den Parteien außer Streit. Dies ändert jedoch nichts an der bestehenden Nutzbarkeit des keineswegs verfallenen Gebäudes, die es rechtfertigt, dem Nutzer weiterhin einen Ausgleich für seine Investitionen zu geben. Ferner beanstandet die Revision zu Unrecht, daß es das Berufungsgericht versäumt habe, seine eigene Sachkunde darzulegen. Dessen hätte es bedurft, wenn das Gericht von der Einholung eines erforderlichen Sachverständigengutachtens abgesehen hätte oder von einem eingeholten Gutachten abgewichen wäre (vgl. Senat, Urt. v. 5. Juni 1981, V ZR 11/80, NJW 1981, 2578; Urt. v. 29. Januar 1993, V ZR 227/91, NJW 1993, 1643, 1644). Beides hat das Berufungsgericht nicht getan, sondern ist im Gegenteil von dem Vortrag ausgegangen, den die Beklagte selbst mit dem von ihr vorgelegten Privatgutachten gehalten hat. Schließlich konnte das Berufungsgericht seine Entscheidung ohne Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit treffen. Die Beklagte hat nämlich keine für die rechtliche Beurteilung maßgebenden Merkmale behauptet, die auf den von ihr vorgelegten Fotografien nicht erkennbar sind oder von diesen abweichen (vgl. BGH, Urt. v. 23. Juni 1987, VI ZR 296/86, NJW-RR 1987, 1237, 1238).

b) Die Voraussetzungen der Einrede nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG verneint das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht. Trotz der Räumung der Kaufhalle durch die Mieterin wird das Bauwerk noch immer von der Gesamtvollstreckungsschuldnerin genutzt. Es bedarf deshalb keiner Entscheidung darüber, ob die Vermietung des Anbaus an einen Getränkemarkt für eine Nutzung genügen kann oder wegen der im Vergleich zu dem Hauptgebäude nur untergeordneten Bedeutung unberücksichtigt bleiben muß (vgl. Eickmann/Rothe, aaO, § 29 Rdn. 10; MünchKomm-BGB/Smid, aaO, § 29 SachenRBerG Rdn. 9).

aa) Entgegen der Ansicht der Revision stellt bereits die Vermietung als solche eine Nutzung des Gebäudes im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG dar (vgl. Eickmann/Rothe, § 29 SachenRBerG Rdn. 10; MünchKomm-BGB/Smid, aaO, § 29 SachenRBerG Rdn. 9). Da mangels abweichender Regelung § 100 BGB heranzuziehen ist, umfaßt die Nutzung auch eine Ziehung von Sachfrüchten durch Vermietung. Dies hat der Senat im übrigen für das Sachenrechtsmoratorium in gleicher Weise entschieden (vgl. Senat, Urt. v. 2. Juni 1995, V ZR 304/93, WM 1995, 1589, 1590 f; Urt. v. 7. Juli 1995, V ZR 46/94, WM 1995, 1848, 1854; Urt. v. 13. Oktober 1995, V ZR 254/94, WM 1996, 91). In Anbetracht des (nunmehrigen) Zwecks des Moratoriums, das Besitzrecht des Nutzers, dem ein Anspruch auf Bereinigung durch Erwerb oder Belastung des Grundstücks zusteht, bis zu dessen Erfüllung zu sichern (Senat, BGHZ 136, 212, 215), gibt es für einen engeren, die Vermietung ausschließenden Nutzungsbegriff im Rahmen der Sachenrechtsbereinigung keine Grundlage. Nachdem bereits mit der Vermietung die erforderliche Nutzung vorliegt, kommt es nicht darauf an, ob die Mieterin das Gebäude auch tatsächlich gebraucht. Für die Sachenrechtsbereinigung maßgeblicher Nutzer ist hier nicht die Mieterin, sondern die Gesamtvollstreckungsschuldnerin.

bb) An einer Nutzung der Kaufhalle durch Vermietung fehlte es jedoch, wenn das Mietverhältnis mit der E. B. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH beendet sein sollte, sich die Mieterin also auf einen wichtigen Grund für die vorzeitige Beendigung des bis Ende 2002 befristeten Mietverhältnisses berufen könnte. Einen solchen Grund hat die Mieterin offenbar mit ihrer Kündigung zum 31. Dezember 1997 geltend machen wollen; ob er tatsächlich vorliegt, läßt sich jedoch dem Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht entnehmen. Das geht zu Lasten der Beklagten. Sie trifft die Darlegungslast für eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses, weil es sich um eine Voraussetzung für die Einrede nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG handelt (vgl. Fellhauer, in Rädler/Raupach/Bezzenberger, aaO, § 29 SachenRBerG Rdn. 7; Vossius, SachenRBerG, 2. Aufl., § 29 Rdn. 22).

3. Dagegen beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die Einrede geringer Restnutzungsdauer (§ 31 SachenRBerG) nicht berücksichtigt hat.

a) Trotz der Beschränkung des Tatsachenstoffs durch den hier - weiterhin anwendbaren (§ 26 Nr. 7 EGZPO) - § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. (= § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F.) hat der Senat das Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten zu beachten, auch wenn die Erhebung der Einrede aus § 31 SachenRBerG unmittelbar weder im Tatbestand des Berufungsurteils noch in einem Sitzungsprotokoll Erwähnung findet. Hierbei bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob bei der gegebenen Unvollständigkeit des Tatbestands über eine entsprechende Verfahrensrüge (Nichtberücksichtigungsrüge) der Beklagten der übergangene Vortrag nach § 561 Abs. 1 Satz 2, § 554 Abs. 3 Nr. 3 lit. b ZPO a.F. (= § 559 Abs. 1 Satz 1, § 551 Abs. 3 Nr. 2 lit. b ZPO n.F.) zur Grundlage der Überprüfung durch das Revisionsgericht gemacht werden kann (vgl. hierzu MünchKomm-ZPO/Wenzel, 2. Aufl., § 561 Rdn. 7; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 559 Rdn. 17; Ball, Festschrift für Geiß, 2000, S. 3, 18 ff). Der Tatbestand des Berufungsurteils reicht nämlich aus, um aus den Umständen die Erhebung der Einrede aus § 31 SachenRBerG entnehmen zu können.

b) Für Fälle geringer Restnutzungsdauer ist durch § 31 SachenRBerG zugunsten des Grundstückseigentümers eine echte Einrede eröffnet (vgl. Vossius, aaO, § 31 Rdn. 1; auch Senat, Urt. v. 29. September 2000, V ZR 421/99, WM 2000, 2513, 2514). Das bloße Bestehen dieses Leistungsverweigerungsrechts reicht daher für dessen Wirksamkeit nicht aus, vielmehr muß der Grundstückseigentümer das Recht auch ausüben (vgl. BGH, Urt. v. 7. Oktober 1998, VIII ZR 100/97, NJW 1999, 53, für § 320 Abs. 1 BGB).

Die mithin erforderliche Erhebung der Einrede braucht nicht ausdrücklich zu geschehen. Es reicht aus, daß der Wille des Grundstückseigentümers zum Ausdruck kommt, den Abschluß des verlangten Kaufvertrages wegen der geringen Restnutzungsdauer des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu verweigern (vgl. BGH, Urt. v. 7. Oktober 1998, aaO, 54 für § 320 Abs. 1 BGB; RG WarnR 1934 Nr. 34, für die Verjährungseinrede). Das ist vorliegend der Fall. Nach dem Tatbestand des Berufungsurteils stützt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung auch auf eine angeblich völlig marode Bausubstanz, weshalb sie für den Fall, daß überhaupt noch eine Nutzbarkeit gegeben sein und damit die vorrangig verfolgte Einrede aus § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SachenRBerG scheitern sollte, erkennbar auf die - ohnehin subsidiäre (vgl. Wilhelms, in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 31 Rdn. 3; Eickmann/Rothe, aaO, § 31 Rdn. 5) - Einrede aus § 31 SachenRBerG zurückgreifen will.

c) Die Einrede aus § 31 SachenRBerG ist auf der Grundlage des Vorbringens der Beklagten, von dessen Richtigkeit für das Revisionsverfahren auszugehen ist, auch begründet. Das Berufungsgericht nimmt selbst an, daß die Beklagte entsprechend dem von ihr eingeholten Privatgutachten des Sachverständigen S. eine - insoweit zutreffend nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben (vgl. Wilhelms, in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, aaO, § 31 Rdn. 8; Knauber, RVI, § 31 SachenRBerG Rdn. 8; Eickmann/Rothe, aaO, § 31 Rdn. 10; Senat, Urt. v. 29. September 2000, aaO, 2515) ermittelte - verbleibende Nutzungsdauer bis 2002 vorgetragen hat. Hieraus folgt eine Restnutzungsdauer des Gebäudes von weniger als 25 Jahren, obwohl zu dem nach § 31 Abs. 1 SachenRBerG maßgeblichen Zeitpunkt der Geltendmachung des Ankaufsrechts (vgl. Senat, Urt. v. 29. September 2000, aaO, 2514) am 28. Mai 1995 das Gebäude noch von der Mieterin genutzt und daher in einem besseren Unterhaltungszustand gewesen sein dürfte. Wesentlich für die Einschätzung des Sachverständigen ist nämlich die durch die unmoderne Bauart bedingte Gesamtnutzungsdauer der 1972 errichteten Kaufhalle von lediglich 30 Jahren, nicht dagegen die durch den Leerstand eingetretene Verwahrlosung des Gebäudes.

4. Ob der Beklagten - wegen ihrer Pläne für den Rathausneubau - ein Ablösungsrecht hinsichtlich der baulichen Investitionen nach § 81 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG zusteht, womit nach § 15 Abs. 4 Satz 2 SachenRBerG auch ein Ankaufsrecht hinsichtlich des Grundstücks ausgeschlossen wäre, bedarf keiner Entscheidung. Ein solches Recht der Beklagten setzt nämlich eine erfolgreiche Einrede nach § 31 SachenRBerG voraus und hat weitergehend lediglich die Bedeutung, daß das Gegenrecht des Nutzers auf Abschluß eines Mietvertrages nach § 31 Abs. 2 SachenRBerG verdrängt wird (vgl. Eickmann/Rothe, aaO, § 81 SachenRBerG Rdn. 5). Ein Ablösungsrecht der Beklagten hinsichtlich der baulichen Investitionen nach § 81 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG scheitert hingegen bereits am Fehlen der Einredevoraussetzungen nach § 29 SachenRBerG (vgl. Tropf, in Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, aaO, § 81 Rdn. 10).

5. Nach alledem hat das Berufungsurteil keinen Bestand. Es ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.) und die Sache wegen fehlender Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Die Feststellungen des Berufungsgerichts beschränken sich darauf, daß das Gebäude "gegenwärtig nutzbar" ist, zu der für § 31 SachenRBerG maßgeblichen Frage der Restnutzungsdauer sind dagegen Feststellungen nicht getroffen. Das Berufungsgericht wird, sollte es ein Ankaufsrecht hinsichtlich des Grundstücks verneinen, sich auch mit den Hilfsanträgen des Klägers zu befassen und hierbei insbesondere zu prüfen haben, ob diese nicht von einem Scheitern der Klage nur auf Grund einer erfolgreichen Einrede nach § 29 SachenRBerG abhängig sein sollen.

Ende der Entscheidung

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