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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.03.2009
Aktenzeichen: VI ZB 14/08
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91a | |
ZPO § 93 |
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 17. März 2009
durch
die Vizepräsidentin Dr. Müller,
den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen,
den Richter Pauge und
die Richterin von Pentz
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 27. Dezember 2007 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 22.000 EUR
Gründe:
I.
Das Beschwerdegericht hat eine sofortige Beschwerde des Beklagten gegen einen Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg zurückgewiesen. Dem angefochtenen Beschluss ist zu entnehmen, dass es um die Anwendung des § 93 ZPO im Rahmen einer Entscheidung nach § 91a ZPO geht, wenn der Insolvenzverwalter einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gegen den Schuldner anhängigen Rechtsstreit aufnimmt und die Forderung anerkennt, wobei dem Streitverfahren ein Mahnverfahren vorausging, in dem der Schuldner Widerspruch gegen die geltend gemachte Forderung erhoben hat. Das Landgericht hat dem beklagten Insolvenzverwalter nach übereinstimmender Erledigungserklärung "zum Großteil" die Kosten auferlegt. Das Beschwerdegericht hat zur Klärung der Frage, ob ein unbeschränkter Widerspruch des Schuldners im Mahnverfahren die Anwendung des § 93 ZPO hindert, die nun vom beklagten Insolvenzverwalter eingelegte Rechtsbeschwerde zugelassen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Berufungsgericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Sie ist auch ansonsten zulässig und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1.
Der angefochtene Beschluss ist - worauf die Rechtsbeschwerde mit Recht hinweist - schon deshalb aufzuheben, weil er keine Darstellung des Sachverhalts sowie der Anträge der Parteien enthält. Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben und den Streitgegenstand und die Anträge der Parteien in beiden Instanzen erkennen lassen; andernfalls sind sie nicht mit den gesetzmäßigen Gründen versehen und deshalb aufzuheben (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - VI ZB 75/05 - VersR 2006, 1423, 1424; BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926; vom 12. Juli 2004 - II ZB 3/03 - NJW-RR 2005, 78; vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - BGH-Report 2005, 1000). So liegt es hier. Ein Sachbericht fehlt ebenso wie eine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Beschluss.
Das Fehlen einer Sachdarstellung kann hier nicht deshalb hingenommen werden, weil sich die prozessualen Vorgänge, auf die es ankommt, mit noch ausreichender Deutlichkeit aus den Beschlussgründen ergäben. Es fehlt jegliche verständliche Darstellung des Sach- und Streitstands. Nicht einmal der konkrete Inhalt der Kostenentscheidung des Landgerichts ist dargestellt oder zumindest durch Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Beschluss zum Gegenstand der Sachdarstellung gemacht. Es ist unverständlich, dass ein Oberlandesgericht einen solchen Beschluss verfasst, wenn es dagegen die Rechtsbeschwerde zur Klärung einer grundsätzlichen Frage zulässt.
2.
Zu beanstanden sind auch die Ausführungen des Beschwerdegerichts in der Sache. Es trifft zwar zu, dass der Insolvenzverwalter, der einen bereits gegen den Schuldner anhängigen Rechtsstreit aufnimmt, grundsätzlich noch mit der Rechtsfolge aus § 93 ZPO anerkennen kann, aber die bisherige Prozessführung des Schuldners gegen sich gelten lassen muss mit der Folge, dass ihm die Wirkung des § 93 ZPO nicht zugute kommt, wenn schon der Schuldner nicht mehr mit den Wirkungen des § 93 ZPO hätte anerkennen können (BGH, Beschluss vom 28. September 2006 - IX ZB 312/04 - NJW-RR 2007, 397 f.). Richtig ist auch, dass Streit darüber besteht, ob ein Anerkenntnis mit der Wirkung des § 93 ZPO noch möglich ist, wenn der Schuldner in einem dem Streitverfahren vorangehenden Mahnverfahren unbeschränkt Widerspruch eingelegt hat. Dies wird teilweise bejaht (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rn. 9; Zöller/Vollkommer, 27. Aufl., § 91a Rn. 58 "Mahnverfahren" und § 694 Rn. 1; Fischer, MDR 2001, 1336, jeweils m.w.N.), während zunehmend die Auffassung vertreten wird, eine Anwendung des § 93 ZPO komme nur in Betracht, wenn der Widerspruch auf die Kosten beschränkt wurde (OLG Schleswig, MDR 2006, 228 f. ; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, 67. Aufl., § 93 Rn. 46; MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 93 Rn. 29; Musielak/Wolst, 6. Aufl., § 93 Rn. 23; Sonnentag, MDR 2006, 188 ff. , jeweils m.w.N. auch zur abweichenden Meinung).
Eine abschließende Stellungnahme des Senats zu diesem Meinungsstreit ist indes aufgrund des angefochtenen Beschlusses nicht veranlasst. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass eine Prüfung der mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Forderung aufgrund des Inhalts des Mahnbescheides nicht möglich gewesen sei. Die dort genannte Hauptforderung habe 422.371,33 EUR betragen und sei nur pauschal als Forderung auf "Schadensersatz gemäß § 823 BGB i.V.m. § 266 StGB wegen Verletzung der Pflichten aus Treuhandvertrag vom 18.05.2000" bezeichnet. Der nach Erhebung des Widerspruchs angekündigte Klageantrag habe sodann nur noch 328.455,70 EUR betragen und habe sich aus sieben Teilbeträgen mit einer Vielzahl von Unterpositionen zusammengesetzt. Eine Prüfung der Forderung habe erstmals aufgrund der Anspruchsbegründung im streitigen Verfahren erfolgen können. Zur Tabelle seien letztlich nur 259.980,11 EUR festgesetzt worden.
Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass bei dieser Sachlage nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, der Schuldner habe durch die Erhebung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid Veranlassung zur Klageerhebung im Sinne des § 93 ZPO gegeben. Lässt sich einem Mahnbescheid nicht entnehmen, aus welchen Einzelpositionen eine Forderung zusammengesetzt ist, und erweist sich die mit dem Mahnbescheid geltend gemachte Forderung im Streitverfahren zu einem erheblichen Teil als unbegründet, so kann eine im Rahmen der §§ 91a, 93 ZPO zu treffende gerechte Kostenentscheidung nur dann ermessensfehlerfrei getroffen werden, wenn für die Frage nach der Klageveranlassung die Einzelheiten des Falles in Erwägung gezogen werden.
Daran fehlt es bei der angegriffenen Entscheidung. Das Beschwerdegericht stützt sich alleine darauf, dass der Schuldner uneingeschränkt Widerspruch gegen den Mahnbescheid erhoben hat, womit er zu erkennen gegeben habe, dass er die Klageforderung für unbegründet halte. Diese pauschale Bewertung leuchtet schon deshalb nicht ein, weil, stellt man auf die von der Rechtsbeschwerde genannten und aus der Akte ersichtlichen Zahlen ab, die im Mahnbescheid genannte Forderung zu einem großen Teil fallen gelassen wurde, also möglicherweise unbegründet war. Wieso es unter diesen Umständen richtig gewesen sein soll, dass das Landgericht die Verfahrenskosten "zum Großteil" dem Beklagten auferlegt hat, erschließt sich nicht. Ob die Quote von 25 % zu 75 %, welche die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf den Beschluss des Landgerichts nennt, den Umständen nach als angemessen anzusehen ist, lässt sich mangels jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte in dem angefochtenen Beschluss nicht beurteilen.
3.
Die Zurückverweisung der Sache gibt dem Berufungsgericht Gelegenheit, bei der Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Kostenbeschluss des Landgerichts die konkreten Umstände des Falls festzustellen und in Erwägung zu ziehen.
Ende der Entscheidung
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