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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 24.01.2006
Aktenzeichen: VI ZB 49/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 66
ZPO § 522
Haben Hauptpartei und Streithelfer Berufung eingelegt, so handelt es sich gleichwohl nur um ein einheitliches Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 49/05

vom 24. Januar 2006

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Nebenintervenientin des Klägers wird der Beschluss des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juni 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Nebenintervenientin als unzulässig verworfen worden ist.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 40.000 €

Gründe:

I.

Der Kläger hat die Beklagte aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau (Beschwerdeführerin) wegen eines behaupteten ärztlichen Behandlungsfehlers auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Die Beschwerdeführerin hat erklärt, sie trete dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Seiten des Klägers bei. Mit Urteil vom 9. Dezember 2004 hat das Landgericht die Klage abgewiesen und im Tenor ausgesprochen, die Nebenintervenientin habe ihre Kosten selbst zu tragen. In den Urteilsgründen heißt es, der Beitritt der Beschwerdeführerin im Rahmen der Nebenintervention sei nicht zulässig, weil für ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin nichts vorgetragen sei.

Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 15. Dezember 2004 zugestellte Urteil haben der Kläger und die Beschwerdeführerin mit einem am 17. Januar 2005 (Montag) eingegangenen Schriftsatz "Berufung" eingelegt und diese fristgerecht begründet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht "die Berufung und die sofortige Beschwerde" der Nebenintervenientin als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil das Landgericht den Beitritt der Beschwerdeführerin als Nebenintervenientin wirksam zurückgewiesen habe. Es begegne keinen Bedenken, dass die Zurückweisung nicht durch Zwischenurteil, sondern im Rahmen des Endurteils erfolgt und im Tenor nicht ausdrücklich ausgesprochen sei. Die Zurückweisung ergebe sich aus dem Tatbestand und den Gründen sowie der Kostenentscheidung. Auch wenn über den Beitritt nicht in einem Zwischenurteil, sondern - wie hier - in einem Endurteil entschieden worden sei, sei dagegen nicht die Berufung, sondern allein die sofortige Beschwerde gegeben. Soweit sich die Beschwerdeführerin mit dem als Berufung bezeichneten Rechtsmittel gegen die Zurückweisung ihres Beitritts wende, sei dieses als sofortige Beschwerde aufzufassen. Die sofortige Beschwerde sei jedoch unzulässig, weil sie nicht innerhalb der hierfür gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Notfrist von zwei Wochen eingelegt worden sei. Der Grundsatz der Meistbegünstigung helfe der Beschwerdeführerin nicht weiter, weil die Zurückweisung ihres Beitritts zulässigerweise durch Endurteil erfolgt sei und dagegen kraft Gesetzes (§ 71 Abs. 2 ZPO) keine Berufung, sondern die sofortige Beschwerde stattfinde.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Nebenintervenientin mit ihrer Rechtsbeschwerde, die sie wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung für zulässig hält.

II.

1. Soweit das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin als unzulässig verworfen hat, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Gemäß § 574 Abs. 1 ZPO ist gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht gegeben, soweit das Berufungsgericht die sofortige Beschwerde gegen die Zurückweisung des Beitritts der Nebenintervenientin verworfen hat.

2. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, soweit sie sich dagegen wendet, dass die Berufung der Nebenintervenientin als unzulässig verworfen worden ist (§§ 574 Abs. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO).

a) Sie ist insoweit auch im Übrigen zulässig (§§ 574 Abs. 2 Nr. 2, 575, 576 ZPO). Die Beschwerdeführerin ist zur Einlegung des Rechtsmittels befugt, obwohl sie aufgrund der Zurückweisung ihres Beitritts als Nebenintervenientin an dem Rechtsstreit nicht mehr beteiligt ist. Zur Einlegung eines Rechtsmittels ist derjenige befugt, gegen den sich die anzufechtende Entscheidung richtet (BGHZ 4, 328, 332), und zwar auch dann, wenn er am Rechtsstreit nicht beteiligt ist (BGH, Beschluss vom 9. November 1977 - VIII ZB 34/77 - VersR 1978, 139, 140).

b) Die Rechtsbeschwerde ist in diesem Umfang auch begründet. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Nebenintervenientin des Klägers zu Unrecht als unzulässig verworfen. Haben - wie hier - Hauptpartei und Streithelfer Berufung eingelegt, so handelt es sich gleichwohl nur um ein einheitliches Rechtsmittel, über das einheitlich zu entscheiden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1982 - V ZR 87/81 - NJW 1982, 2069; Beschluss vom 20. März 1985 - IVa ZB 1/85 - VersR 1985, 551; Urteile vom 28. März 1985 - VII ZR 317/84 - NJW 1985, 2480 und vom 21. Mai 1987 - VII ZR 296/86 - NJW 1988, 712; Beschluss vom 10. November 1988 - VII ZB 8/88 - NJW 1989, 1357; Urteile vom 15. Juni 1989 - VII ZR 227/88 - VersR 1989, 932 und vom 1. Juli 1993 - V ZR 235/92 - NJW 1993, 2944). Dem steht nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung aufgrund der Zurückweisung ihres Beitritts als Nebenintervenientin nicht mehr an dem Rechtsstreit beteiligt war. Der Umstand, dass der Kläger und die Beschwerdeführerin gemeinsam Berufung eingelegt haben, verdeutlicht, dass letztere damit kein eigenständiges Rechtsmittel beabsichtigte, sondern vielmehr die in zulässiger Weise eingelegte Berufung des Klägers unterstützen wollte. Es war deshalb unzulässig, über die "Berufung der Nebenintervenientin" gesondert zu befinden.

Ende der Entscheidung

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