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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.09.2003
Aktenzeichen: V ZR 383/02
Rechtsgebiete: SachenRBerG, VZOG


Vorschriften:

SachenRBerG § 1 Abs. 2
SachenRBerG § 116
VZOG § 2
VZOG § 4
Ansprüche auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (hier: Recht zum Befahren und Betreten eines ehedem volkseigenen Grundstücks zu Zwecken des Zugverkehrs) werden auch dann vom Vermögenszuordnungsrecht verdrängt, wenn das genutzte Grundstück zwischenzeitlich an einen Dritten veräußert wurde (im Anschluß an Senatsurt. v. 10. Januar 2003, V ZR 206/02, WM 2003, 1671).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 383/02

Verkündet am: 19. September 2003

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Klein, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterin Dr. Stresemann

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Oktober 2002 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger kaufte mit notariellem Vertrag vom 29. Oktober 1991 von der B. G. H. i.L., einem Treuhandunternehmen, zwei (damals noch abzuvermessende) Grundstücke. Auf den Grundstücken befinden sich Bahngleise, welche von der Beklagten, ebenfalls einem Treuhandunternehmen, zum Betrieb ihres Zementwerkes, vornehmlich zum Rangieren und Zusammenstellen von Zügen, genutzt werden.

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung der Benutzung der Gleisanlagen in Anspruch genommen. Die Beklagte hat den Anspruch hinsichtlich eines Gleisstrangs anerkannt, im übrigen Abweisung der Klage und widerklagend die Verurteilung des Klägers beantragt, zu ihren Gunsten eine Dienstbarkeit mit dem Inhalt zu bewilligen, die Grundstücke des Klägers zum Zwecke des Zugverkehrs sowie der Instandsetzung und Instandhaltung zu befahren und zu betreten. Das Landgericht hat die Beklagte dem Anerkenntnis gemäß verurteilt, die weitergehende Klage abgewiesen und der Widerklage Zug um Zug gegen Zahlung einer Rente stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe: I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagten stehe ein Anspruch auf Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG nicht zu, da die Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers für die Erschließung des eigenen Grundstücks nicht erforderlich sei. Die Beklagte verfüge über einen Bahnanschluß, den sie ohne Inanspruchnahme der Grundstücke des Klägers erreichen könne. Das betriebliche Interesse, die Grundstücke des Klägers zu Rangierzwecken zu benutzen, genüge nicht.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg.

1. Wie der Senat, allerdings nach Erlaß des Berufungsurteils, entschieden hat, kann ein Treuhandunternehmen von einem anderen Treuhandunternehmen nicht die Bestellung einer Dienstbarkeit nach § 116 SachenRBerG verlangen, wenn zwischen den Unternehmen eine Zuordnungslage bestanden hat (Urt. v. 10. Januar 2003, V ZR 206/02, WM 2003, 1671). Hiervon ist revisionsrechtlich auszugehen. Denn die Beklagte, die die Rechtsverteidigung gegenüber dem Unterlassungsanspruch des Klägers (§ 1004 BGB) auf die Einwendung stützt, ihr stehe ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB) aus § 116 SachenRBerG zu und den Anspruch auf Bereinigung zur Grundlage der Widerklage macht, trägt vor, ihr Rechtsvorgänger, der VEB Ze. R. , sei Fondsinhaber der Gleisanlagen gewesen. Die Fondsinhaberschaft habe sich bei der Rechtsnachfolge in das Volkseigentum an Grund und Boden gegenüber der Rechtsträgerschaft des VEB Z. H. , aus dem die Rechtsvorgängerin des Klägers hervorgegangen ist, durchgesetzt (vgl. § 11 Abs. 2 THG; BVerwG ZIP 1994, 1978 = VIZ 1995, 99). Zwischen der Rechtsvorgängerin des Klägers und der Beklagten, deren Rechtsvorgänger Rechtsträger ihrer Betriebsgrundstücke gewesen ist, bestand danach eine Zuordnungslage.

2. a) Allerdings besteht eine solche Rechtslage nicht zwischen den Parteien, denn der Kläger ist als rechtsgeschäftlicher Erwerber der ehedem volkseigenen Flächen, auch wenn seine Rechtsvorgängerin ein Treuhandunternehmen war, nicht Zuordnungsbeteiligter. Nach § 4 VZOG kann der Präsident der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (bzw. die von ihm ermächtigte Stelle) die Feststellung, welcher Treuhandgesellschaft ein Grundstück oder Gebäude in welchem Umfang zu übertragen ist, zwar auch dann treffen, wenn sich die Kapitalanteile nicht mehr in der Hand der Anstalt befinden oder, §§ 4 Abs. 3, 2 Abs. 1 Satz 2 VZOG, wenn der Vermögensgegenstand veräußert wird. Gegenstand der Zuordnung ist aber die Zuordnungslage vor der Privatisierung oder der Veräußerung. Zwischen einer Treuhandgesellschaft und dem Rechtsnachfolger in einen Vermögensgegenstand einer anderen Treuhandgesellschaft ist eine Zuordnungsmöglichkeit nicht gegeben.

b) Dies ändert indessen nichts am Vorrang der Vermögenszuordnung vor der Sachenrechtsbereinigung (vgl. § 1 Abs. 2 SachenRBerG), von der der Senat ausgeht und die insbesondere für den gesetzlichen Vermögensübergang nach § 11 Abs. 2 THG gilt (dazu Czub in Czub/Schmidt-Räntsch/Frentz, SachenRBerG, § 1 Rdn. 142). Die Zuordnung von Immobilienvermögen zwischen Treuhandunternehmen nach § 11 Abs. 1 THG, § 2 5. DVO THG i.V.m. § 4 ZOG ist abschließend. Auch die spätere Einzelrechtsnachfolge in Vermögenswerte der Treuhandunternehmen ändert hieran nichts.

aa) Dem Vorrang der Vermögenszuordnung als solchem läßt sich nicht entgegen halten, dem Zuordnungsrecht fehlten die geeigneten Mittel, der Nutzung ehedem volkseigener Grundstücke kraft Fondsinhaberschaft Rechnung zu tragen. Abgesehen von dem Fall, daß die Fondsinhaberschaft, wenn sie das Grundstück in allen seinen Beziehungen erfaßte, die Rechtsträgerschaft verdrängt (oben zu 1), kommen in Mischfällen auch Grundstücksteilungen in Betracht, wenn der Umfang des Fonds und seine Bedeutung für die Teilhabe des Unternehmens am Wirtschaftsverkehr dies rechtfertigt (zutreffend Schmitt-Habersack aaO, § 11 THG Rdn. 22). Der durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz vom 20. Dezember 1993 (BGBl I S. 2182, 2227) eingefügte § 2 Abs. 2b, 2. Halbsatz VZOG, auf den § 4 Abs. 3 VZOG verweist, erlaubt überdies die Bestellung beschränkter dinglicher Rechte zugunsten eines der beteiligten Unternehmen (§ 5 Abs. 5 BoSoG). Diese können auf die betrieblichen Erfordernisse, dem der Fonds diente, abstellen.

bb) Der Rechtsnachfolger in Grundvermögen der Treuhandunternehmen hat die erworbenen Grundstücke oder Rechte in der Gestalt hinzunehmen, in der sie sich aus der Zuordnung kraft Gesetzes darstellen (zur deklaratorischen Natur des Zuordnungsbescheids bei einfach gelagerten Sachverhalten vgl. Senatsurt. v. 14. Juli 1995, V ZR 39/94, WM 1995, 1776). Soweit die Zuordnung nach § 4 VZOG rechtsgestaltenden Charakter hat, etwa bei der Begründung beschränkter dinglicher Rechte, gilt Entsprechendes. In dieses Zuordnungsergebnis mit den Mitteln der Sachenrechtsbereinigung einzugreifen, fehlt es an einer Rechtfertigung. Allerdings kann der Erwerber, wenn die Zuordnung aus dem Grundbuch nicht ersichtlich ist (vgl. aber § 4 Abs. 2 VZOG i.V.m. § 38 GBO), von der Zuordnungslage abweichende Rechte erwerben (§ 892 BGB). Den öffentlichen Glauben des Grundbuches einzuschränken, liegt aber außerhalb der Zielsetzungen des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes.

cc) Die Anordnung über den Bau und Betrieb von Anschlußbahnen vom 13. Mai 1982 (GBl. DDR, 1982, Sonderdruck Nr. 1080) und die Anordnung über die Regelung der Rechtsbeziehungen zwischen der Deutschen Reichsbahn und den Anschlußbahnen vom 4. Juli 1974 (GBl. DDR I S. 357) enthalten keine Vorschriften, aus denen die Beklagte das in Anspruch genommene Recht gegen den Kläger herleiten könnte. Dasselbe gilt für die Regelungen über Energie-, Wasser- und Abwasserleitungen im Grundbuchbereinigungsgesetz und der dazu ergangenen Verordnung.

3. Eine Zurückverweisung der Sache zur Prüfung, ob der Beklagten wegen der behaupteten Fondsinhaberschaft ihres Rechtsvorgängers an der Gleisanlage Teile der Grundstücke des Klägers zustehen oder ob zu ihren Gunsten ein dingliches Recht an den Grundstücken begründet werden konnte, scheidet aus. Auch wenn, was der Senat offen läßt, im ersteren Falle eine Teilung unmittelbar durch Gesetz erfolgt wäre, hat der Kläger die im Grundbuch ohne Flächenabzug ausgewiesenen Grundstücke in ihrem gesamten Umfang erworben. Eine Dienstbarkeit oder eine sonstige dingliche Berechtigung der Beklagten zur Nutzung der Gleisanlage ist bislang nicht begründet worden. Nach der Veräußerung an den Kläger kann dies auch nicht mehr geschehen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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