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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.06.2001
Aktenzeichen: VI ZB 22/01
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 233 Fd |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom
19. Juni 2001
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juni 2001 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter Dr. Dressler und Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 4. April 2001 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 20.067,83 DM.
Gründe:
I.
Die Beklagte hat gegen das sie beschwerende Urteil des Landgerichts D. vom 10. November 2000, das ihren Prozeßbevollmächtigten erster Instanz am 22. November 2000 zugestellt worden ist, am 18. Januar 2001 Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Sie hat die Berufung nach Verlängerung fristgemäß begründet.
Ihren Wiedereinsetzungsantrag hat sie darauf gestützt, der für Fristendinge in der Kanzlei ihrer Prozeßbevollmächtigten erster Instanz allein zuständige Bürovorsteher K., der dort seit mehr als 30 Jahren ohne Beanstandungen tätig sei, habe zwar im Notfristenkalender für die Sache eine Vorfrist zur Kontrolle der Wahrung der Berufungsfrist notiert. Diese werde erst gelöscht, nachdem er Erledigung der Notfrist festgestellt habe. Nach Notierung der Frist sei beschlossen worden, den Vorgang an die Kanzlei der Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz weiterzugeben. Deshalb habe K. am 14. Dezember 2000 veranlaßt, daß das Urteil nebst erstinstanzlicher Handakte mit der Post abgesandt worden sei. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen habe K. dann aber die notierte Vorfrist nicht beachtet und deshalb auch eine Nachfrage vergessen, ob die Akte bei den Berufungsanwälten eingegangen sei. Infolgedessen sei der Ablauf der Berufungsfrist erst bemerkt worden, als die Prozeßbevollmächtigten zweiter Instanz nach Eingang der Akte am 8. Januar 2001 den Bürovorsteher K. davon in Kenntnis gesetzt hätten.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 4. April 2001 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Gegen den ihren Prozeßbevollmächtigten am 9. April 2001 zugestellten Beschluß hat die Beklagte am 20. April 2001 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand weiterverfolgt.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO steht entgegen, daß die Fristversäumung von den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Beklagten verschuldet worden ist und das der Beklagten zuzurechnen ist (§ 85 Abs. 2 ZPO).
1. Allerdings weist die Beklagte mit Recht darauf hin, daß der Bürovorsteher K. - hätte er die eingetragene Vorfrist beachtet - bei den Berufungsanwälten telephonisch hätte nachfragen können, ob Berufung eingelegt sei. Die Fristversäumung beruht jedoch nicht auf diesem, der Beklagten nicht zuzurechnenden Verschulden des Bürovorstehers, sondern auf einer schuldhaft unzureichenden Organisation der Fristenkontrolle bei Rechtsmittelaufträgen (vgl. BGH, Beschluß vom 23. September 1998 - XII ZB 99/98 - VersR 1999, 1303, 1304; Senat, Beschluß vom 8. April 1997 - VI ZB 8/97 - VersR 1997, 895).
2. Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung mit Recht zugrunde gelegt, daß die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten keine ausreichenden Maßnahmen getroffen haben, um vor Ablauf der Berufungsfrist durch Vorlage der Handakten an den sachbearbeitenden Anwalt die Übernahme des Mandats durch einen Berufungsanwalt sicherzustellen.
a) Die Sorgfaltspflichten des einen anderen Anwalt mit der Einlegung einer Berufung beauftragenden Anwalts erschöpfen sich nicht im rechtzeitigen Absenden des Auftragsschreibens. Er muß vielmehr dafür Sorge tragen, daß der mit der Rechtsmitteleinlegung beauftragte Anwalt den Auftrag innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist bestätigt, und den rechtzeitigen Eingang dieser Bestätigung überwachen. Bleibt die Mandatsbestätigung des zweitinstanzlichen Anwalts aus, ist der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte verpflichtet, rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist Rückfrage zu halten. Grund dafür ist, daß er im Falle der Ablehnung des Mandats durch den zunächst beauftragten Anwalt in der Lage sein muß, den Rechtsmittelauftrag noch rechtzeitig einem anderen, zur Mandatsübernahme bereiten Anwalt zu erteilen, um die Durchführung des Rechtsmittels zu gewährleisten (vgl. BGHZ 105, 116, 117 f.; BGH, Beschluß vom 8. November 1999 - II ZB 4/99 - NJW 2000, 815; Beschluß vom 7. Dezember 1993 - XI ZR 207/93 - VersR 1994, 956; Senatsbeschluß vom 13. Oktober 1992 - VI ZB 21/92 - VersR 1993, 770). Auf Verzögerungen durch den Postlauf kommt es dabei nicht an.
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn mit dem Rechtsmittelanwalt im Einzelfall oder allgemein abgesprochen ist, daß dieser Rechtsmittelaufträge annehmen, prüfen und ausführen werde. In diesem Fall kann sich der Absender eines Schreibens zur Rechtsmittelbeauftragung grundsätzlich darauf verlassen, daß der Auftrag den Prozeßbevollmächtigten für die Rechtsmittelinstanz rechtzeitig erreicht und dieser den Auftrag ausführt. Verzögerungen des Postverkehrs braucht sich der Absender des Auftragsschreibens bei dieser Fallgestaltung nicht zurechnen zu lassen (vgl. BVerfG, Beschluß vom 25. September 2000 - 1 BvR 2104/99 - NJW 2001, 1566; BGHZ 105, 116, 119; BGH, Beschluß vom 7. November 1995 - XI ZB 21/95 - NJW-RR 1996, 378; vom 8. November 1999 - II ZB 4/99 - aaO; Senatsbeschluß vom 4. April 2000 - VI ZB 3/00 - NJW 2000, 3071). Tatsachen, die eine solche Einigkeit zwischen den beteiligten Rechtsanwälten nahelegten, sind hier jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich und werden auch mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten durften ihre Prozeßbevollmächtigten die hiernach gebotenen Kontrollmaßnahmen nicht ausschließlich dem Bürovorsteher überlassen. Mit Recht legt das Oberlandesgericht seiner Beurteilung die vom Bundesgerichtshof im Beschluß vom 8. November 1999 (- II ZB 4/99 - NJW 2000, 815) aufgestellten Grundsätze zugrunde. Hiernach sind die dort, wie auch im vorliegenden Fall, getroffenen Maßnahmen - nämlich Notierung der Berufungsfrist mit einer Vorfrist - nicht ausreichend, weil sie auf Fallgestaltungen abgestimmt sind, in denen der Anwalt selbst das Rechtsmittel bei dem Gericht einlegt, bei dem er zugelassen ist. Hat er jedoch den Rechtsmittelauftrag einem anderen Rechtsanwalt zu erteilen, so muß er durch Weisungen an das Büropersonal sicherstellen, daß ihm bei Ausbleiben der Bestätigung der Mandatsübernahme durch den beauftragten Rechtsanwalt die Handakten noch so rechtzeitig vorgelegt werden, daß er notfalls den Rechtsmittelauftrag noch fristwahrend einem übernahmebereiten Anwalt erteilen kann. Diese Vorlage der Handakten muß, wie der Bundesgerichtshof aaO ausgeführt hat, durch die Eintragung einer entsprechenden Frist abgesichert werden. Das Bestehen einer solchen Anweisung haben die Beklagten jedoch nicht geltend gemacht, sondern ersichtlich die Überwachung des Rechtsmittelauftrags allein dem Bürovorsteher überlassen. Das reicht nicht aus, weil in solchen Fällen aus den dargelegten Gründen eine Überwachung des Rechtsmittelauftrags und notfalls sofortiges Handeln durch den Rechtsanwalt selbst geboten war. Mithin stellt das Fehlen der erforderlichen Anweisung einen organisatorischen Mangel im Büro der erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten dar, der gemäß § 85 Abs. 2 ZPO den Beklagten zuzurechnen ist und deshalb der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entgegensteht.
Ende der Entscheidung
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