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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.2004
Aktenzeichen: V ZR 70/04
Rechtsgebiete: SachenRBerG
Vorschriften:
SachenRBerG § 116 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 22. Oktober 2004
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin Dr. Stresemann
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Zurückweisung der Revision im übrigen werden auf die Rechtsmittel der Kläger das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam vom 11. März 2004 und das Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 10. Mai 2001 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben bzw. abgeändert, als über den Antrag auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eines Wege- und Leitungsrechts erkannt worden ist.
Der Beklagte wird verurteilt, die Eintragung einer Grunddienstbarkeit zu bewilligen, mit der den jeweiligen Eigentümern des Grundstücks Flur 5 Flurstück 45 der Gemarkung D. , eingetragen im Grundbuch von D. Blatt , das Recht eingeräumt wird, die in der Skizze zum Messungsprotokoll vom 29. April 1921 mit den Punkten 2, 3, 4, 5 und 2 umschriebene Teilfläche des Grundstücks Flur 5 Flurstück 43/1 der Gemarkung D. , eingetragen im Grundbuch von D. Blatt , als Zugang zu ihrem Grundstück, zur Verlegung von Leitungen für die Ver- und Entsorgung sowie zur Errichtung und zum Betrieb einer Regenwassersammelgrube zu nutzen.
Von den Kosten des Rechtsstreits im ersten Rechtszug tragen die Kläger 2/3 und der Beklagte 1/3, von den Kosten des Berufungsverfahrens die Kläger 9/13 und der Beklagte 4/13 sowie von den Kosten des Revisionsverfahrens die Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in D. /Brandenburg. Die Kläger nutzen eine - 1921 vermessene - Teilfläche des Grundstücks des Beklagten als Zugang zu ihrem Grundstück und dem dort errichteten Wohnhaus; außerdem ragt in diesem Bereich eine von den Klägern genutzte Regenwassersammelgrube teilweise in das Grundstück des Beklagten hinein. Eine Mauer, welche die Teilfläche gegen sein übriges Grundstück abgrenzte, hat der Beklagte nach seinem Eigentumserwerb im Jahr 1996 teilweise abgetragen.
Die Kläger wurden auf Grund des notariellen Kaufvertrages vom 30. Januar 1985 Eigentümer ihres Grundstücks. Bereits die Voreigentümer und deren Rechtsvorgänger hatten die Teilfläche des Nachbargrundstücks in gleicher Weise genutzt.
Nach Abweisung weitergehender Klageanträge machen die Kläger gegen den Beklagten nur noch einen auf § 116 SachenRBerG gestützten Anspruch auf Bewilligung einer Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eines Wege- und Leitungsrechts und der Errichtung einer Stützmauer geltend. Amts- und Landgericht haben den hierauf gerichteten und zunächst nur hilfsweise geltend gemachten Klageantrag abgewiesen. Mit ihrer - in dem Berufungsurteil zugelassenen - Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgen die Kläger diesen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 116 SachenRBerG für nicht gegeben. Die Bewilligung einer Grunddienstbarkeit könne nur verlangt werden, wenn die Nutzung des fremden Grundstücks mit Billigung staatlicher Stellen erfolgt sei. Daran fehle es hier. Die Teilnahme der Bürgermeisterin an einer Grenzverhandlung im Jahr 1960 reiche zur Annahme einer Billigung nicht aus, weil die umstrittene Teilfläche anschließend mit dem jetzt dem Beklagten gehörenden Grundstück verschmolzen worden sei. Ebensowenig genüge die Genehmigung des Kaufvertrages durch den Rat des Bezirkes. Zwar sei durch diese Genehmigung auch die bestehende Erschließung des Grundstücks festgestellt worden. Da das Grundstück nach den Katasterunterlagen jedoch von der Straßenseite her erschlossen und der Zugang über das Nachbargrundstück nicht eindeutig zu entnehmen gewesen sei, könne im vorliegenden Fall keine staatliche Billigung angenommen werden.
Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
II.
1. Ohne Erfolg rügt die Revision allerdings, das Berufungsgericht hätte der Klage teilweise durch Anerkenntnisurteil stattgeben müssen. Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, daß der Beklagte während des Rechtsstreits erklärt hat, der Eintragung einer Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eines Leitungsrechts werde zugestimmt. Ein Anerkenntnis im prozessualen Sinne ist darin jedoch nicht zu sehen. Für ein solches ist eine Erklärung des Beklagten erforderlich, wonach er sich dem Klageanspruch als einem zu Recht bestehenden Anspruch unterwirft (BGHZ 10, 333, 335). Einem solchen Verständnis der Äußerung im vorliegenden Rechtsstreit steht der von dem Beklagten uneingeschränkt aufrechterhaltene Antrag auf Klageabweisung entgegen. So kann selbst eine vorbehaltlose Erfüllung der geltend gemachten Forderung durch den Beklagten nicht als Anerkenntnis angesehen werden, wenn der Beklagte weiterhin auf Abweisung der Klage besteht (BGH, Urt. v. 20. November 1980, VII ZR 49/80, NJW 1981, 686). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung über die Frage, ob der Erlaß eines Teil-Anerkenntnisurteils trotz des für die Vorinstanzen maßgebenden § 307 ZPO a.F. (vgl. § 26 Nr. 5 EGZPO) ohne entsprechenden Antrag der Kläger zulässig gewesen wäre.
2. Zu Recht wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, den Klägern stehe ein Anspruch auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit gemäß § 116 SachenRBerG schon dem Grunde nach nicht zu. Allerdings kann der Inhalt dieser Grunddienstbarkeit nicht vollständig dem Antrag der Kläger entsprechen und die Nutzung des Nachbargrundstücks zur Errichtung einer Stützmauer nicht umfassen.
a) Nicht in jeder Hinsicht zutreffend ist bereits der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts, das den Bereinigungsanspruch nach § 116 SachenRBerG davon abhängig machen will, daß die Benutzung eines fremden Grundstücks im Sinne des § 10 SachenRBerG mit Billigung staatlicher Stellen aufgenommen worden ist (so auch OLG Dresden, NJ 2002, 655, 656). Richtig ist zwar, daß nicht generell alle Störungen, die bei der Erschließung von Grundstücken im Beitrittsgebiet auftreten, nach § 116 SachenRBerG zu bereinigen sind (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, WM 2003, 1961, 1962). Der Senat hat deshalb Fälle, in denen schon zu DDR-Zeiten eine Schutzbedürftigkeit verneint worden wäre, ausgenommen und aus dem Zweck des Gesetzes hergeleitet, daß nur solche Sachverhalte bereinigt werden sollen, bei denen die Mitbenutzung eines fremden Grundstücks zwar der zivilrechtlichen Absicherung entbehrte, die aber nach der Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurden (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, aaO). Entscheidend ist daher nicht das im Einzelfall womöglich zu enge Verständnis des Berufungsgerichts, sondern der Umstand, daß der Mitbenutzung zu Zeiten der DDR ein zumindest faktischer Schutz zukam (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, aaO; Urt. v. 14. November 2003, V ZR 28/03, WM 2004, 1348, 1349).
b) Ein solches de facto respektiertes und mithin rechtsbeständiges Nutzungsverhältnis liegt hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts vor. Es erschließt sich aus dem vorliegenden Protokoll über die Grenzverhandlung vom 8. November 1960.
aa) Diese diente zur Vorbereitung einer Teilung des Nachbargrundstücks, aus der das inzwischen dem Beklagten gehörende Grundstück hervorgegangen ist. Ausweislich des in dem Protokoll genannten Zwecks der Grenzverhandlung erfolgte die Teilung, um der damaligen Eigentümerin die Veräußerung einer Teilfläche zu ermöglichen. Nach dem weiteren Inhalt des Protokolls sollte das für den Verkauf bestimmte Trennstück nicht die im vorliegenden Rechtsstreit umstrittene Fläche umfassen, die im Jahr 1921 - im Protokoll wohl versehentlich mit 1922 bezeichnet - vermessen worden war und zum damaligen Zeitpunkt unverändert von den Eigentümern des nun den Klägern gehörenden Nachbargrundstücks genutzt wurde. Obwohl diese Fläche - entgegen der im Protokoll vom 29. April 1921 enthaltenen Ankündigung, die Auflassung werde "bald" vorgenommen - noch immer nicht an die Rechtsvorgänger der Kläger übereignet war, sollte sie von der Verfügung der Eigentümerin ausgenommen bleiben. Dies läßt wegen der vor aller Augen liegenden Nutzung der nun im Streit befindlichen Fläche den Schluß darauf zu, daß ungeachtet der Eigentumslage die Nutzung durch die Eigentümer des benachbarten Grundstücks nicht durch eine Veräußerung der betroffenen Fläche gestört werden sollte und mithin als rechtmäßig angesehen wurde. Hierbei wurde die Nutzung nicht nur von der - an der Grenzverhandlung beteiligten - Eigentümerin des belasteten Grundstücks respektiert (vgl. dazu Eickmann, Sachenrechtsbereinigung [Stand: April 2004], § 10 Rdn. 3; auch Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, aaO, zur Duldung durch den Rechtsträger bei Mitbenutzung eines volkseigenen Grundstücks), sondern auch von der Kaufinteressentin, die ebenfalls anwesend war und das Protokoll unterzeichnete. Dafür, daß die Nutzung nach den DDR-typischen Gegebenheiten als rechtmäßig angesehen wurde, spricht zudem die Unterzeichnung des Protokolls durch die - an der Grenzverhandlung ebenfalls beteiligte - Bürgermeisterin der Gemeinde.
bb) Daß das umstrittene Areal - ausweislich der Mitteilung des Kataster- und Liegenschaftsamtes vom 7. August 1998 - in der Folgezeit gleichwohl in die Fläche des Trennstücks "eingeflossen" und damit letztlich in das Eigentum des Beklagten gelangt ist, vermag an dem Umstand einer schon zu DDR-Zeiten schutzwürdigen Mitbenutzung nichts zu ändern. Die geschilderten Vorgänge im Zusammenhang mit der Grenzverhandlung vom 8. November 1960 sind Indizien für das Vorliegen eines de facto respektierten Nutzungsverhältnisses. Die spätere Veräußerung der Fläche als Bestandteil des Trennstücks läßt den Fortbestand dieses - zuvor nur deutlicher zu Tage getretenen - faktischen Schutzes unberührt; denn die schutzwürdige Mitbenutzung muß sich zwangsläufig auf ein fremdes Grundstück beziehen.
c) Entgegen der Auffassung des Beklagten sind auch die weiteren gesetzlich geregelten Voraussetzungen des § 116 SachenRBerG erfüllt. Für die lange Zeit vor Ablauf des 2. Oktober 1990 (§ 116 Abs. 1 Nr. 1 SachenRBerG) begründete Mitbenutzung des Grundstücks des Beklagten ist unstreitig kein Mitbenutzungsrecht nach §§ 321, 322 ZGB-DDR eingeräumt worden (§ 116 Abs. 1 Nr. 3 SachenRBerG; vgl. dazu Eickmann, aaO, § 116 SachenRBerG Rdn. 6 f.; MünchKomm-BGB/Smid, 4. Aufl., § 116 SachenRBerG Rdn. 11 f.). Zudem ist die Mitbenutzung des Grundstücks des Beklagten im Sinne des § 116 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG erforderlich. Hierfür sind nicht die strengen Maßstäbe des Notwegerechts (§ 917 BGB) maßgebend, es reicht vielmehr aus, daß die Erschließung des Grundstücks der Kläger auf anderem Wege als dem der Mitbenutzung des betroffenen Grundstücks unverhältnismäßig kostspieliger, technisch aufwendiger oder anderweit belästigender wäre (Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, aaO, 1663). Diese Anforderungen sind im vorliegenden Fall für einzelne, nicht aber für alle der geltend gemachten Nutzungen zu bejahen, weshalb die Kläger auch nicht in vollem Umfang mit ihrem noch verfolgten Antrag durchdringen können.
aa) Das gilt zunächst für die Nutzung als Zugang zu dem Grundstück der Kläger. Derzeit kann das Haus der Kläger nur durch den auf der Rückseite des Gebäudes gelegenen Eingang erreicht werden. Nach dort kann nur gelangen, wer den Fußweg über die umstrittene Teilfläche des Nachbargrundstücks nutzt. Die Kläger müssen diesen Weg außerdem gehen, um von der Straße aus zu dem rückwärtigen Teil ihres Grundstücks zu gelangen. Zwar könnte durch Umbauten am Haus der Kläger ein anderer Zugang geschaffen werden, jedoch ist auch ohne Kenntnis der Einzelheiten offensichtlich, daß dies mit erheblichen Kosten verbunden wäre. Einer weiteren Aufklärung des hierfür erforderlichen Aufwandes bedarf es nicht, weil die Kläger im Fall einer Verlegung des Hauseingangs und ohne Inanspruchnahme fremden Eigentums den rückwärtig gelegenen Garten ihres Anwesens nur erreichen können, wenn sie ihr Wohnhaus durchqueren. Als Alternative müssen sich die Kläger auch nicht auf einen Abriß des - vor ihrem Eigentumserwerb noch zu DDR-Zeiten errichteten (vgl. dazu Senat, Urt. v. 9. Mai 2003, V ZR 388/02, aaO) - Verandaanbaus verweisen lassen, der mit einer Ecke an die Grundstücksgrenze stößt und damit den Zugang über das eigene Grundstück versperrt. Dies wäre für die Kläger nicht nur mit noch größeren finanziellen Lasten verbunden, sondern hätte zwangsläufig auch den Verlust von Wohnfläche zur Folge. All dies läßt eine veränderte Erschließung im Vergleich zum gegenwärtigen Zustand insgesamt unverhältnismäßig belästigender erscheinen.
bb) Gegen die Erforderlichkeit der Mitbenutzung zur Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen und zur Unterhaltung einer Regenwassersammelgrube hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben.
cc) Für die Errichtung einer Stützmauer hat demgegenüber bereits das Berufungsgericht die Erforderlichkeit verneint. Dies ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Selbst wenn zugunsten der Kläger von der Notwendigkeit einer Stützmauer ausgegangen wird, ist nicht zu ersehen und von den Klägern auch nicht vorgetragen, daß es erforderlich ist, für die Errichtung einer solchen Stützmauer die umstrittene Teilfläche des Nachbargrundstücks in Anspruch zu nehmen.
3. Im Umfang der Anfechtung kann das Urteil des Berufungsgerichts mithin nur insofern Bestand haben, als der Antrag der Kläger auf Bestellung einer Grunddienstbarkeit für die Errichtung einer Stützmauer abgewiesen worden ist. Soweit das Berufungsurteil aufzuheben ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden, weil der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Verurteilung des Beklagten, eine Grunddienstbarkeit zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Nachbargrundstücks zu bestellen. Hierbei war entsprechend dem Antrag der Kläger und gemäß dem Umfang der de facto respektierten Nutzung die Ausübungsstelle zu bezeichnen (vgl. Senat, Beschl. v. 6. März 1981, V ZB 2/81, NJW 1981, 1781).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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