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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.2006
Aktenzeichen: V ZR 48/05
Rechtsgebiete: SachenRBerG


Vorschriften:

SachenRBerG § 116 Abs. 1
Beruhte die Mitbenutzung eines Grundstücks durch den Nachbarn zu DDR-Zeiten auf einer vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs am 1. Januar 1976 getroffenen schuldrechtlichen Vereinbarung und war der Grundstückseigentümer daraus auch während der Geltungsdauer des Zivilgesetzbuchs zur Duldung der Mitbenutzung verpflichtet, ist für einen Bereinigungsanspruch nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG kein Raum. In diesem Fall fehlt es an einer Bereinigungslage, weil die Mitbenutzung zivilrechtlich abgesichert war.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

V ZR 48/05

Verkündet am: 10. März 2006

in dem Rechtsstreit

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und den Richter Dr. Czub

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 2. Februar 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in Chemnitz. Mit schriftlicher Vereinbarung vom 19. Februar 1934 gestattete der damalige Eigentümer des jetzt den Klägern gehörenden Grundstücks dem seinerzeitigen Eigentümer des heute der Beklagten gehörenden Grundstücks und dessen Rechtsnachfolgern, die "Spül- und Abortfallwässer" über sein Grundstück abzuführen. Seitdem verläuft von dem Grundstück der Beklagten eine unterirdische Abwasserleitung u.a. durch den Gartenteil des Grundstücks der Kläger. Dort mündet sie in einen Sammelschacht, in den auch die Kläger ihr Abwasser einleiten; von dem Schacht wird das Abwasser in die öffentliche Kanalisation abgeleitet. Eine dingliche Sicherung des Leitungsrechts erfolgte nicht.

Die Kläger, die ihr Grundstück nach 1990 von dem Erben desjenigen Eigentümers erworben haben, der im Jahr 1934 seinem Nachbarn die Verlegung der Abwasserleitung gestattet hat, verlangen von der Beklagten die Beseitigung der Leitung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger, mit der sie hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Entschädigung von 22.000 € beantragt haben, ist erfolglos geblieben.

Mit ihrer von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts müssen die Kläger das Vorhandensein und die Benutzung der Leitung dulden, weil der Beklagten ein Mitbenutzungsrecht an dem Grundstück der Kläger zustehe. Die Einigung der früheren Grundstückseigentümer sei als Vereinbarung zur Mitbenutzung des Grundstücks der Kläger im Sinne des § 321 ZGB anzusehen, die bereits bei dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der DDR am 1. Januar 1976 bestanden habe und nach § 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB fortbestehe. Ein solches Mitbenutzungsrecht berechtige und verpflichte die Rechtsnachfolger der Eigentümer des herrschenden und des dienenden Grundstücks auch dann, wenn es nicht in dem Grundbuch eingetragen sei. Nach Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB gelte es als Recht an dem belasteten Grundstück.

Den von den Klägern hilfsweise gestellten Zahlungsantrag hält das Berufungsgericht für unbegründet, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe.

Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

II.

1. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beklagten nach Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB aufgrund eines Mitbenutzungsrechts (§ 321 Abs. 1 ZGB) ein Recht an dem Grundstück der Kläger zustehe.

a) Die Annahme, dass die im Jahr 1934 zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien getroffene Vereinbarung mit dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs der DDR am 1. Januar 1976 (§ 1 EGZGB) ein Mitbenutzungsrecht im Sinne von § 321 Abs. 1 ZGB für den Eigentümer des heute der Beklagten gehörenden Grundstücks begründet habe, begegnet rechtlichen Bedenken. Aus § 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB, auf welche Norm sich das Berufungsgericht für seine Ansicht stützt, ergibt sich das nicht. Nach dieser Vorschrift war für das Bestehen der vor dem Inkrafttreten des Zivilgesetzbuchs begründeten Rechte und Pflichten das bis zu diesem Zeitpunkt geltende Recht maßgebend. Das spricht dafür, dass für das Nutzungsrecht auf der einen Seite und für die Duldungspflicht auf der anderen Seite die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auch in dem Zeitraum maßgeblich blieben, in welchem das Zivilgesetzbuch der DDR galt. Allerdings war nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EGZGB das Zivilgesetzbuch auf alle bei seinem Inkrafttreten bestehenden Zivilrechtsverhältnisse anzuwenden. Daraus kann geschlossen werden, dass sich der Inhalt eines unter der Geltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs abgeschlossenen Vertrags, der - wie hier - auf eine dauernde Gebrauchsüberlassung gerichtet war, ab dem 1. Januar 1976 aus den entsprechenden Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs ergab, so dass hier ein Mitbenutzungsrecht im Sinne von § 321 Abs. 1 ZGB entstanden wäre (so OG-DDR NJ 1989, 80, 81).

b) Es kann indes offen bleiben, ob zu DDR-Zeiten auf das hier maßgebliche Rechtsverhältnis die Vorschriften des Zivilgesetzbuchs oder die des Bürgerlichen Gesetzbuchs anzuwenden waren. Denn in beiden Fällen hat die Beklagte kein Recht an dem Grundstück der Kläger erlangt.

aa) Wenn die Vereinbarung aus dem Jahr 1934 als Gestattungsvertrag (§ 305 BGB a.F.) weiter galt, kann der Beklagten kein Recht an dem Grundstück der Kläger zustehen. Denn eine dingliche Sicherung des Leitungsrechts durch die Eintragung einer Grunddienstbarkeit unterblieb.

bb) Entstand aufgrund der Vereinbarung ein Mitbenutzungsrecht (§ 321 Abs. 1 ZGB), steht der Beklagten jetzt ebenfalls kein Recht an dem Grundstück der Kläger zu. Die Revision rügt nämlich mit Erfolg, dass das Berufungsgericht § 8 Abs. 1 Satz 1 GBBerG übersehen hat. Nach dieser Vorschrift erlischt ein nicht in dem Grundbuch eingetragenes Mitbenutzungsrecht mit dem Ablauf des 31. Dezember 1995, wenn nicht der Eigentümer vorher in notariell beurkundeter oder beglaubigter Form das Bestehen des Rechts anerkannt und seine Eintragung bewilligt oder der Inhaber des Rechts von dem Eigentümer die Abgabe dieser Erklärungen in einer zur Unterbrechung der Verjährung nach § 209 BGB a.F. geeigneten Weise verlangt hat. Die Frist ist durch § 13 Abs. 1 SachenR-DV bis zum Ablauf des 31. Dezember 2005, längstens jedoch bis zu dem Tag verlängert worden, seit dem der öffentliche Glaube des Grundbuchs für die in Art. 233 § 5 Abs. 1 EGBGB bezeichneten Mitbenutzungsrechte wieder in vollem Umfang gilt. Nach der letzten Änderung des Art. 233 § 5 Abs. 2 EGBGB durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Zweiten Eigentumsfristengesetzes vom 20. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2493) ist der öffentliche Glaube des Grundbuchs mit dem Ablauf des 31. Dezember 2000 in vollem Umfang wiederhergestellt; denn seit dem 1. Januar 2001 gelten die in Art. 233 § 5 Abs. 2 EGBGB bestimmten Ausnahmen von dem öffentlichen Glauben des Grundbuchs nicht mehr. Die Beklagte hätte deshalb bis zum Ablauf des 31. Dezember 2000 von den Klägern die formgerechte Anerkennung und die Bewilligung der Eintragung des - nach Ansicht des Berufungsgerichts bestehenden - Mitbenutzungsrechts erreichen oder die Bewilligung der Eintragung in einer zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten Form, insbesondere durch die Erhebung einer Klage, verlangen müssen (vgl. Senat, Urt. v. 28. März 2003, V ZR 271/02, WM 2003, 1911 f.). Das ist nicht geschehen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat zwar im Jahr 1999 die Verurteilung der Kläger zur Duldung des Betretens und der Benutzung des Grundstücks zum Zweck der Reparatur und Unterhaltung der Abwasserleitung verlangt. Aber diese Klage war auf §§ 19, 21 SächsNRG, hilfsweise auf ein Notleitungsrecht nach § 917 BGB und auf das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis, gestützt. Das alles setzte voraus, dass der Beklagten kein Mitbenutzungsrecht an dem Grundstück der Kläger zustand. Die Klage war deshalb nicht geeignet, die Verjährung eines Anspruchs auf Bewilligung der Eintragung eines bestehenden Mitbenutzungsrechts im Sinne von § 209 BGB a.F. zu unterbrechen (vgl. Senat, Urt. v. 28. März 2003, V ZR 271/02, WM 2003, 1911, 1912). Ein etwaiges Mitbenutzungsrecht der Beklagten wäre deshalb mit dem Ablauf des 31. Dezember 2000 erloschen.

2. Die Beklagte hat an dem Grundstück der Kläger auch kein Besitzrecht nach Art. 233 § 2a Abs. 1 Satz 1 Buchst. a EGBGB. Es fehlt an der dafür notwendigen Bereinigungslage nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz.

a) Das Besitzmoratorium nach Art. 233 § 2a Abs. 1 EGBGB ist nicht auf die sogenannten hängenden Fälle beschränkt, in denen die Nutzungsberechtigung zu DDR-Zeiten nicht den Vorschriften entsprechend abgesichert oder jedenfalls zweifelhaft war; vielmehr besteht es in dem Umfang, in welchem der Besitzer von dem Grundstückseigentümer nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz die Übertragung des Eigentums oder die Belastung des Grundstücks verlangen kann, bis zum Abschluss der Bereinigung (Senat, Urt. v. 25. Juli 2003, V ZR 2/03, VIZ 2004, 38, 39 m.w.N.). Die Beklagte kann jedoch nach § 116 Abs. 1 SachenRBerG nicht die Belastung des Grundstücks der Kläger mit einer Dienstbarkeit zur dinglichen Absicherung des Leitungsrechts verlangen.

b) Falls aufgrund der Vereinbarung aus dem Jahr 1934 am 1. Januar 1976 kein Mitbenutzungsrecht im Sinne von § 321 Abs. 1 ZGB begründet wurde, scheidet ein solcher Anspruch der Beklagten aus. Zwar wäre dies grundsätzlich ein Fall von § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG. Danach kann der Mitbenutzer von dem Grundstückseigentümer die Bestellung einer Dienstbarkeit verlangen, wenn - neben anderen Voraussetzungen - ein Mitbenutzungsrecht nach §§ 321, 322 ZGB nicht begründet wurde. Aber gleichwohl fehlte es hier an einer Bereinigungslage.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urt. v. 22. Oktober 2004, V ZR 70/04, ZOV 2005, 29 m.w.N.) sind nicht generell alle Störungen, die bei der Erschließung von Grundstücken im Beitrittsgebiet auftreten, nach § 116 SachenRBerG zu bereinigen, sondern nur solche Sachverhalte, bei denen die Mitbenutzung eines fremden Grundstücks zwar der zivilrechtlichen Absicherung entbehrte, aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde; entscheidend ist deshalb der Umstand, dass der Mitbenutzung zu DDR-Zeiten ein zumindest faktischer Schutz zukam.

bb) Ein solches lediglich de facto respektiertes Nutzungsverhältnis liegt hier nicht vor. Die Inanspruchnahme des heute den Klägern gehörenden Grundstücks für die Abwasserleitung des Nachbargrundstücks erfolgte aufgrund der im Jahr 1934 zwischen den Voreigentümern getroffenen Vereinbarung. Sie berechtigte und verpflichtete auch die Rechtsnachfolger der Vertragsschließenden, die zu DDR-Zeiten Grundstückseigentümer waren. Für die Rechtsnachfolger des Eigentümers, zu dessen Gunsten die Vereinbarung getroffen wurde, folgt dies aus § 328 Abs. 1 BGB i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 EGZGB bzw. aus § 441 ZGB i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 1 EGZGB; denn die Vereinbarung ist insoweit ein Vertrag zugunsten Dritter, weil die damaligen Eigentümer vereinbart hatten, dass nicht nur der seinerzeitige Eigentümer des heute den Beklagten gehörenden Grundstücks, sondern auch seine Rechtsnachfolger zu der Ableitung der Abwässer über das Nachbargrundstück berechtigt sein sollten. Die Rechtsnachfolger des Eigentümers, der die Benutzung seines Grundstücks für die Verlegung der Abwasserleitung gestattete, waren bis zu der Übertragung des Eigentums auf die Kläger nach 1990 als seine Erben seit 1978 nach § 409 ZGB an die von ihm eingeräumte Gestattung gebunden. Somit war die Mitbenutzung des Grundstücks der Kläger auch zu DDR-Zeiten zivilrechtlich gesichert. Ein DDR-typisches Vollzugsdefizit, welches zu einer Bereinigungslage führt, ist im Hinblick auf die rechtliche Sicherung nicht zu erkennen.

c) Aus demselben Grund fehlt es auch an einem Bereinigungsanspruch der Beklagten, wenn am 1. Januar 1976 ein Mitbenutzungsrecht im Sinne von § 321 Abs. 1 ZGB entstanden und mit Ablauf des 31. Dezember 2000 erloschen ist. Deshalb kann es dahingestellt bleiben, ob dem von § 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG erfassten Fall, dass kein Mitbenutzungsrecht begründet wurde, der Fall gleichsteht, dass zwar ein Mitbenutzungsrecht bestand, dieses aber später deshalb erlosch, weil weder der Berechtigte noch der Verpflichtete innerhalb der gesetzlichen Frist die Eintragung des Rechts in das Grundbuch herbeigeführt hat.

3. Eine schuldrechtliche Pflicht der Kläger, die Inanspruchnahme ihres Grundstücks für die Abwasserleitung zu dulden, ergibt sich nicht aus der Vereinbarung vom 19. Februar 1934. Sie haben ihr Grundstück von dem Erben desjenigen Voreigentümers erworben, der seinerzeit die Verlegung der Leitung gestattet hat. An diese Gestattung sind die Kläger nicht gebunden; denn schuldrechtliche Vereinbarungen begründen Rechte und Pflichten grundsätzlich nur für die Vertragsschließenden, nicht für ihre Rechtsnachfolger (vgl. Senat, Urt. v. 11. April 1975, V ZR 220/73, DNotZ 1976, 18, 19). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt zugunsten der Kläger nicht etwa deshalb, weil der damalige Grundstückseigentümer erklärt hat, dass die Vereinbarung auch für seine Rechtsnachfolger gelten solle. Einen solchen Vertrag zu Lasten Dritter kennt die Rechtsordnung, für die das Bürgerliche Gesetzbuch maßgeblich ist, nicht (siehe nur BGHZ 78, 369, 374 f.).

4. Da sich das Berufungsurteil weder aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO) noch die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO), ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Es hat nämlich - von seinem Standpunkt aus konsequent - bisher nicht geprüft, ob die Voraussetzungen der §§ 19 Abs. 1, 29 SächsNRG vorliegen. Das muss es nachholen.

Ende der Entscheidung

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