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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 17.07.2009
Aktenzeichen: V ZR 95/08
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, GG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 909
ZPO § 144 Abs. 1
GG Art. 13
Unter den Begriff der Wohnung im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO fallen auch nicht allgemein zugängliche Nebengebäude und Garagen.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 17. Juli 2009

durch

den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger,

die Richter Dr. Klein und Dr. Schmidt-Räntsch,

die Richterin Dr. Stresemann und

den Richter Dr. Roth

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 10. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist Haftpflichtversicherer der F. AG, die als Generalunternehmerin die schlüsselfertige Herstellung eines unmittelbar an ein Nachbargrundstück angrenzenden Wohnhauses zu erbringen hatte. Mit der Planung und der Bauüberwachung waren die beklagten Architekten beauftragt. Nach deren Vorgaben sollte das Fundament des Nachbargebäudes im Grenzbereich der Grundstücke im Wege des "Düsenstrahlverfahrens" durch Betoneinspritzung unterfangen werden. In Abweichung hiervon beauftragte die Generalunternehmerin jedoch die Fa. S. (Fa. S. ) mit der Herstellung einer Bohrpfahlwand zur Abstützung des auf dem Nachbargrundstück befindlichen Wohngebäudes, die auch die diesbezüglichen Statikerleistungen erbrachte; für die Erdaushubarbeiten und für die Herstellung der Baugrubensohle war eine weitere Subunternehmerin eingeschaltet worden. Vor Ausführung der Gründungsarbeiten war wegen des Zustandes des Nachbargebäudes ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. 3

Bei den am 8. August 1995 begonnenen Erdaushubarbeiten wurde die Baugrube entgegen den Vorgaben der Beklagten zu tief ausgeschachtet. Dies bemerkten die Beklagten noch am selben Tage und ordneten eine Verfüllung und Verdichtung der Baugrube bis zur Fundamentoberkante an. Darüber hinaus veranlassten sie, dass der grenzüberschreitende Fundamentüberstand des Nachbargebäudes am 11. und 12. August 1995 durch Absägen von etwa 25 cm auf 10 cm verkürzt wurde. Am 23. August 1995 brachte die Fa. S. zur Errichtung der Betonpfahlwand Eisen als Bewehrung durch "Einrütteln" ein. Zwei Tage später wurden am Nachbarhaus in verschiedenen Bereichen erhebliche Rissbildungen festgestellt.

Nach ihrer Behauptung hat die Klägerin Ansprüche der Geschädigten des Nachbargrundstücks in Höhe von insgesamt 355.815,17 EUR reguliert. Unter Berücksichtigung einer Mithaftung der Generalunternehmerin von 50 % verlangt sie von den Beklagten aus übergegangenem Recht im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs 177.907,58 EUR nebst Zinsen erstattet. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der von dem Senat wegen grundsätzlicher Bedeutungzugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Die Beklagten beantragen

die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht meint, es bestünden keine auf die Klägerin übergegangenen Schadensersatzansprüche der Geschädigten. Die zu tiefe Ausschachtung hätten die Beklagten nicht zu vertreten. Diese hätten keinen Anlass für die Annahme gehabt, dass die Fa. S. die Fundamentunterkante unterschreiten würde. Noch am Tage der zu tiefen Ausschachtung hätten die Beklagten die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen veranlasst. Anders als bei der Nichtbeachtung konkreter Ausführungsvorgaben führe der unterstellte Verstoß gegen die in Nr. 5 der DIN 4123 (Ausgabe Mai 1972) aufgeführten Un-4 tersuchungs- und Erkundigungspflichten nicht zur Annahme eines Anscheinsbeweises dafür, dass die Ursächlichkeit des Verstoßes vermutet werde. Dass die Kürzung des Fundaments ursächlich für die Schäden gewesen sei, habe die Klägerin nicht bewiesen. Die fortbestehenden Unsicherheiten hinsichtlich der für eine weiterführende sachverständige Begutachtung erforderlichen Anknüpfungstatsachen gingen zu Lasten der beweispflichtigen Klägerin. Diese könnten auch nicht durch eine gerichtliche Anordnung nach § 144 ZPO ausgeräumt werden. Sei eine Wohnung betroffen, könne die Anordnung einer Begutachtung nur mit der - hier verweigerten - Zustimmung der Eigentümer und Mieter ergehen. Unter den Begriff der Wohnung fielen auch zu einem Wohngebäude gehörende Garagen und Nebengebäude.

II.

Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat zu Recht Ansprüche der Geschädigten gegen die Beklagten verneint, die auf die Klägerin nach § 67 VVG a.F. übergegangen sein könnten. Die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 1; 823 Abs. 2 i.V.m. § 909 BGB liegen nicht vor.

1.

Im Zusammenhang mit dem zu tiefen Aushub der Baugrube liegt schon nicht die Verletzung einer allgemeinen Verhaltenspflicht der beklagten Architekten vor, wie sie - unabhängig von vertraglichen Beziehungen - im Interesse des Eigentümers eines Nachbargründstücks besteht (vgl. Senat , Urt. v. 22.10.2004, V ZR 310/03, NZM 2005, 239).

a)

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist die zu tiefe Ausschachtung "entgegen den Vorgaben der Beklagten" erfolgt. Dass das Berufungsgericht diese Feststellung verfahrensfehlerhaft getroffen hätte, legt die Revision schon nicht dar. Insbesondere zeigt sie kein dem entgegen stehendes Vorbringen in den Tatsacheninstanzen auf. Im Übrigen haben die Beklagten noch am Tage des fehlerhaften Aushubs das Erforderliche veranlasst und damit 5 auch den sie im Zusammenhang mit der Bauaufsicht treffenden Sorgfaltsanforderungen genügt. Soweit die Revision behauptet, der Boden sei unstreitig nicht wieder ordnungsgemäß verdichtet worden, verweist sie ebenfalls auf keinen dahin gehenden Tatsachenvortrag in den Vorinstanzen. Sie zeigt auch kein Vorbringen auf, aufgrund dessen die Beklagten eine nicht ordnungsgemäße Verdichtung hätten bemerken müssen. Gleiches gilt nicht nur im Hinblick auf eine etwaige Verletzung der die Beklagten treffenden Verpflichtung, die Herstellung der Betonpfahlwand zu überwachen, sondern auch, soweit das Berufungsgericht der Sache nach angenommen hat, die Klägerin habe die Ursächlichkeit des (unterstellten) Verstoßes gegen Untersuchungs- und Erkundigungspflichten nach DIN 4123 nicht ausreichend dargelegt. Entgegen der Auffassung der Revision liegt dem eine zutreffende Beurteilung der Darlegungslast zugrunde.

b)

Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Beschädigung des Nachbargrundstücks auf ein Verhalten der beklagten Architekten zurückzuführen ist. Das gilt auch, soweit es um Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2, 909 BGB geht. Dass eine Mitwirkung an einer Vertiefung ursächlich geworden ist für den Stützverlust des Nachbargrundstücks, hat der Anspruchsteller darzulegen und zu beweisen (vgl. nur PWW/Lemke, BGB, 4. Aufl., § 909 BGB 40 f.; Staudinger/Roth [2002], BGB, § 909 Rdn. 61). Erst wenn diese Kausalität feststeht, muss sich der Inanspruchgenommene entlasten, indem er den Nachweis führt, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt worden ist (PWW/Lemke, aaO).

Der von dem Berufungsgericht unterstellte Verstoß gegen Untersuchungs- und Erkundigungspflichten nach DIN 4123 führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Das Berufungsgericht legt zutreffend zugrunde, dass ein Verstoß gegen eine DIN-Norm je nach deren Zweck eine tatsächliche Vermutung dafür begründen kann, dass Schäden bei Beachtung der Vorschrift ausgeblieben wären (BGH, Urt. v. 13. März 2001, VI ZR 142/00, NJW 2001, 2019, 2020; vgl. auch BGH, Urt. v. 27. April 1999, VI ZR 174/98, NJW 1999, 6 2593, 2594). Soweit es diesen Grundsatz sodann für den vorliegenden Sachbereich dahin konkretisiert, dass aus einem Verstoß gegen Untersuchungs- und Erkundigungspflichten - anders als bei DIN-Vorschriften, die eine bestimmte Ausführungsweise vorgeben - nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Schluss gezogen werden könne, der eingetretene Schaden beruhe auf der Verletzung der DIN-Norm, kann offen bleiben, ob das zu überzeugen vermag. Denn die aus einer tatsächlichen Vermutung folgende Beweiserleichterung greift jedenfalls dann nicht (mehr) ein, wenn ein weiterer - ebenfalls in engem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Schaden stehender - Umstand ernstlich als Schadensursache in Betracht kommt. So liegt es hier. Insbesondere das "Einrütteln" der Eisenträger stellt eine von einem anderen potentiellen Schädiger gesetzte - ernstlich in Betracht kommende - Schadensursache dar. Die Arbeiten wurden unstreitig am 23. August 1995 vorgenommen. Bereits zwei Tage später traten an dem Nachbarhaus erhebliche Rissbildungen zutage.

2.

Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe im Zusammenhang mit den von den Beklagten veranlassten Fundamentkürzungen verfahrensfehlerhaft davon abgesehen, die für eine weitere Begutachtung notwendigen Erkundigungsbohrungen im Garagenbereich des Nachbargrundstücks nach § 144 ZPO anzuordnen. Einer solchen Anordnung steht die von den Eigentümern des Nachbargrundstücks und deren Mietern verweigerte Zustimmung entgegen. Eine zu einem Wohngebäude gehörende Garage unterfällt dem Schutzbereich des § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Das hat zur Folge, dass die für eine Begutachtung erforderlichen Bohrungen nur mit Zustimmung der betroffenen Eigentümer bzw. Mieter zulässig sind.

Der Gesetzgeber hat sich bei der Bestimmung der Reichweite der in § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO normierten Duldungspflicht an dem Wohnungsbegriff des Art. 13 GG orientiert (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 79), der weit - im Sinne einer Abschirmung der Privatsphäre in räumlicher Hinsicht - auszulegen ist 7 (vgl. BVerfGE 32, 54, 72 ; 75, 318, 328 ; 89, 1, 12 ; 97, 228, 265 ; 109, 279, 309; BGHSt 44, 138, 140 ; BGH, Beschl. v. 14. März 1997, 1 BGs 65/97, NJW 1997, 2189; Papier in Maunz/Dürig, GG [2009], Art. 13 Rdn. 10 f. m.w.N.; wohl ebenso für § 144 ZPO Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 144 Rdn. 25). Demgemäß werden von diesem Schutz nicht nur Wohnungen im umgangssprachlichen Sinne erfasst, sondern auch nicht allgemein zugängliche Nebengebäude (vgl. nur Jarass in Jarass/Pieroth, 10. Aufl., Art. 13 GG Rdn. 4 m.w.N.), wozu auch Garagen gehören (Papier, aaO, Rdn. 10). Vor diesem Hintergrund erscheint es - entgegen der Auffassung der Revision - nicht sachgerecht, die Auslegung des Wohnungsbegriffes des § 144 Abs. 1 Satz 3 ZPO von dem Begriffsverständnis des Art. 13 GG abzukoppeln (Stein/Jonas/Leipold, aaO; vgl. auch Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 144 Rdn. 1). Dies gilt umso mehr, als in den Schutzbereich dieses Grundrechts auch durch das Betreten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen eingegriffen wird (vgl. BVerfGE 75, 318, 326) . 8 III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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