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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.07.1999
Aktenzeichen: VI ZB 10/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 10/99

vom

6. Juli 1999

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 1999 durch den Vorsitzenden Richter Groß und die Richter Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler und Dr. Greiner

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. Februar 1999 aufgehoben.

Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

Der Beschwerdewert wird auf 4.435,88 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Klägerin ist das teilweise klagabweisende Urteil des Landgerichts am 30. Oktober 1998 zugestellt worden. Mit am 25. November 1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat sie mitgeteilt, daß sie wegen der Klagabweisung in Höhe von 4.435,88 DM Berufung einlegen wolle und nicht imstande sei, die Kosten für das Berufungsverfahren aus eigenen Mitteln aufzubringen. Sie hat deshalb Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Berufung beantragt und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt sowie für die Erfolgsaussichten auf den gleichfalls beigefügten Entwurf einer Berufungsbegründung verwiesen. Mit am 1. Februar 1999 zugestelltem Beschluß vom 25. Januar 1999 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen, weil die Klägerin die Kosten der Prozeßführung selbst aufbringen könne und hierfür erforderlichenfalls auch ihr Vermögen einsetzen müsse. Am 10. Februar 1999 hat die Klägerin Berufung eingelegt und beantragt, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung zu gewähren, da sie durch ihre Bedürftigkeit an der Fristwahrung gehindert gewesen sei und nicht mit der Ablehnung ihres Prozeßkostenhilfeantrags habe rechnen müssen. Mit Beschluß vom 15. Februar 1999 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen, weil es der Klägerin habe bewußt sein müssen, daß ihr Antrag auf Prozeßkostenhilfe keinen Erfolg haben werde. In Anbetracht ihres sonstigen Vermögens von knapp 400.000 DM sei ihr jedenfalls zumutbar gewesen, ihr Sparguthaben von 3.000 DM zur Deckung der Kosten des Berufungsverfahrens einzusetzen. Gegen diesen am 23. Februar 1999 zugestellten Beschluß wendet sich die Klägerin mit der am 5. März 1999 eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO verneint.

1. Nach dieser Vorschrift ist einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden an der Fristwahrung gehindert war. Beruft sich die Partei darauf, sie sei durch Armut an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert gewesen, so kommt nach Ablehnung eines Prozeßkostenhilfegesuchs mangels hinreichender Darlegung der Mittellosigkeit Wiedereinsetzung nur in Betracht, wenn die Partei vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung ihres Antrags aus diesem Grunde rechnen mußte (Senatsbeschluß vom 18. Februar 1992 - VI ZB 49/91 - VersR 1992, 897, 898 m.w.N.; BGH, Beschlüsse vom 13. Januar 1993 - XII ZR 21/92 - FamRZ 1993, 688 und vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097, 2098).

2. Diese Voraussetzung für die Wiedereinsetzung hat das Berufungsgericht mit der Erwägung verneint, daß es der Klägerin in Anbetracht ihres Grundvermögens, des Wertes der Lebensversicherung und des Bausparguthabens von insgesamt knapp 400.000 DM habe bewußt sein müssen, daß sie ihr Sparguthaben von 3.000 DM zur Deckung der Kosten des Berufungsverfahrens einzusetzen habe. Dem vermag der erkennende Senat nicht zu folgen.

Es bedarf keiner abschließenden Beurteilung, ob der Klägerin angesichts der von ihr dargelegten Einkommens- und Vermögensverhältnisse Prozeßkostenhilfe zu bewilligen gewesen wäre. Insoweit konnte das Berufungsgericht zwar mit Recht davon ausgehen, daß Einkommen und Vermögen in keinem Rangverhältnis stehen, so daß ein hinreichendes Einkommen ebenso wie einsetzbares Vermögen zur Versagung von Prozeßkostenhilfe führen kann. Das Berufungsgericht hat auch nicht verkannt, daß der Einsatz von Vermögen nur dann in Betracht kommt, wenn dies der Partei zugemutet werden kann (vgl. § 115 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 88 BSHG).

Indessen hat das Berufungsgericht die Zumutbarkeit im Hinblick darauf bejaht, daß die Klägerin in Anbetracht ihres sonstigen Vermögens ihr Sparguthaben von 3.000 DM zur Deckung der Prozeßkosten einzusetzen habe. Ob dies richtig ist, erscheint zweifelhaft, weil dem Antragsteller grundsätzlich kleinere Barbeträge zu belassen sind und das hier in Rede stehende Sparguthaben diese Schongrenze, die derzeit bei 4.500 DM gesehen wird (vgl. Zöller, ZPO, 21. Aufl., § 115 Rdn. 50, 57 m.w.N.), wesentlich unterschreitet. Ob die übrigen Vermögenswerte der Klägerin ausnahmsweise den Einsatz des Sparguthabens zumutbar gemacht hätten, wie das Berufungsgericht meint, kann dahinstehen. Für die Entscheidung, ob ihr nach den oben dargestellten Grundsätzen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen war, kommt es nämlich ausschließlich darauf an, ob sie sich für bedürftig halten durfte. Dies könnte nur dann verneint werden, wenn für sie bzw. ihren Prozeßbevollmächtigten erkennbar war, daß das Vermögen zur Deckung der Prozeßkosten eingesetzt werden mußte. Ist jedoch schon in objektiver Hinsicht zweifelhaft, ob das Sparguthaben hierfür verwendet werden mußte, so kann jedenfalls nicht angenommen werden, daß dies der Klägerin bzw. ihrem Prozeßbevollmächtigten bewußt war. Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts vermag aus den dargelegten Gründen nicht zu überzeugen.

Daß es der Klägerin zumutbar gewesen wäre, ihre übrigen Vermögenswerte - nämlich Grundvermögen, Lebensversicherung und Bausparguthaben - zur Deckung der Prozeßkosten einzusetzen bzw. zu verwerten, nimmt auch das Berufungsgericht nicht an, sondern begründet die Versagung von Wiedereinsetzung ausschließlich mit der Zumutbarkeit einer Einsetzung des Sparguthabens, was aus den dargelegten Gründen nicht richtig ist. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner näheren Darlegung, daß die Klägerin auch nicht damit rechnen mußte, daß sie das übrige Vermögen verwerten müsse, sondern sie auch insoweit jedenfalls zunächst von ihrer Bedürftigkeit ausgehen konnte.

Ende der Entscheidung

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