Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.02.2000
Aktenzeichen: V ZR 403/98
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 278
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 403/98

Verkündet am: 25. Februar 2000

Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Schneider und Dr. Lemke

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 21. Oktober 1998 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Hanau vom 23. Dezember 1997 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger verlangt im Wege des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsschluß die Rückabwicklung eines Wohnungskaufs.

Die Beklagten waren Eigentümer einer in Hanau gelegenen Wohnanlage, die sie im Jahr 1990 in Wohnungseigentum aufteilten.

Das mit dem Vertrieb der Wohnungen betraute Maklerbüro setzte seinerseits weitere Makler, darunter auch die Firma E. & R., Makler und Wirtschaftsberater, ein. Die für dieses Unternehmen tätige Anlageberaterin W. empfahl dem Kläger den Erwerb einer Wohnung. Sie erstellte auf der Grundlage einer von ihm erteilten "Selbstauskunft" ein "persönliches Berechnungsbeispiel", das die effektive monatliche Belastung - unter Ansatz eines zu versteuernden Einkommens von 85.000 DM - für die Dauer von 60 Monaten mit 230,13 DM auswies. Daraufhin kaufte der Kläger mit notariellem Vertrag vom 27. Mai 1992 eine Eigentumswohnung und einen Kraftfahrzeugabstellplatz zum Gesamtpreis von 164.710 DM, wobei für die Parteien jeweils vollmachtlose Vertreter auftraten. Eine Haftung für Angaben des Maklers (Vertrieb), die über die Ausführungen im Prospekt hinausgehen, insbesondere für Angaben zur Renditeberechnung, wurde formularmäßig ausgeschlossen.

Mit notarieller Erklärung vom 1. Juni 1992 genehmigte der Kläger den Vertragsabschluß in Anwesenheit der Anlageberaterin W.. Zur Finanzierung des Kaufpreises nahm er Ende September 1992 zwei Darlehen über insgesamt 191.000 DM brutto auf.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zur Zahlung von 191.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, und zwar Zug um Zug gegen die Rückübereignung des an ihn verkauften Wohnungseigentums. Dem haben beide Vorinstanzen entsprochen. Hiergegen richtet sich die Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht billigt dem Kläger wegen Verschuldens bei Vertragsschluß einen Anspruch auf Rückgängigmachung des abgeschlossenen Kaufvertrags zu. Es ist der Ansicht, die Anlageberaterin habe dem Kläger pflichtwidrig und grob fahrlässig durch die vorgenommene Liquiditätsberechnung vorgespiegelt, daß jedenfalls 25.000 DM der von ihm jährlich zu entrichtenden Steuern in Vermögen umgewandelt würden. Dabei habe sie dem Kläger verschleiert, daß der errechneten Steuerersparnis in den ersten fünf Jahren nach dem Erwerb der Wohnung von genau 28.334,88 DM schon für das zweite Bruttodarlehen von 103.000 DM Zinsleistungen in Höhe von 36.857,74 DM gegenüber stünden. Darüber hinaus sei der Kläger bei der Berechnung der von ihm zu tragenden Belastungen auch deswegen irregeführt worden, weil das Disagio oder der Effektivzins in den ihm übergebenen Unterlagen nicht deutlich als weitere Belastungen in Rechnung gestellt worden seien. Die Beklagten hätten für diese Pflichtverletzungen der Anlageberaterin gemäß § 278 BGB einzustehen.

Dies hält der Revision nicht stand.

II.

Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Anlageberaterin als Erfüllungsgehilfin der Beklagten tätig geworden ist. Denn das angefochtene Urteil ist jedenfalls deswegen aufzuheben, weil die getroffenen Feststellungen nicht den Schluß zulassen, daß die Anlageberaterin den Kläger fehlerhaft beraten hätte. Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts beruht auf einer unvollständigen und damit fehlerhaften Würdigung des erstellten Berechnungsbeispiels.

1. Soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertritt, dem Kläger sei durch die Liquiditätsberechnung vorgespiegelt worden, daß jedenfalls eine Steuerlast von 25.000 DM Vermögen werde, verkennt es, daß die auf Seite 2 des Berechnungsbeispiels enthaltenen Angaben ("25.000 DM Steuern, die Vermögen werden") nicht isoliert betrachtet werden können, sondern im Zusammenhang mit den auf Seiten 3 und 4 durchgeführten Berechnungen stehen.

Bereits bei flüchtiger Durchsicht der dort aufgezeigten Rechenschritte ergibt sich, daß die voraussichtliche Steuerersparnis nicht jährlich anfällt, sondern verteilt auf einen Zeitraum von fünf Jahren zur Vermögensbildung beiträgt. Wie sich die finanzielle Situation nach Ablauf der 60 Monate darstellen wird, ist nicht Gegenstand der Auskunft gewesen und mußte in sie auch nicht einbezogen werden. Dem erstellten Berechnungsbeispiel läßt sich entnehmen, daß der Vermögenserwerb keineswegs ausschließlich durch Steuereinsparungen bewirkt werden sollte, sondern daß nach der sechsmonatigen Erwerbsphase monatliche Zusatzzahlungen in Höhe von 382,18 DM zu erbringen waren. Diese Zusatzbelastung wurde auf Seite 4 des Berechnungsmodells drucktechnisch hervorgehoben. Auch für einen Laien war damit erkennbar, daß das unterbreitete Vermögensbildungskonzept über die berücksichtigte Steuerersparnis hinaus den Einsatz fremdfinanzierter Mittel erforderte. Der vom Kläger erhobene Vorwurf bezieht sich dementsprechend auch nicht darauf, ihm sei überhaupt eine zusätzliche finanzielle Belastung verschwiegen worden, sondern nur darauf, daß sich die Zusatzleistungen auf einen weitaus höheren Betrag als errechnet beliefen.

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts wurden die auf den Kläger zukommenden finanziellen Belastungen in der Liquiditätsberechnung rechnerisch zutreffend ermittelt.

a) Das Disagio ist in der Berechnung hinreichend deutlich berücksichtigt, denn die Ermittlung des Investitionsbedarfs erfolgt unter Zugrundelegung eines Bruttodarlehens in Höhe von 189.326,74 DM bei 89 %iger Auszahlung (= 168.500,79 DM), also eines Disagios von 11 %. Die hiermit verbundenen zusätzlichen finanziellen Aufwendungen des Klägers fließen in die Berechnung ein, indem der angesetzte Zinssatz von 6,65 % aus der Bruttosumme (6,65 % Zins aus 189.326,74 DM = 12.590,228 DM jährlich bzw. 6.295,114 DM halbjährlich) errechnet wird.

b) Auch die am Ende des Berechnungsbeispiels aufgeführte und vom Kläger beanstandete effektive Belastung von 230,13 DM monatlich über einen Zeitraum von fünf Jahren (60 Monaten) ist rechnerisch korrekt ermittelt. Der jährliche Investitionsaufwand ab dem ersten Vermietungsjahr ist mit 4.586,27 DM (= 382,19 DM monatlich) angesetzt. Legt man diesen finanziellen Bedarf auf fünf Jahre um und berücksichtigt man dabei, daß sechs Monate hiervon auf die Erwerbsphase entfallen, für die ein Überschuß in Höhe von 6.830,17 DM errechnet wird, dann ergibt sich für den Gesamtzeitraum von 60 Monaten eine Zusatzbelastung von 20.638,215 DM (4.586,27 DM x 4,5 Jahre) abzüglich 6.830,17 DM, also von 13.808,045 DM. Umgelegt auf fünf Jahre bedeutet dies eine effektive monatliche Belastung von 230,13 DM.

3. Schließlich kann eine pflichtwidrige Irreführung des Klägers auch nicht in den der Berechnung zugrunde gelegten Eckwerten (85.000 DM zu versteuerndes Einkommen; Steuerersparnis 25.000 DM; Bruttodarlehen in Höhe von 189.226,74 DM; Disagio 11 %; Zinssatz 6,65 %) erblickt werden. Zwar sind die finanziellen Belastungen des Klägers deutlich höher ausgefallen als im Berechnungsbeispiel ausgewiesen. Dies bedeutet aber nicht, daß der Ansatz dieser Daten zum Zeitpunkt der Berechnung sachlich unrichtig war.

a) Nicht zu beanstanden ist, daß die Berechnung auf der Grundlage eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 85.000 DM vorgenommen wurde. Der Kläger bezifferte sein Bruttoeinkommen in seiner Selbstauskunft vom 7. Februar 1992 mit 102.000 DM und gab sein Nettoeinkommen in einer weiteren Auskunft vom August/September 1992 mit 72.320 DM an. Die Beklagten haben durch Vorlage eines Privatgutachtens schlüssig dargelegt, daß der Ansatz eines zu versteuernden Einkommens von 85.000 DM angesichts der Angaben in der Selbstauskunft vom 7. Februar 1992 im Grundsatz nicht zu beanstanden ist. Hiergegen hat der Kläger keine durchgreifenden Einwände erhoben. Sein auf die Aussage seiner Ehefrau gestütztes Vorbringen, er habe im Mai 1992 die Anlageberaterin von dem bevorstehenden Wegfall des bisher durch selbständige Tätigkeit erzielten Nebenverdienstes unterrichtet, ist unerheblich, denn eine solche Mitteilung konnte naturgemäß die sachliche Richtigkeit einer zu einem früheren Zeitpunkt erstellten Berechnung nicht rückwirkend beeinflussen.

Die Beklagten haben mittels des von ihnen vorgelegten Privatgutachtens auch nachvollziehbar ausgeführt, daß nicht nur die Steuerlast des Klägers für das Jahr 1992 mit 25.991,28 DM ordnungsgemäß ermittelt wurde, sondern auch die im Berechnungsbeispiel für die Dauer einer 4,5-jährigen Vermietungsphase in Ansatz gebrachte Steuerersparnis von 4.269,24 DM p.a. korrekt und die für die sechsmonatige Erwerbsphase angesetzte Steuerersparnis von 11.257,92 DM p.a. mit einer durch nicht berücksichtigte Finanzierungsnebenkosten bedingten, vernachlässigbaren Abweichung von 230,04 DM annähernd richtig errechnet wurden. Auch hiergegen hat der Kläger keine substantiierten Einwände vorgebracht.

b) Dem Vorbringen des Klägers läßt sich ferner nicht entnehmen, daß die in der Ankaufsberechnung vorausgesetzten Finanzierungskonditionen einer sachlichen Grundlage entbehrten. Der Kläger nahm zwar Monate nach Abschluß des Kaufvertrages anstelle des in der Liquiditätsberechnung vorgesehenen Bruttodarlehens von 189.326,74 DM mit einem Zinssatz von 6,65 % und einem Disagio von 11 % zwei Bruttodarlehen über 88.000 DM (Zinssatz 7 %) und 103.000 DM (Zinssatz 7,75 %) und einem Disagio von jeweils 10 % auf. Daß ein Darlehen zu den in der Berechnung vorgesehenen Konditionen auf dem Markt nicht zu erlangen gewesen wäre, trägt er aber nicht vor. Er verweist lediglich darauf, daß ihm die - insoweit nicht als Erfüllungsgehilfin der Beklagten aufgetretene - Anlageberaterin (vgl. Senat, BGHZ 114, 270) die beiden Bruttodarlehen nach Kaufvertragsabschluß vermittelt habe. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die im Berechnungsbeispiel vorausgesetzten Finanzierungsbedingungen nicht realisierbar gewesen wären, bestehen nicht. Jedenfalls belegen die von dem Beklagten vorgelegten Darlehenskonditionen, daß die D. -Bank im Jahre 1990 für Darlehen bis zu 50 % der angemessenen Gesamtkosten einen Zinssatz von 6,65 %, bei einem Auszahlungskurs von 90,10 % und für Darlehen bis zu 80 % der angemessenen Gesamtkosten einen Zinssatz von 6,84 % bei einer Auszahlung von 90 % anbot. Im Jahre 1993 waren die offerierten Darlehenskonditionen sogar noch günstiger.

c) Auch einem Laien mußte sich angesichts dieser nach Kaufvertragsabschluß eingetretenen Entwicklungen aufdrängen, daß die im Berechnungsmodell ermittelten Belastungen infolge nachträglicher Veränderungen in den Einkommens- und Finanzierungsbedingungen keine Gültigkeit mehr beanspruchen konnten. Weder das Vorbringen des Klägers noch die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen daher den Vorwurf einer irreführenden bzw. einer fehlerhaft vorgenommenen Berechnung.

4. Der Umstand, daß dem Kläger lediglich eine Liquidationsberechnung, nicht aber eine umfassende Wirtschaftlichkeitsberechnung unterbreitet wurde, begründet ebenfalls keine Pflichtverletzung der Anlageberaterin. Der Kläger hat nicht behauptet, daß der von ihm angestrebte Vertragszweck auch von einer bestimmten Renditeerwartung geprägt war. Dem steht schon entgegen, daß sich der Kläger allein auf der Grundlage der ihm in Aussicht gestellten Steuervorteile und der voraussichtlichen finanziellen monatlichen Belastungen zum Kauf der angebotenen Eigentumswohnung entschloß.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück