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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 29.06.2004
Aktenzeichen: VI ZB 11/04
Rechtsgebiete: ZPO, GKG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 2
ZPO § 3
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
GKG § 12
GKG § 12 Abs. 2
BRAGO § 8 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 11/04

vom

29. Juni 2004

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr am 29. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 22. Januar 2004 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Gebührenstreitwert: bis 600 €

Gründe:

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 575, 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nicht zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 ZPO) erfordert hier keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

a) Zwar kann das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot eines fairen Verfahrens (vgl. dazu BVerfGE 78, 123, 126 f.; 93, 99, 113 ff.) verletzt sein, wenn ein gerichtlicher Hinweis fehlerhaft so verlautbart wird, daß eine Partei - wie hier infolge der versehentlichen Auslassung des Wortes "nicht" in dem Hinweis "eine Streitwertfestsetzung durch das Amtsgericht wäre für die Kammer bindend" - irregeführt wird. Auch mag sein, daß ein solcher fehlerhafter Hinweis - sofern das Gericht die Fehlerhaftigkeit erkennen konnte - vor der abschließenden Entscheidung einen Hinweis des Gerichts geboten hätte und ohne einen solchen (berichtigenden) Hinweis eine Überraschungsentscheidung und eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Oktober 1993 - 1 BvR 10/99 - NJW 2003, 3687) zu bejahen wäre.

b) Die Rechtsbeschwerde ist aber unzulässig, weil diese Fragen nicht entscheidungserheblich sind, wie das erforderlich wäre (vgl. BGHZ 152, 182, 194; BGH, Beschluß vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03 - z.V. in BGHZ bestimmt). Die Entscheidung abstrakter, vom Einzelfall losgelöster Rechtsfragen ist weder Aufgabe des Revisions- noch des Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. BGH, Beschluß vom 12. Februar 2004 - V ZR 247/03 - NJW 2004, 1167, 1168). Das Berufungsgericht hat den Wert des Beschwerdegegenstandes für die Berufung des Beklagten auf 600 € bemessen (§§ 2, 3, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Rechtsbeschwerde vermag hierzu keinen Ermessensfehler des Berufungsgerichts bei der Bestimmung des Wertes des Beschwerdegegenstandes aufzuzeigen; ein solcher ist auch nicht ersichtlich.

aa) Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Berufung wird gemäß §§ 2, 3 ZPO vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt. Er ist nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu bestimmen (vgl. BGHZ 23, 205, 207; 128, 85, 87 ff.). Im hier zu entscheidenden Fall bemißt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Berufung des Beklagten, soweit dieser im ersten Rechtszug unterlegen ist, mithin nach dem Wert seines Interesses daran, die ihm untersagte Behauptung, der Kläger habe das Wohnhaus des Beklagten angestemmt und beschädigt, gegenüber Dritten weiterhin aufstellen zu dürfen. Zu diesem Interesse hat der Beklagte Wertangaben nicht gemacht. Vielmehr hat er selbst eine Wertangabe als "willkürlich" bezeichnet. Im übrigen hat er sich auf den Beschluß des Amtsgerichts berufen, mit dem der Streitwert auf 2.000 € festgesetzt worden ist. Dieser Beschluß umfaßte aber auch den Teil des Rechtsstreits, in dem der Beklagte obsiegt hatte, und erging lediglich zum Streitwert für die Gerichtsgebühren (vgl. § 12 GKG), ohne eine Aussage zum Interesse des Beklagten an der Wiederholung der untersagten Äußerung zu treffen.

Der Umstand, daß der Beklagte entsprechend seinem Vortrag vom Kläger in der Vergangenheit mit mehreren Rechtsstreitigkeiten überzogen worden ist, rechtfertigt gleichfalls keine höhere Bewertung. Aus welchem Grund das Interesse der Dorfgemeinschaft am Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits einen Wert dieses Interesses von mehr als 600 € bedingt, haben weder die Rechtsbeschwerde noch der Beklagte dargetan. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Beschädigung des Hauses ist - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht davon abhängig, ob der Beklagte die untersagte Behauptung gegenüber Dritten wiederholen darf. Sowohl die Rechtsverteidigung des Beklagten wie auch ein mögliches Schadensersatzverlangen des Klägers werden hierdurch nicht beeinflußt.

bb) Schließlich kann sich die Rechtsbeschwerde auch nicht mit Erfolg auf § 12 GKG berufen. Diese gesetzliche Bestimmung kann hier keine Anhaltspunkte für den Wert des Beschwerdegegenstandes geben.

§ 12 Abs. 2 GKG regelt - wie erwähnt - den Streitwert für die Gerichtsgebühren in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten (§ 12 Abs. 2 Satz 1 GKG). Er stellt keinen Regelstreitwert auf und enthält lediglich eine Höchstgrenze (§ 12 Abs. 2 Satz 4 GKG). Ein Mindestwert ist nur für Kindschaftssachen und bestimmte Scheidungsfolgesachen (§ 12 Abs. 2 Satz 3 GKG) vorgesehen.

Auch die von der Rechtsbeschwerde angeführten Literaturmeinungen befassen sich nicht mit dem Wert des Beschwerdegegenstandes einer Berufung des Beklagten. Die Sonderregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO betrifft den Gegenstandswert für die Anwaltsgebühren und schreibt zudem vor, daß der Gegenstandswert "nach Lage des Falles niedriger oder höher" anzunehmen sei (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 3 Rn. 16 "Ehre").

Der Gebührenstreitwert von 2.000 € war hier reichlich bemessen und hätte angesichts der Bedeutung der Sache auch erheblich geringer angesetzt werden können (vgl. Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 1192).

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 2. März 1998 (9 AZR 61/96 - JurBüro 1998, 647 f.) ist für die hier einschlägige Fassung der §§ 12, 13 GKG gleichfalls nichts zugunsten des Beklagten zu entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, daß der Beklagte in besonderem Maße - etwa als Repräsentant einer berufsständischen Vereinigung - in der Öffentlichkeit gestanden wäre.

3. Nach allem hat der Beklagte keinen Ermessensfehler des Berufungsgerichts bei der Wertbemessung dargetan und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist nicht erfordert. Die Rechtsbeschwerde ist deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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