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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.11.1998
Aktenzeichen: V ZR 344/97
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 675
BGB § 459 Abs. 2
BGB § 278
BGB § 164
BGB § 167
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 344/97

Verkündet am: 27. November 1998

Torka Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

BGB §§ 675, 459 Abs. 2, 278, 164, 167

a) Bei einem auf Steuerersparnis angelegten Immobilienverkauf kann die Erstellung eines "persönlichen Berechnungsbeispiels" über die beim Käufer auftretenden steuerlichen Auswirkungen Gegenstand eines besonderen Beratungsvertrags sein.

b) Die Verletzung einer vertraglich übernommenen Beratungspflicht löst auch dann einen Schadensersatzanspruch aus, wenn sie die objektbezogene Voraussetzung eines Steuervorteils (BGHZ 114, 263) zum Gegenstand hat und nur auf Fahrlässigkeit beruht.

BGH, Urt. v. 27. November 1998 - V ZR 344/97 - OLG Celle LG Hannover


Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 1998 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Hagen und die Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 23. September 1997 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin kaufte von der Beklagten mit notariellem Vertrag vom 31. Januar/4. März 1991 eine Eigentumswohnung. Der "Gesamtaufwand für den Erwerb" setzte sich aus einem "reinen Wohnungskaufpreis" von 74.412 DM und Renovierungskosten in Höhe von 19.188 DM zusammen. Die Renovierungskosten hatte der Urkundsnotar aus dem bei ihm hinterlegten Gesamtaufwand an den Verwalter des Wohnungseigentums abzuführen.

Der Kaufvertrag kam durch Vermittlung der Firma Z. Vermittlungsgesellschaft für Kapitalanlagen mbH zustande, deren Mitarbeiterin der Klägerin ein "persönliches Berechnungsbeispiel" über die Steuerersparnis in der Erwerbsphase erstellte. Dieses ging davon aus, daß die Renovierungskosten die Steuerschuld der Klägerin im Anschaffungsjahr als sofort abzugsfähige Werbungskosten verminderten. Das Finanzamt behandelte die Renovierungskosten dagegen als Anschaffungsaufwand, der lediglich mit der Abnutzung des Gebäudes abschreibungsfähig sei. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Die Klägerin hat den Kaufvertrag aus einer Reihe von Gründen angefochten und die Beklagte aus verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten auf Zahlung, zuletzt in Höhe von 128.982,40 DM (Gesamtaufwand, Finanzierungsdisagio, Verluste aus Vermietung, Steuerberatungskosten) Zug um Zug gegen Rückübertragung des Eigentums sowie auf die Feststellung in Anspruch genommen, daß sie zum Ersatz weiterer, durch den Kauf verursachter Schäden verpflichtet sei.

Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht verneint eine wirksame Anfechtung des Kaufvertrags sowie unter Einbeziehung zusätzlicher Geschäftsbesorgungsverträge, darunter eines mit der T. A. V. GmbH St. (im folgenden: T. abgeschlossenen Steuerberatungsvertrags, Sittenwidrigkeit und Wucher. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß scheitere daran, daß die für die Firma Z. aufgetretene Mitarbeiterin kein Verschulden an der objektiv unrichtigen Auskunft über die steuerlichen Auswirkungen des Renovierungsaufwands treffe. Die Beklagte habe unbestritten unter Vorlage zweier Schreiben der T. dargelegt, daß sich die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu der steuerlichen Absetzbarkeit dieser Kosten erst nach der Erstellung des "persönlichen Berechnungsbeispiels" geändert habe. Die Mitarbeiterin habe somit nicht fahrlässig gehandelt, die künftige Entwicklung der Rechtsprechung sei für sie nicht vorhersehbar gewesen.

Dies hält der Revision nicht stand.

II.

Sie beanstandet zu Recht, daß sich das Berufungsgericht mit der Darstellung der steuerlichen Rechtslage in den Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft begnügt hat. Unbestritten konnte nur der Inhalt der beiden Schreiben sein, über die Richtigkeit der dort vertretenen Rechtsmeinung, mithin den Inhalt des deutschen Steuerrechtes, mußte sich das Berufungsgericht selbst ein Urteil bilden. Hierbei wäre es ihm nicht verwehrt gewesen, sich der Hilfe eines Steuerfachmannes zu bedienen (BGH, Urt. v. 11. November 1987, IVa ZR 143/86, BGHR ZPO § 293, Steuerrecht 1). Dessen Meinung hätte es allerdings in vollem Umfang überprüfen müssen, das Ergebnis dieser Überprüfung wiederum wäre, da es revisibles Recht, nämlich das Einkommensteuergesetz, zum Gegenstand hatte, uneingeschränkt der revisionsrechtlichen Kontrolle unterlegen.

Der Senat hat die vom Berufungsgericht unterlassene Prüfung der Rechtsfrage nachgeholt. Danach wurde zwar erst durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30. Juli 1991 (BFHE 165, 245; seither st. Rspr., vgl. BFHE 167, 102; BFH/NV 1994, 852), mithin nach der Erstellung des "persönlichen Berechnungsbeispiels", endgültig geklärt, daß Reparaturaufwendungen beim sog. Erhaltungsmodell zu den Anschaffungskosten zählen und nicht, auch nicht in begrenztem Umfang (vgl. Abschn. 157 Abs. 5 EStR; BFHE 166, 203), als Erhaltungsaufwand sofort abzugsfähig sind. Anders als es das Berufungsgericht dem Schreiben der Steuerberatungsgesellschaft entnimmt, stellt die Entscheidung vom 30. Juli 1991 aber keine Änderung der Rechtsprechung dar. Der Bundesfinanzhof nimmt vielmehr auf seine frühere, zum gleichen Ergebnis gelangende Rechtsprechung zum sog. Bauherrenmodell (Urt. v. 14. November 1989, BFHE 158, 546) Bezug und führt aus, die dortigen Überlegungen kämen "erst recht" beim Erhaltungsmodell zum Tragen. Im gleichen Sinne hatten zuvor das Finanzgericht Hamburg (EFG 1988, 625) und das Finanzgericht Berlin (EFG 1983, 349) entschieden. In der Literatur war zwar im Anschluß an das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. November 1989 der Versuch unternommen worden, das Erhaltungsmodell vom Bauherrenmodell abzugrenzen und seine steuerlichen Vorteile, wenigstens unter bestimmten qualifizierten Voraussetzungen, zu retten. Dies verdeutlichte aber nur, auf welch schwankendem Boden sich die steuerliche Rechnung der Vermittlerin befand. Deren Mitarbeiterin hätte, wenn sie sich des "persönlichen Berechnungsbeispiels" bediente, auf die Unsicherheit der steuerlichen Rechtslage aufmerksam machen müssen. Da sie dies unterlassen hat, hat sie gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt verstoßen (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB).

III.

Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar.

1. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluß scheitert allerdings an der im Revisionsverfahren nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts, daß der Mitarbeiterin der Vermittlerin eine vorsätzliche Pflichtverletzung nicht zur Last fällt. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, daß die sofortige Absetzbarkeit des Renovierungsaufwands von den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§§ 21, 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG) Gegenstand einer Eigenschaftszusicherung im Sinne des § 459 Abs. 2 BGB sein kann. Nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 114, 263, 266 f; vgl. auch bereits BGHZ 79, 183) kommt als zusicherungsfähige Eigenschaft der Kaufsache bei Steuervorteilen (dort nach § 7 b EStG 1981 bzw. § 15 BerlinFG) zwar nicht die aus dem Gesetz folgende Ermäßigung der Steuerschuld selbst in Frage; wohl aber kann der Verkäufer den steuerlichen Vorteil in seinen objektgebundenen Voraussetzungen zusichern. Darum geht es hier, denn der Renovierungsaufwand, der nach dem "persönlichen Berechnungsbeispiel" den steuerlichen Vorteil nach sich ziehen sollte, ist nicht an die Person des Erwerbers, sondern an den Zustand der Sache geknüpft. Nur auf Fahrlässigkeit beruhende unzutreffende Erklärungen des Verkäufers, die sich auf zusicherungsfähige Eigenschaften der Kaufsache beziehen, begründen mit Rücksicht auf das Gewährleistungsrecht, das Schadensersatz nur bei Nichteinhaltung einer Zusicherung oder bei arglistigem Verschweigen eines Fehlers vorsieht (§ 463 BGB), keinen Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluß (Senat BGHZ 60, 319, 322; 114, 263, 266).

2. Eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz kommt aber wegen der Verletzung einer besonderen vertraglichen Beratungspflicht in Frage. Die Rechtsprechung hat eine solche Beratungspflicht des Verkäufers als eine zusätzlich zur Gewährleistung übernommene Nebenpflicht oder, was hier in Frage kommt, als selbständige Hauptpflicht aus einem Beratungsvertrag (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, 6. Aufl., Rdn. 180) in Fällen bejaht, in denen der Verkäufer im Rahmen eingehender Vertragsverhandlungen und auf Befragen des Käufers jeweils einen ausdrücklichen Rat erteilt hatte (BGH, Urt. v. 25. März 1958, VIII ZR 48/57, NJW 1958, 866; v. 29. Juni 1977, VIII ZR 309/75, WM 1977, 1027 f; BGHZ 88, 130; Urt. v. 6. Juni 1984, VIII ZR 83/83, ZIP 1984, 962, 965; vgl. auch Senatsurt. v. 12. Dezember 1980, V ZR 168/78, WM 1981, 308). Die Verletzung einer solchen Beratungspflicht begründet eine Haftung des Verkäufers auch dann, wenn sich sein Verschulden auf Angaben über zusicherungsfähige Eigenschaften der Kaufsache bezieht und nur auf Fahrlässigkeit beruht.

So liegen die Dinge hier. Das "persönliche Berechnungsbeispiel" war das Ergebnis eingehender Vertragsverhandlungen. Es diente der Beklagten als Instrument zur Vermittlung des auf Steuerersparnis angelegten Erhaltungsmodells. Damit steht es einem auf Befragen des Käufers erteilten Rat gleich. Eine Haftung der Beklagten scheidet auch nicht deshalb aus, weil die T. die objektbezogene Steuerberatung übernommen hatte. Der Vertrag der Klägerin mit der Steuerberatungsgesellschaft wurde erst nach dem Kaufvertrag, nämlich am 25. März 1991/ 10. Mai 1993 abgeschlossen. Er hatte die steuerliche Abwicklung des "Erhaltungsmodells" zum Gegenstand. Hiervon ist die vorangegangene Beratung über die steuerliche Zweckmäßigkeit des Modells angesichts der Einkommensverhältnisse der Klägerin zu unterscheiden. Sie lag nicht im Aufgabenbereich der T..

An der Beurkundungsbedürftigkeit des Kaufvertrags (§ 313 Satz 1 BGB) nahm der Beratungsvertrag nicht teil; denn er diente zwar der Entschlußfassung über den Kauf, war vom Inhalt dieses Entschlusses aber nicht abhängig. Es lag mithin kein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Geschäften im Sinne der Erstreckung des Urkundserfordernisses auf das an sich formfreie Geschäft vor (vgl. Senatsurt. v. 10. Oktober 1986, V ZR 247/85, WM 1987, 215).

3. Die Revisionserwiderung hebt, allerdings unter dem Gesichtspunkt des vorvertraglichen Verschuldens, darauf ab, daß die Vermittlung des Immobilienerwerbs typischerweise Maklertätigkeit sei. Ohne nähere Feststellungen zum Inhalt des von der Beklagten erteilten Auftrags sei eine Aussage darüber, ob Firma Z. deren Erfüllungsgehilfin gewesen sei, nicht möglich. Der Senat hat indessen den Grundstücksmakler, dem von einer späteren Kaufvertragspartei die Führung der wesentlichen Vertragsverhandlungen überlassen worden war, als deren Gehilfen bei der Erfüllung der vorvertraglichen Sorgfaltspflichten angesehen (Urt. v. 24. November 1995, V ZR 40/94, WM 1996, 315). Die dazu erforderlichen Feststellungen sind im Berufungsurteil getroffen, denn danach hatte die Beklagte keinen Kontakt zu den Interessenten aufgenommen und der Vermittlerin freie Hand gelassen.

Allerdings geht es hier nicht um einen Verstoß gegen gesetzliche Pflichten im Vorfeld des Kaufvertrags, sondern um die vertragliche Übernahme der Beratung des Kaufinteressenten und die Erfüllung der hierbei eingegangenen Pflicht. Stellt sich indessen bei der Vermittlung des Kaufvertrags diese Aufgabe und ist sie vom Verkäufer dem Makler überlassen, so kann sich dessen stillschweigende Bevollmächtigung zum Abschluß des Beratervertrags aus den Umständen ergeben (§ 167 BGB). In einem solchen Falle sind an die Kundgabe des Willens, die Beratung für den Verkäufer zu übernehmen und auszuführen (§ 164 BGB), keine zu strengen Anforderungen zu stellen; dies gilt jedenfalls, wenn der Vermittler zweifelsfrei keinen Auftrag vom Käufer erhalten hat. Von diesen Voraussetzungen ist unter den Parteien auszugehen, denn die individuelle Beratung über die mit dem "Erhaltungsmodell" für den Käufer verbundenen Steuervorteile, im Streitfalle anhand des "persönlichen Berechnungsbeispiels", war eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Abschluß der Verkaufsbemühungen. Auf Vortrag, wonach die Firma Z. (auch) im Auftrag der Klägerin tätig geworden sei, vermag die Revisionserwiderung nicht zu verweisen.

IV.

Die Sache ist nicht entscheidungsreif und deshalb an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 ZPO).

Dieses wird zu entscheiden haben, ob die Klägerin bei ordnungsgemäßer Beratung, mithin bei einem Hinweis auf die rechtliche Ungefestigtheit des steuerlichen Ansatzes, den Kaufvertrag abgeschlossen hätte. Ist dies zu verneinen, ist zu prüfen, ob der Klägerin durch den Abschluß des Kaufs ein Schaden entstanden ist (vgl. die Senatsrechtsprechung zu dem insoweit gleichgelagerten Falle des Verschuldens bei Vertragsschluß, Urteile v. 26. September 1997, V ZR 29/96, WM 1997, 2303 und v. 19. Dezember 1997, V ZR 112/96, WM 1998, 91). Liegt ein Schaden vor, kann die Klägerin, worauf ihre Anträge abzielen, verlangen, so gestellt zu werden, wie wenn sie vom Vertragsschluß abgesehen hätte.



Ende der Entscheidung

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