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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.12.2006
Aktenzeichen: VI ZB 46/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 320 | |
ZPO § 520 | |
ZPO § 522 Abs. 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 12. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Februar 2004 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine Reiseveranstalterin, macht gegenüber dem Beklagten, der für ein - zwischenzeitlich insolventes - Reisebüro tätig war, Schadensersatzansprüche geltend. Vor dem Amtsgericht hatte sie Erfolg. Gegen das ihm am 30. September 2003 zugestellte Urteil des Amtsgerichts vom 25. September 2003 hat der Beklagte am 27. Oktober 2003 Berufung eingelegt und - wegen eines Tatbestandsberichtigungsantrages - eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dahingehend beantragt, dass die vierwöchige Berufungsbegründungsfrist erst dann beginnen solle, wenn eine Entscheidung über den Tatbestandsberichtigungsantrag vorliege. Das Landgericht gewährte dem Beklagten eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30. Dezember 2003. Nachdem im Dezember die mündliche Verhandlung vor dem Amtsgericht über den Tatbestandsberichtigungsantrag des Beklagten stattgefunden hatte, beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2003 vorsorglich eine weitere Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, da er sich ab dem 23. Dezember 2003 in seinem Weihnachtsurlaub befinde und zu vermuten sei, dass der Beschluss des Amtsgerichts über den Tatbestandsberichtigungsantrag nicht rechtzeitig eingehen werde. Der Tatbestandsberichtigungsbeschluss des Amtsgerichts ging bei dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 29. Dezember 2003 ein. Mit Schreiben vom 2. Januar 2004 lehnte das Landgericht eine erneute Verlängerung der Berufungsfrist ab, weil diese nur mit Einverständnis des Gegners möglich und im Übrigen der Antrag so unbestimmt sei, dass der Gegner ein Einverständnis nicht habe erteilen können; es sei eine Entscheidung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO vorgesehen. Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 wies der Prozessbevollmächtigte des Beklagten darauf hin, dass die Berufung rechtzeitig begründet worden sei und er davon ausgehe, dass sich die Berufungsbegründungsschrift mit dem Schreiben des Landgerichts vom 2. Januar 2004 überschnitten habe. Das Landgericht teilte daraufhin mit Schreiben vom 26. Januar 2004 dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten mit, dass die Berufungsbegründungsschrift ausweislich des darauf befindlichen Eingangsstempels des Landgerichts am 15. Januar 2004 beim Landgericht eingegangen sei. Sie enthalte zwar ein Kürzel eines bzw. einer "JOS" mit dem aufgestempelten Datum "30. Dezember 2003". Dieses habe jedoch einem Mitarbeiter des Landgerichts aber nicht zugeordnet werden können.
Daraufhin teilte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten mit Schreiben vom 30. Januar 2004 mit, der Schriftsatz sei durch einen Kollegen, Herrn Rechtsanwalt L., persönlich am 30. Dezember 2003 "beim Land-/Amtsgericht D." abgegeben worden. Er, der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, könne sich die Angelegenheit insgesamt nur so erklären, dass der Schriftsatz an einer Akte geklebt habe und dann zunächst in einer falschen Abteilung gelandet sei. Wer den Eingang am 30. Dezember 2003 bestätigt habe, könne er nicht sagen. Dass der Schriftsatz am 30. Dezember 2003 durch Herrn Rechtsanwalt L. beim Land-/Amtsgericht D. rechtzeitig eingereicht worden sei, werde unter Beweis gestellt durch dessen Zeugnis. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Mit Beschluss vom 18. Februar 2004, zugestellt am 1. März 2004, hat das Landgericht die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen.
Das Berufungsgericht führt aus, die Berufungsbegründung sei nicht innerhalb der Frist des § 520 ZPO eingegangen. Ausweislich des Stempels des Landgerichts sei sie erst am 15. Januar 2003, also erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 30. Dezember 2003 eingegangen. Zwar sei auf dem Original und der beglaubigten Abschrift der Berufungsbegründungsschrift der Stempelaufdruck "30. Dez. 03" zu finden und mit dem Kürzel eines bzw. einer "JOS" versehen. Dieses Kürzel lasse sich aber einem Mitarbeiter des Landgerichts nicht zuordnen. Die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 30. Januar 2004 enthielten keinen konkreten Sachvortrag, dass Herr Rechtsanwalt L. einem Bediensteten bzw. einer Bediensteten des Landgerichts den Schriftsatz übergeben habe. Für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei, da der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründung behauptet werde, kein Raum.
Gegen diese Beurteilung des Landgerichts wendet sich der Beklagte mit seiner rechtzeitig eingelegten und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe begründeten Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und wegen Verletzung rechtlichen Gehörs auch ansonsten zulässig (vgl. § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und begründet.
1. Der Beklagte wendet sich allerdings ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Berufungsbegründung erst am 15. Januar 2004 und damit verfristet im Sinne des § 520 ZPO eingegangen ist. Die rechtzeitige Einreichung muss voll bewiesen werden durch Entkräftung der Richtigkeit des Eingangsstempels vom 15. Januar 2004 (vgl. § 418 Abs. 1 und 2 ZPO).
Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Tatbestandsberichtigung im Sinne des § 320 ZPO keinen Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen (vgl. Senatsurteil vom 24. Juni 2003 - VI ZB 10/03 - NJW 2003, 2991, 2992; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 518 Rn. 3 und § 517 Rn. 6). Eine Ausnahme ist allenfalls denkbar, wenn erst die berichtigte Fassung die Beschwer hinreichend erkennen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1994 - XII ZR 184/93 - NJW 1995, 1033; Zöller/Gummer/Heßler, aaO). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Vielmehr ging es bei der Tatbestandsberichtigung lediglich um Begründungselemente, insbesondere um die Frage, ob der Beklagte für sich selbst oder für ein Reisebüro gehandelt hatte.
2. Soweit der Beklagte rügt, das Berufungsgericht hätte über seine Behauptung, Rechtsanwalt L. habe die von seinem Prozessbevollmächtigten unterzeichnete Berufungsbegründungsschrift am 30. Dezember 2003 eingereicht, den beantragten Zeugenbeweis erheben müssen, hat er auch damit keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den zugrunde liegenden Vortrag mit Recht als unsubstantiiert behandelt, denn die Behauptung, Rechtsanwalt L. habe den Schriftsatz "beim Landgericht/Amtsgericht D." am 30. Dezember 2003 abgegeben (vgl. GA 147) lässt nicht erkennen, wo genau er ihn abgegeben haben will.
Auch der einfache Datumsstempel "30. Dez. 03" mit einem Namenskürzel einer oder eines nicht zu ermittelnden "JOS" beweist nicht, dass der Schriftsatz entgegen dem Original-Eingangsstempel des Landgerichts vom 15. Januar 2004 bereits am 30. Dezember 2003 bei einer empfangszuständigen Stelle oder Person abgegeben worden ist.
3. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Unrecht den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers nicht beschieden und dadurch dessen Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs.1 GG) verletzt.
Soweit das Berufungsgericht meint, für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei kein Raum, da der rechtzeitige Eingang der Berufungsbegründung behauptet werde, lässt es unberücksichtigt, dass der Kläger in seinem Schriftsatz vom 30. Januar 2004 den Wiedereinsetzungsantrag hilfsweise für den Fall gestellt hatte, dass das Gericht den Beweis des rechtzeitigen Eingangs nicht als geführt ansehe (vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2000 - VII ZB 36/99 - NJW 2000, 2280). Da der Beklagte unter Hinweis auf die Beauftragung eines Rechtsanwaltskollegen mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift ersichtlich auch für den Fall der vom Berufungsgericht angenommenen Fristversäumnis ein fehlendes Verschulden des Beklagten im Sinne des § 233 ZPO geltend machen wollte, hätte das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag bescheiden müssen. Hierzu wird es bei erneuter Sachbehandlung Gelegenheit haben, insbesondere wird es auch zu prüfen haben, ob sich der Beklagte ein etwaiges Verschulden des Rechtsanwalts L. gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Dies könnte der Fall sein, wenn dieser nicht nur einen einfachen Botendienst, sondern die Urlaubsvertretung für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten übernommen gehabt hätte.
Ende der Entscheidung
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