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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.05.1999
Aktenzeichen: V ZR 319/98
Rechtsgebiete: EGBGB 1986
Vorschriften:
EGBGB 1986 Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c |
Der Erbe des Verstorbenen hat dessen Haus im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB bei Ablauf des 15. März 1990 auch dann bewohnt, wenn er in das Haus zwar noch nicht umgezogen war, es jedoch in Besitz genommen und mit seiner Renovierung begonnen hatte, um nach deren Abschluß in das Haus umzuziehen.
BGH, Urt. v. 21. Mai 1999 - V ZR 319/98 - OLG Brandenburg LG Potsdam
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 21. Mai 1999
Torka, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Schneider, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 2. Juli 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Das klagende Land (Kläger) nimmt den Beklagten wegen eines Hofgrundstückes aus der Bodenreform in Anspruch.
Bei Ablauf des 15. März 1990 war H. E. im Grundbuch als Eigentümerin des mit einem Bodenreformvermerk gekennzeichneten Grundstücks eingetragen. Sie hatte in dem auf dem Grundstück errichteten Wohngebäude bis zu ihrem Tod am 3. November 1988 gewohnt.
Der Beklagte ist der Enkel der Verstorbenen. Er hat in früherer Zeit bei ihr gelebt und ist ihr alleiniger Erbe. Er ist nicht zuteilungsfähig. Ohne einen Antrag auf Begründung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück zu stellen, begann er nach dem Tode der Erblasserin, das Gebäude grundlegend zu renovieren, um es nach Abschluß seiner Arbeiten zu beziehen. Die Aus- und Umbauarbeiten wurden am 29. März 1990 vom Rat der Gemeinde genehmigt. Am 22. Oktober 1990 wurde der Beklagte unter Löschung des Bodenreformvermerks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Nach Beendigung seiner Arbeiten an dem Gebäude zog er um. Seit dem 22. Januar 1993 ist er dort polizeilich gemeldet.
Der Kläger verlangt vom Beklagten die Auflassung des Grundstücks. Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Auflassungsanspruch des Klägers stehe die bessere Berechtigung des Beklagten entgegen. Der Beklagte habe zwar das auf dem Grundstück errichtete Gebäude am 15. März 1990 nicht bewohnt. Einem Bewohnen im Sinne von Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB sei es jedoch gleichzustellen, daß er vor diesem Tage das Haus in Besitz genommen und mit seiner Renovierung begonnen habe, um es nach deren Abschluß zu beziehen.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.
II.
Der Anspruch des Klägers auf Auflassung des Grundstücks aus Art. 233 § 11 Abs. 3 Satz 1, § 12 Abs. 2 Nr. 2 Buchst c EGBGB ist durch die bessere Berechtigung des Beklagten nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst c EGBGB ausgeschlossen.
Der Beklagte wurde mit dem Tod seiner Großmutter Eigentümer des dieser aus dem Bodenfonds zugewiesenen Grundstücks (Senatsurt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 200/97, WM 1999, 448, 449f, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Sein Eigentum war jedoch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform am 16. März 1990 (GBl. I S. 134) öffentlich-rechtlich dahingehend gebunden, daß es ihm nicht verbleiben durfte, sondern gemäß § 4 Abs. 5 BesitzwechselVO in den Bodenfonds zurückzuführen war, weil der Beklagte nicht in der Land- oder Forstwirtschaft tätig war. Gemäß § 4 Abs. 4 BesitzwechselVO konnte ihm lediglich ein Nutzungsrecht an dem Grundstück bestellt werden, wenn er dieses zusammen mit dem Verstorbenen bewohnt hatte. Hierdurch sollten der Verfestigung seiner Beziehungen zu dem Wohnhaus Rechnung getragen und Härten vermieden werden (vgl. Rohde, Bodenrecht, 1989, S. 109 f). Hatte der Erbe das von dem Verstorbenen bewohnte Haus bei dessen Tod nicht bewohnt, konnte ihm trotzdem an dem Grundstück, auf dem es errichtet ist, ein Nutzungsrecht bestellt werden, sofern ihm das Haus nach den Vorschriften der Wohnraumlenkungsverordnung als Wohnung zugewiesen werden konnte (§ 4 Abs. 4 2. Alt. BesitzwechselVO). Die bloße Möglichkeit der Zuweisung bedeutet jedoch keine Rechtsstellung, die hinreichen könnte, die Grundlage einer Berechtigung im Sinne von Art. 233 12 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB zu bilden. Solange die Zuweisung nicht erfolgt war, war die tatsächliche Beziehung des Erben zu dem Haus des Verstorbenen in keiner Weise verfestigt.
Die von der Besitzwechselverordnung vorgeschriebene Rückführung der Grundstücke in den Bodenfonds ist in weiten Bereichen der DDR indessen nicht durchgeführt worden (BT-Drucks. 12/2480, S. 88). Ob die in § 4 Abs. 4 BesitzwechselVO vorgesehene Bestellung von Nutzungsrechten überhaupt vorgenommen worden ist, muß bezweifelt werden (vgl. Heuer, Grundzüge des Bodenrechts der DDR 1949-1990, Rdn. 20). Insbesondere soweit ein Erbe beim Tode des Verstorbenen das diesem aus dem Bodenfonds zugewiesene Hofgrundstück bewohnt hatte, wurde das Wohnhaus dem Erben häufig ohne jede behördliche Maßnahmen belassen. Dem trägt Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB dadurch Rechnung, daß es zur Nachzeichnung beider Alternativen von § 4 Abs. 4 BesitzwechselVO genügt, daß der Erbe bei Ablauf des 15. März 1990 das Haus des Verstorbenen bewohnte.
Hierzu genügt, daß er das Haus in Besitz genommen hat, um es seinen Wohnbedürfnissen anzupassen. Ob der Erbe bei Ablauf des 15. März 1990 schon in das Haus eingezogen war, oder ob er noch Arbeiten zur Sanierung oder Renovierung des Hauses vorgenommen hat, ist ohne Bedeutung. Ziel der Vorschriften über die Abwicklung der Bodenreform im Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz ist es, die sachwidrigen und zufälligen Ergebnisse zu vermeiden, die daraus resultieren, daß der Gesetzgeber der DDR es unterlassen hat, gleichzeitig mit der Aufhebung der Besitzwechselverordnung Übergangsbestimmungen für die nicht abgewickelten Übertragungen und unterlassenen Rückführungen zu schaffen (Senatsurt. v. 17. Dezember 1998, V ZR 200/97, aaO, 452). Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, die Berechtigung des Erben nach Art. 233 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c EGBGB davon abhängig sein zu lassen, ob ihm die notwendigen Baumaterialien, personellen und finanziellen Mittel vor dem 16. März 1990 zur Verfügung standen, von denen die Beendigung der Renovierung des Hauses des Verstorbenen und der Umzug des Erben in dieses abhingen.
Daß der Beklagte den Besitz an dem Haus bei Ablauf des 15. März angetreten und die von ihm beabsichtigten Arbeiten zur Renovierung des Hauses aufgenommen hatte, hat das Berufungsgericht festgestellt. Hiergegen erhebt die Revision keine Rügen.
Ende der Entscheidung
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