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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.01.1999
Aktenzeichen: VI ZB 31/98
Rechtsgebiete: BRAO, ZPO


Vorschriften:

BRAO § 53
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 31/98

vom

12. Januar 1999

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Januar 1999 durch den Vorsitzenden Richter Gross und die Richter Dr. Lepa, Bischoff, Dr. v. Gerlach und Dr. Greiner

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 21. August 1998 aufgehoben.

Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 30. Januar 1998 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Beschwerdewert: 75.000 DM

Gründe

I.

Das klageabweisende Urteil des Landgerichts ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 4. Februar 1998 zugestellt worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Klägers ist am 5. März 1998 beim Berufungsgericht eingegangen. Nach dem Hinweis des Berufungsgerichts auf die Versäumung der Berufungsfrist hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. März 1998 gegen die Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags hat er vorgetragen:

Die Berufungsschrift sei in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten nach dem Diktat von der geschulten und zuverlässigen Bürokraft L. am 2. März 1998 postfertig gemacht und anschließend zum Briefkasten gebracht worden. Obwohl bei seinem Prozeßbevollmächtigten die Anweisung bestehe, bei Fristsachen zusätzlich zum normalen Postweg den Schriftsatz auch zu faxen, sei dies hier unterblieben, weil Frau L. davon ausgegangen sei, daß der Brief fristgerecht bis zum 4. März 1998 beim Oberlandesgericht eingehen werde. Die Post vom 2. März 1998 sei von Frau L. gegen 16.45 Uhr in einen Briefkasten in P. eingeworfen worden, der um 17.00 Uhr geleert werde. Diesen Vortrag hat Frau L. mit einer eidesstattlichen Versicherung vom 31. März 1998 bestätigt.

Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, daß sowohl das Wiedereinsetzungsgesuch als auch die eidesstattliche Versicherung keine Angaben zu der Frage aufwiesen, durch wen und wann die Berufungsschrift unterschrieben worden sei, hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers dem Berufungsgericht unter anwaltlicher Versicherung der Richtigkeit mit Schriftsatz vom 30. April 1998 mitgeteilt, daß die Berufungsschrift am 2. März 1998 entweder von ihm selbst oder dem Rechtsreferendar O. - seinem seit dem 1. Januar 1998 von dem Oberlandesgericht bestellten Vertreter - unterzeichnet worden sei; aus der Erinnerung könne er nicht angeben, wer von beiden die Berufungsschrift unterzeichnet habe. Diesem Schriftsatz war die Ablichtung eines Schreibens der Präsidentin des Oberlandesgerichts M. vom 19. Dezember 1997 beigefügt, aus dem sich ergibt, daß für alle Behinderungsfälle vom 1. Januar 1998 an für das Kalenderjahr 1998 der Rechtsreferendar O. zum Vertreter des Prozeßbevollmächtigten des Klägers bestellt worden war.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß man zwar mit dem rechtzeitigen Eingang der Berufungsschrift am letzten Tag der Berufungsfrist (4. März 1998) habe rechnen können, wenn der Schriftsatz am 2. März 1998 zur Post gegeben worden wäre. Eben dies erscheine aber nach der Art der Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs und des Inhalts der eidesstattlichen Versicherung nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Sowohl der schriftsätzliche Vortrag des Prozeßbevollmächtigten des Klägers als auch die eidesstattliche Versicherung der Büroangestellten befaßten sich nicht mit der Frage, wann und durch wen die Berufungsschrift unterzeichnet worden sei. Die äußere Form der Berufungsschrift, die - wie der Vergleich mit den anderen in der Akte befindlichen Unterschriften zeige - jedenfalls nicht vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers unterzeichnet worden sei, ergebe den Hinweis, daß sie ursprünglich zur Unterzeichnung durch den Prozeßbevollmächtigten vorgesehen, dieser jedoch daran gehindert gewesen sei, was daraus ersichtlich sei, daß nachträglich der Stempel "OLG-bestellter Vertreter" angebracht worden sei. Darüber befinde sich eine Unterschrift, die - wenn man den Namen des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten kenne - als dessen Unterschrift gedeutet werden könne. Bei dieser Sachlage erscheine es nicht fernliegend, daß die Unterzeichnung der Berufungsschrift möglicherweise wegen Abwesenheit des Prozeßbevollmächtigten und auch seines Vertreters, der als Rechtsreferendar gelegentlich an Ausbildungsveranstaltungen teilnehmen müsse, verzögert worden sein könne. Damit sei nicht glaubhaft gemacht, daß die Berufungsschrift am 2. März 1998 von einer postulationsfähigen Person unterzeichnet worden sei; insoweit wiesen der Vortrag des Klägers und die Glaubhaftmachung eine Lücke auf. Daher bestünden Zweifel daran, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers seiner Pflicht aus § 53 BRAO genügt habe, für den Fall seiner Abwesenheit für einen Vertreter zu sorgen. Damit bleibe die Möglichkeit offen, daß die Fristversäumung verschuldet sei.

II.

Das zulässige Rechtsmittel erweist sich als begründet. Der Kläger hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts glaubhaft gemacht, daß die Versäumung der Berufungsfrist nicht auf einem Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten beruht, das er sich gemäß §§ 233, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müßte.

Das Berufungsgericht geht davon aus, daß zu der Frage, ob die Berufungsschrift am 2. März 1998 von einer postulationsfähigen Person unterzeichnet worden ist, die vom Kläger zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages gegebene Darstellung der Abläufe in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten und die eidesstattliche Versicherung der Angestellten L. eine Lücke aufweisen. Eine solche Lücke besteht nicht.

In der Berufungsschrift ist der unter der Unterschrift befindliche Zusatz "Rechtsanwalt" überstempelt mit dem Zusatz "OLG-besteller Vertreter". Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat durch Vorlage einer Ablichtung des Schreibens der Präsidentin des Oberlandesgerichts M. vom 19. Dezember 1997 dargetan, daß der Rechtsreferendar O. ab 1. Januar 1998 zu seinem Vertreter bestellt worden ist. Wenn dann das Berufungsgericht feststellt, daß die Unterschrift unter der Berufungsschrift nicht von dem Prozeßbevollmächtigten stammt, ergibt eine zwanglose Betrachtung, daß es sich um die Unterschrift des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten handelt, wie es der Stempelaufdruck anzeigt. Ernsthafte Gründe für einen Zweifel an diesem Befund, von dem letztlich wohl auch das Berufungsgericht ausgeht, sind nicht erkennbar.

Damit bleibt nur noch offen, ob der Vertreter des Prozeßbevollmächtigten des Klägers die Berufungsschrift tatsächlich am 2. März 1998 und nicht an einem späteren Tag unterzeichnet hat. Auf der Grundlage der eidesstattlichen Versicherung der Angestellten L. ist indes auch diese Frage eindeutig zu beantworten. Frau L. hat angegeben, daß sie die vorliegende Berufungsschrift am 2. März 1998 gegen 16.45 Uhr in einen Briefkasten in P. eingeworfen hat. Da diese Berufungsschrift die Unterschrift des Vertreters des Prozeßbevollmächtigten des Klägers trägt, ist mit der eidesstattlichen Versicherung zugleich glaubhaft gemacht, daß der Vertreter des Prozeßbevollmächtigten des Klägers die Berufungsschrift am 2. März 1998 unterzeichnet hat. Irgendwelche Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben könnte, daß die eidesstattliche Versicherung der Angestellten L. zur Glaubhaftmachung nicht ausreicht, lassen sich weder den Erwägungen des Berufungsgerichts noch dem Akteninhalt entnehmen.



Ende der Entscheidung

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