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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 08.11.2002
Aktenzeichen: V ZR 398/01
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 242 (Bb) |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 8. November 2002
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2002 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel und die Richter Tropf, Prof. Dr. Krüger, Dr. Gaier und Dr. Schmidt-Räntsch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 24. September 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte war mit der Tochter des Klägers verheiratet. Die Ehe wurde am 17. Dezember 1997 rechtskräftig geschieden.
Mit notariellem Vertrag vom 1. September 1993 verkaufte der Kläger seiner Tochter und dem Beklagten ein Anwesen von rund 1.000 qm mit Wohnhaus und landwirtschaftlicher Fläche in F. für 300.000 DM, zahlbar an die Raiffeisenbank F. zur Ablösung einer in dieser Höhe valutierenden Buchgrundschuld, die die Erwerber zwecks späterer Kreditaufnahme als Eigentümergrundschuld übernehmen wollten. Die Erwerber wurden zu gleichen Teilen als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Die Parteien streiten darüber, ob es sich bei dem Vertrag um eine gemischte Schenkung oder um einen Kaufvertrag gehandelt hat. Der Kläger meint, jedenfalls habe dem Vertrag die beiderseitige Vorstellung zugrunde gelegen, daß die Ehe seiner Tochter mit dem Beklagten fortbestehe. Nur deswegen habe er den Grundbesitz weit unter Wert veräußert. Nach dem Scheitern der Ehe sei die Geschäftsgrundlage entfallen, und der Beklagte müsse die Hälfte des über den Kaufpreis hinausgehenden Wertes zurückzahlen.
Ausgehend von einem tatsächlichen Wert von 600.000 DM hat der Kläger Zahlung von 150.000 DM nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr, gestützt auf einen sachverständig ermittelten Wert des Anwesens von 434.900 DM, in Höhe von 67.450 DM nebst Zinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht läßt dahingestellt, ob es sich bei dem notariellen Vertrag um eine gemischte Schenkung oder um einen Kaufvertrag gehandelt hat. Jedenfalls habe nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Vertragsanpassung dahin zu erfolgen, daß der Beklagte die Hälfte der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Verkehrswert des Kaufgegenstandes nachzuzahlen habe. Aus den Umständen sei nämlich zu schließen, daß der Vertragsgestaltung die für den Beklagten erkennbare Vorstellung des Klägers zugrunde gelegen habe, daß die Ehe seiner Tochter mit dem Beklagten fortdauere. Diese Grundlage sei mit der Scheidung weggefallen.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Die von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lassen schon nicht erkennen, ob die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) im Hinblick auf eine bei dem Kläger vorhandene Vorstellung, die Ehe seiner Tochter mit dem Beklagten werde fortbestehen, überhaupt anwendbar sind. Dies kommt in Betracht, wenn dem Beklagten das Grundstück zusammen mit seiner damaligen Frau teilweise unentgeltlich zugewendet wurde, sei es, daß es sich dabei um eine gemischte Schenkung gehandelt hat (vgl. BGH, Urt. v. 19. Januar 1999, X ZR 60/97, NJW 1999, 1623, 1624 f), sei es, daß es um eine mit Rücksicht auf die Ehe mit der Tochter und zur Begünstigung des ehelichen Zusammenlebens in einem Familienheim gemachte Zuwendung geht, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nach den Regeln über ehebezogene (sog. unbenannte) Zuwendungen unter Ehegatten zu behandeln ist (BGHZ 129, 259, 264 ff; BGH, Urt. v. 4. Februar 1998, XII ZR 160/96, FamRZ 1998, 669, 670). Das Berufungsgericht hat indes die Frage, ob eine gemischte Schenkung vorliegt, nicht geklärt und auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob von einer objektiv unentgeltlichen Zuwendung zur dauerhaften wirtschaftlichen Sicherung oder Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft auszugehen ist. Ohne Feststellungen hierzu bleibt aber die Annahme, der Kläger habe - für den Beklagten erkennbar - seine Entschließung auf der Vorstellung aufgebaut, daß die Ehe seiner Tochter mit dem Beklagten fortdauere, ohne Grundlage. Denn bei einem "reinen Kaufvertrag", von dem nach den Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich auszugehen ist, scheidet eine Vertragsanpassung nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zwar nicht generell aus. Doch gibt es nach den bislang getroffenen Feststellungen keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Fortbestand der Ehe Geschäftsgrundlage des Vertrages war. Die vertraglichen Leistungen sind vereinbarungsgemäß erbracht worden. Etwaige Störungen des Äquivalenzverhältnisses bleiben bis zur Grenze des § 138 BGB unbeachtlich. Nur wenn eine unentgeltliche Zuwendung an den Beklagten unterstellt wird, kommt nach den hier vorliegenden Umständen die Vorstellung von einem Fortbestehen der Ehe als Geschäftsgrundlage des Vertrages ernsthaft in Betracht.
2. Schon aus diesem Grund hat das angefochtene Urteil keinen Bestand. Das Berufungsgericht wird zunächst zu klären haben, ob die Veräußerung des Grundstücks nach dem Willen der Parteien als eine teilweise unentgeltliche Zuwendung an den Beklagten anzusehen ist, sei es als (gemischte) Schenkung, sei es als sog. unbenannte Zuwendung. Bei dieser Frage können die Überlegungen eine Rolle spielen, die das Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung angestellt hat, daß der Fortbestand der Ehe der Tochter des Klägers Geschäftsgrundlage der Grundstücksveräußerung gewesen sei. Die dazu bislang getroffenen Feststellungen können der Entscheidung indes nicht zugrunde gelegt werden, da sie - wie die Revision zu Recht rügt - rechts- und verfahrensfehlerhaft sind.
Das Berufungsgericht stützt seine Würdigung unter anderem auf den Vortrag des Beklagten, Anlaß für den Verkauf durch den Kläger sei die Notwendigkeit der Ablösung von Bankverbindlichkeiten gewesen. In einer solchen Situation versuche man, einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Wenn sich der Kläger hier mit einem besonders niedrigen Preis zufrieden gegeben habe, so spreche das dafür, daß der Kläger von der Vorstellung ausgegangen sei, die Ehe seiner Tochter habe Bestand. Dies habe auch der Beklagte erkannt.
Hierbei verkennt das Berufungsgericht die ambivalente Bedeutung des von ihm bewerteten Umstands. Zwar ist es richtig, daß derjenige, der drängende Schulden abtragen muß, durch einen Verkauf einen möglichst hohen Preis erzielen möchte. Die Erfahrung zeigt indes, daß solchen Notverkäufen häufig ein besonders günstiger Preis eigen ist. Mit dieser naheliegenden Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt.
Hinzu kommt, daß das Berufungsgericht die Darlegungslast verkannt hat. Für die Umstände, auf die die Anwendung der Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage gestützt werden soll, ist derjenige darlegungs- und beweispflichtig, der sich darauf beruft (vgl. nur Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., § 242 Rdn. 17 m.w.N.). Wenn also das Berufungsgericht seine Wertung auf Vortrag des Beklagten stützt, so hätte dies zunächst einmal vorausgesetzt, daß sich der darlegungs- und beweisbelastete Kläger diesen Vortrag wenigstens hilfsweise zu eigen gemacht hätte. Dazu trifft das Berufungsgericht keine Feststellungen. Vor allem aber hätte es aus dem Vorbringen des Beklagten nicht nur den Hinweis auf den Anlaß des Verkaufs zugrunde legen dürfen, ohne die weiter in diesem Zusammenhang vorgetragenen Umstände zu berücksichtigen. Diese aber legen die Annahme, daß es sich im vorliegenden Fall um einen Notverkauf zu besonders günstigen Bedingungen gehandelt hat, besonders nahe. Danach soll der Kläger das Grundstück nämlich deshalb verkauft haben, weil er die Tilgungsraten für laufende Darlehen nicht mehr habe aufbringen können. Dabei sei der Notverkauf an ihn, den Beklagten, und die Tochter des Klägers vor allem deswegen vorgenommen worden, weil bei einem Verkauf an außenstehende Dritte die finanzielle Notlage offenbar geworden wäre, was der Reputation des Geschäfts des Klägers geschadet hätte. Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen.
Vor diesem Hintergrund verliert zudem das ohnehin nur schwache Argument des Berufungsgerichts an Bedeutung, daß nämlich das nahe Angehörigenverhältnis für die Annahme spreche, Geschäftsgrundlage für den Verkauf sei der Fortbestand der Ehe gewesen. Denn abgesehen davon, daß ohnehin nicht jedem Geschäft mit nahen Angehörigen eine solche oder ähnliche Vermutung inne wohnt und daß auch die Erwähnung der verwandtschaftlichen Beziehung des Beklagten im Vertrag ("Schwiegersohn") insoweit wenig aussagekräftig ist (vgl. auch BGH, Urt. v. 19. Januar 1999, X ZR 60/97, NJW 1999, 1623, 1624 f), so läßt der Vortrag des Beklagten andere Motive in den Vordergrund rücken als die einer Zuwendung, die der Sicherung der Ehe der Tochter des Klägers dienen sollte.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß hinsichtlich der Frage, ob das Grundstück unter Wert veräußert wurde, die Rüge der Revision, Vortrag des Beklagten sei übergangen worden, unbeachtlich ist. Der Umstand, daß im Zeitpunkt der Veräußerung auf dem Grundstück eine in Höhe von 300.000 DM valutierende Grundschuld lastete, ist für die Bestimmung des Preis-Leistungs-Verhältnisses ohne Bedeutung. Es mag allerdings den Vortrag des Beklagten stützen, daß es den Parteien in erster Linie um die Ablösung der den Kläger drängenden Schulden gegangen sei, entsprach doch der Preis genau der Summe, die zur Ablösung der Grundschuld bzw. deren Übernahme als Eigentümergrundschuld erforderlich war.
Unzutreffend ist auch die Annahme der Revision, der Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage stünden auch die Erwägungen des Bundesgerichtshofs entgegen, wonach der Beklagte vor einer zweimaligen Inanspruchnahme zu bewahren sei, einmal im Verhältnis zum Zuwendenden durch Vertragsanpassung nach § 242 BGB und einmal im Verhältnis zu dem geschiedenen Ehepartner durch Zugewinnausgleichsansprüche (BGH, Urt. v. 12. April 1995, XII ZR 58/94, NJW 1995, 1889). Zum einen trägt der Beklagte schon nicht vor, daß er durch eine Bewertung unentgeltlicher Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb Zugewinnausgleichsansprüchen seiner früheren Ehefrau ausgesetzt ist oder war. Zum anderen besteht die Lösung des Problems nicht darin, die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage generell auszuschließen (vgl. BGH, aaO).
Ende der Entscheidung
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