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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 09.07.1999
Aktenzeichen: V ZR 404/97
Rechtsgebiete: SachenRBerG
Vorschriften:
SachenRBerG § 121 Abs. 2 |
a) § 121 Abs. 2 SachenRBerG erfaßt auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke.
b) Hat der Käufer unter den Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG zunächst ein volkseigenes Eigenheim gekauft und dann das volkseigene Grundstück hinzugekauft und sind beide Verträge nach dem seinerzeit geltenden Recht wirksam, so begründet dies die Rechte nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (hier: Ankaufsrecht).
BGH, Urt. v. 9. Juli 1999 - V ZR 404/97 - OLG Naumburg LG Halle
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 9. Juli 1999
Kanik, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die Richter Dr. Vogt, Tropf, Prof. Dr. Krüger und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 20. November 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger begehren die Feststellung, daß ihnen (gemeinschaftlich) ein Ankaufsrecht nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz an dem Hausgrundstück F. straße in H. /S. zusteht.
Dieses Grundstück wurde 1954 in Volkseigentum überführt; Rechtsträger war der VEB Gebäudewirtschaft H. . Die Kläger wohnten dort seit 1970 zur Miete, und zwar im Erd- und später auch im Obergeschoß. Teile des Obergeschosses und des Dachgeschosses waren an Dritte vermietet.
Mit notariellem Vertrag vom 5. April 1990 verkaufte der VEB Gebäudewirtschaft das Gebäude für 38.300 Mark/DDR an die Kläger. Mit notariellem Vertrag vom 17. Mai 1990 kauften die Kläger das Grundstück für 4.870 Mark/DDR von der Stadt H. hinzu. Den Verträgen lagen jeweils preisrechtliche Bescheide der Stadt H. zugrunde. Schließlich wurde den Klägern am 7. Juni 1990 vom Rat der Stadt H. mit Wirkung vom 1. April 1990 ein Nutzungsrecht an dem Grundstück verliehen.
Seit Sommer 1990 nutzen die Kläger neben dem Erdgeschoß das gesamte Obergeschoß, seit Sommer 1991 auch das Dachgeschoß.
Mit Bescheid vom 3. Juni 1992 wurde den Beklagten das Grundstück im Restitutionsverfahren zurückübertragen. Der Widerspruch der Kläger dagegen blieb erfolglos.
Land- und Oberlandesgericht haben die Feststellungsklage abgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger ihren zuletzt gestellten Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob das von den Klägern genutzte Gebäude ein Eigenheim im Sinne des § 5 Abs. 2 SachenRBerG ist. Es hält jedenfalls die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 SachenRBerG, auf welche Vorschrift die Kläger das geltend gemachte Ankaufsrecht stützen, nicht für gegeben. Der Gebäudekaufvertrag vom 5. April 1990 sei nämlich unwirksam, weil der VEB Gebäudewirtschaft zur Veräußerung nicht berechtigt gewesen sei. Der Grundstückskaufvertrag vom 17. Mai 1990 rechtfertige, ohne daß zugleich ein wirksamer Gebäudekaufvertrag vorliege, nicht die Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Stellt das von den Klägern gekaufte Anwesen ein Eigenheim im Sinne des § 5 Abs. 2 SachenRBerG dar, so ist der geltend gemachte Anspruch nach § 121 Abs. 2 SachenRBerG begründet.
1. Die Voraussetzungen zu a) und c) dieser Vorschrift stehen nicht in Frage. Erörterungsbedürftig ist allein, ob die Voraussetzungen zu b) erfüllt sind. Danach müssen die Kläger bis zum Ablauf des 14. Juni 1990 einen wirksamen Kaufvertrag mit einer staatlichen Stelle der DDR über das von ihnen bewohnte Eigenheim geschlossen haben. Dabei sind entgegen dem Wortlaut - und somit nicht anders als nach Absatz 1 der Norm - nicht nur Kaufverträge über Eigenheime, sondern auch Kaufverträge über Eigenheimgrundstücke erfaßt. Denn die Vorschrift verfolgt das Ziel, bei den Käufen nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 einen Ausgleich zwischen den Interessen des Restitutionsberechtigten und den Interessen des Käufers zu schaffen. Nach § 4 Abs. 2 dieses Gesetzes konnte beim Kauf eines Eigenheims das volkseigene Grundstück hinzuerworben werden. Ein solcher Grundstückskauf ist nicht weniger schützenswert als der Kauf nur des Gebäudes (Senat, Beschl. v. 1. Juli 1999, V ZR 361/98, unveröffentl.; ebenso Czub, in: Czub/Schmidt-Räntsch/Frenz, SachenRBerG, § 121 Rdn. 111; a.M. Eickmann/Wittmer, SachenRBerG, § 121 Rdn. 63). Ist also sowohl der Gebäudekaufvertrag, den die Kläger mit dem VEB Gebäudewirtschaft geschlossen haben, als auch der anschließende Grundstückskaufvertrag wirksam, so rechtfertigt dies die Anwendung des § 121 Abs. 2 SachenRBerG. Das ist hier - wie die Revision zu Recht geltend macht - der Fall.
a) Gebäudekaufvertrag vom 5. April 1990
aa) Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß bei dem Gebäudekaufvertrag vom 5. April 1990 auf seiten des Verkäufers die an sich unzuständige Stelle gehandelt hat. Denn nach § 5 Abs. 1 Satz 2 der Durchführungsverordnung zum Verkaufsgesetz war der Rat der Stadt H. , nicht der handelnde VEB Gebäudewirtschaft, die zum Vertragsschluß befugte Stelle. Dieser Mangel führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Nach Art. 233 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB wird nämlich unwiderleglich vermutet, daß der als Rechtsträger des mit dem Haus bebauten volkseigenen Grundstücks eingetragene VEB Gebäudewirtschaft als diejenige Stelle, welche die Aufgaben staatlicher Stellen bei der Verfügung wahrgenommen hat, zu dem Vertragsschluß befugt war. Die Norm bezieht sich nach ihrem Wortlaut zwar nur auf die Verfügung volkseigener Grundstücke. Von ihrer Zielrichtung her, Verträgen nach dem Verkaufsgesetz vom 7. März 1990 Wirksamkeit zu verleihen (vgl. Thomas, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, Band II, Art. 233 § 2 EGBGB Rdn. 5 a, 6), gilt sie jedoch auch für den in diesem Gesetz in erster Linie geregelten Verkauf volkseigener Gebäude.
bb) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Kaufvertrag nicht wegen Verstoßes gegen ein in Rechtsvorschriften enthaltenes Verbot nichtig, § 68 Abs. 1 Nr. 1 ZGB. Sämtliche Rechtsvorschriften, die nach Meinung der Revisionserwiderung dem Kaufvertrag entgegenstehen könnten, sind nämlich erst nach Vertragsschluß in Kraft getreten. Das gilt sowohl für die Regelungen des Vertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion (Erster Staatsvertrag) vom 18. Mai 1990, der am 30. Juni 1990 in Kraft getreten ist, als auch für das Gesetz über die Haushaltsordnung der Republik vom 15. Juni 1990 und das Gesetz zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (TreuhG) vom 17. Juni 1990, die beide am 1. Juli 1990 in Kraft getreten sind. Schließlich ist auch der Beschluß Nr. 25/21/90 des Ministerrats der DDR über die "Grundsätze und Maßnahmen der Erfassung des Grundvermögens (Liegenschaften) der Republik" erst nach Vertragsschluß, nämlich am 15. August 1990, ergangen. Soweit der Vertrag bei Inkrafttreten dieser Bestimmungen noch nicht vollzogen worden war, kann dahingestellt bleiben, ob er dadurch nachträglich unwirksam geworden ist. Auf die Anspruchsberechtigung hat dies jedenfalls, wie der Senat mit Urteil vom 26. März 1999 entschieden hat (V ZR 294/97, WM 1999, 1131, 1134), keinen Einfluß. Sie hängt nicht davon ab, daß der Käufer auch nach jetziger Rechtslage noch die Erfüllung des Vertrages beanspruchen kann. § 121 SachenRBerG setzt gerade voraus, daß der Kaufvertrag nicht vollzogen wird. Der Käufer wird unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 der Norm bereits dann geschützt, wenn der Vertrag - wie hier - nach damaligem Recht wirksam war und vor dem 15. Juni 1990 abgeschlossen wurde, als erstmals durch die an diesem Tag vereinbarte und in den Medien verbreitete Gemeinsame Erklärung der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR die - grundsätzliche - Rückgabe enteigneten Grundvermögens zum Programm erhoben wurde.
cc) Der Vertrag ist auch nicht nach § 68 Abs. 1 Nr. 2 ZGB unwirksam, weil - wie die Revisionserwiderung meint - der vereinbarte Kaufpreis, gemessen an den Verhältnissen seit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages am 30. Juni 1990, unangemessen niedrig festgesetzt worden sei. Abgesehen davon, daß die Revisionserwiderung nicht auf konkreten Sachvortrag zu den Preisverhältnissen verweist, ist schon der Ausgangspunkt ihrer Überlegungen unrichtig. Bei der Beurteilung der Wertverhältnisse kommt es nicht auf den Zeitpunkt des späteren Vollzuges an, sondern auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Zu diesem Zeitpunkt entsprach der Preis den staatlichen Reglementierungen (vgl. Senat, BGHZ 131, 209; Urt. v. 26. März 1999, V ZR 294/97, WM 1999, 1131, 1134).
b) Grundstückskaufvertrag vom 17. Mai 1990
Der am 17. Mai 1990 geschlossene Grundstückskaufvertrag war ebenfalls wirksam. Er wurde auf Verkäuferseite für die Stadt H. geschlossen, die zu diesem Zeitpunkt (Inkrafttreten der neuen Kommunalverfassung) existierte. Sollte - wie die Beklagte vermutet - die am 17. April 1990 ausgestellte Vollmacht für den für die Stadt Handelnden noch von dem zum Zeitpunkt des Gebrauchmachens von der Vollmacht nicht mehr existierenden Rat der Stadt erteilt worden sein, so wäre der Mangel nach Art. 231 § 8 Abs. 2 EGBGB geheilt.
Aus denselben Gründen wie bei dem Gebäudekaufvertrag sind die von der Revisionserwiderung erhobenen, auf § 68 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZGB gestützten Bedenken gegen die Wirksamkeit des Vertrages unberechtigt.
2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist § 121 Abs. 2 SachenRBerG - wie der Senat mit Urteil vom 26. März 1999 (V ZR 294/97, WM 1999, 1131, 1134 f) entschieden hat - verfassungsrechtlich unbedenklich, soweit dadurch dem Grundstückskäufer (bzw. Gebäudekäufer) Ansprüche gegen den Restitutionsberechtigten eingeräumt werden. Daran hält der Senat fest.
III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif (§ 565 ZPO), da die Parteien zur Frage der Eigenschaft des Gebäudes als Eigenheim im Sinne des § 5 Abs. 2 SachenRBerG unterschiedlich vorgetragen haben. Das Berufungsgericht wird insoweit den Sachverhalt aufzuklären haben.
Ende der Entscheidung
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