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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.05.1998
Aktenzeichen: VI ZB 10/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234 A
ZPO § 234 A

Die Grundsätze über die Unzulässigkeit nachgeschobenen Vorbringens gelten auch für die Darlegung der Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrags.

BGH, Beschluß vom 12. Mai 1998 - VI ZB 10/98 - OLG Frankfurt a.M. LG Wiesbaden


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 10/98

vom

12. Mai 1998

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler und Dr. Greiner

am 12. Mai 1998

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert wird auf 43.874,44 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das ihr am 23. Mai 1997 zugestellte klageabweisende Urteil des Landgerichts ging am 24. Juni 1997, einem Dienstag, bei Gericht ein. Die formularmäßige Mitteilung der Geschäftsstelle über das Eingangsdatum der Rechtsmittelschrift ging dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 7. Juli 1997 zu. Nach Eingang der Berufungsbegründung wies der Senatsvorsitzende mit Verfügung vom 18. Juli 1997, die dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 24. Juli 1997 zuging, darauf hin, daß gegen die Zulässigkeit der Berufung Bedenken bestünden. Daraufhin beantragte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit einem am 28. Juli 1997 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte erneut Berufung ein. Zur Begründung trug der Anwalt unter Vorlage von zwei eidesstattlichen Versicherungen von Kanzleiangestellten vor, der seit 25 Jahren in der Kanzlei tätige vorbildhaft zuverlässige Rechtsanwalts- und Notargehilfe K. habe es entgegen entsprechender Anweisungen versäumt, die Berufungsfrist nebst Vorfrist im handschriftlich geführten Termin- und Fristenkalender sowie im Zwei-Computer-Kontrollsystem einzutragen. Dieser Fehler sei jedoch für den verspäteten Eingang der Berufungsschrift bei Gericht nicht ursächlich geworden, vielmehr beruhe die Versäumung der Frist darauf, daß die Berufungsschrift erst fünf Tage nach Abgabe bei dem Postamt bei Gericht eingegangen sei, während die normale Postlaufzeit ein bis zwei Tage betrage. Diesen Schriftsatz nahm der Senatsvorsitzende zum Anlaß, den Anwalt darauf hinzuweisen, daß auch die Einhaltung der Zwei-Wochen-Frist des § 234 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen sei. Daraufhin trug der Anwalt vor, daß ihm die Versäumung der Berufungsfrist erst bei Eingang der Mitteilung des Senatsvorsitzenden vom 18. Juli 1997 bekannt geworden sei; auf der Grundlage der Mitteilung der Geschäftsstelle über den Eingang der Berufungsschrift sei eine Kontrolle der Berufungsfrist nicht möglich gewesen, weil diese Frist entgegen ausdrücklicher Anweisung nicht notiert gewesen sei.

Das Oberlandesgericht hat sowohl den Wiedereinsetzungsantrag als auch die Berufung als unzulässig verworfen. Die Klägerin habe die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist des § 234 Abs. 1 ZPO versäumt. Diese Frist habe gemäß § 234 Abs. 2 ZPO nicht erst ab Mitteilung des Senatsvorsitzenden über die Versäumung der Berufungsfrist, sondern bereits bei Eingang der schriftlichen Mitteilung über das Eingangsdatum der Berufungsschrift und damit am 7. Juli 1997 zu laufen begonnen. Bereits an diesem Tage sei für den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt die Fristversäumung erkennbar gewesen. Die gerichtliche Eingangsmitteilung sei aber entgegen ihrer Zweckbestimmung in der Anwaltskanzlei nicht zum Anlaß genommen worden, die Rechtzeitigkeit der Rechtsmitteleinlegung zu überprüfen. Eine solche Überprüfung, die der Prozeßbevollmächtigte auch geeignetem Büropersonal habe überlassen dürfen, hätte zu der Feststellung geführt, daß die Eintragung der Berufungsfrist versäumt worden war; die darauf vorzunehmende Überprüfung der Handakten hätte ergeben, daß die Berufungsfrist nicht gewahrt war. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin habe jedoch selbst nicht behauptet, daß er durch entsprechende Organisationsanweisungen für seine Kanzlei sichergestellt habe, daß bei Eingang einer gerichtlichen Empfangsbestätigung das darauf vermerkte Eingangsdatum sogleich im Hinblick auf die Fristwahrung überprüft werde, oder daß eine solche gerichtliche Eingangsmitteilung unverzüglich ihm selbst mit den Handakten zur Fristüberprüfung vorgelegt werde. Dieser Organisationsfehler lasse die über den 7. Juli 1997 hinausreichende Unkenntnis von der Fristversäumung nicht mehr als unverschuldet im Sinne von § 233 ZPO erscheinen, so daß der Wiedereinsetzungsantrag schon wegen verschuldeter Nichtwahrung der Einspruchsfrist des § 234 ZPO unzulässig sei.

Gegen diesen am 29. Januar 1998 zugestellten Beschluß richtet sich die am 12. Februar 1998 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.

II.

Das form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Oberlandesgericht geht zu Recht davon aus, daß es zu den Pflichten eines Anwalts gehört, bei Zugang einer gerichtlichen Mitteilung über das Eingangsdatum einer Rechtsmittelschrift anhand dieser Mitteilung zu überprüfen oder durch geeignetes Büropersonal überprüfen zu lassen, ob die Rechtsmittelschrift rechtzeitig bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Beschluß vom 13. Mai 1992 - VIII ZB 3/92 - NJW 1992, 2098, 2099), und daß diesbezügliche Organisationsversäumnisse dem Anwalt zum Verschulden gereichen. Dies stellt die Klägerin auch nicht in Frage. Vielmehr wendet sie sich dagegen, daß das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, daß in der Kanzlei ihres Prozeßbevollmächtigten infolge eines Organisationsmangels die Überprüfung der Fristwahrung nach dem Eingang gerichtlicher Mitteilungen über das Eingangsdatum von Rechtsmittelschriften nicht gewährleistet und deshalb die Unkenntnis über die Versäumung der Berufungsfrist ab dem Eingang der Mitteilung nicht mehr unverschuldet, das Hindernis i.S. des § 234 Abs. 2 also beseitigt gewesen sei. Sie macht unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten und der Kanzleiangestellten K. geltend, daß es Aufgabe dieser seit über zehn Jahren beanstandungsfrei in der Kanzlei arbeitenden Mitarbeiterin sei, in Fristsachen unmittelbar nach Eingang gerichtlicher Mitteilungen anhand der Akten und der Fristenliste zu kontrollieren, ob die einzuhaltenden Fristen gewahrt worden seien; im Fall von Unklarheiten setze sich Frau K., die über die Bedeutung der einzuhaltenden Fristen genauestens informiert und durch unregelmäßige Kontrollen entsprechend sensibilisiert sei, mit der jeweiligen Geschäftsstelle des Gerichts in Verbindung oder halte mit dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt Rücksprache. Daß sie in vorliegendem Fall nicht die übliche Fristenkontrolle durchgeführt habe, sei unverständlich.

Auf dieses Vorbringen kann die Beschwerde nicht gestützt werden, weil es nicht rechtzeitig in das Wiedereinsetzungsverfahren eingeführt worden ist. Nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO müssen alle Tatsachen, die für die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung sein können, innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist vorgetragen werden. Zu diesen Tatsachen gehören auch diejenigen, die die Einhaltung der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO ergeben (BGHZ 5, 157, 160). Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten gewesen wäre, dürfen nach Fristablauf erläutert oder vervollständigt werden (Senatsbeschlüsse vom 9. Juli 1985 - VI ZB 10/85 - VersR 1985, 1184, 1185 und vom 4. Oktober 1988 - VI ZB 21/88 - VersR 1989, 165, 166). In diesem Rahmen hält sich das Beschwerdevorbringen jedoch nicht. Es hat vielmehr einen neuen Tatsachenvortrag über büroorganisatorische Maßnahmen in der Kanzlei des Prozeßbevollmächtigten zum Gegenstand, auf deren fehlende Darlegung in der Vorinstanz das Oberlandesgericht die Versäumung der Antragsfrist und infolgedessen die Unzulässigkeit des Wiedereinsetzungsbegehrens gestützt hat. Nach Ablauf der Antragsfrist nachgeschobene Tatsachen, die nicht der Erläuterung oder Ergänzung fristgerecht geltend gemachter Wiedereinsetzungsvoraussetzungen dienen, müssen indessen unberücksichtigt bleiben (vgl. die genannten Senatsbeschlüsse sowie den Senatsbeschluß vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97 - VersR 1997, 895; ferner BGH, Beschlüsse vom 26. November 1991 - XI ZB 10/91 - NJW 1992, 697 und vom 20. Mai 1992 - XII ZB 43/92 - BGHR-ZPO § 234 Abs. 1 - Begründung 6).

Ende der Entscheidung

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