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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.06.2005
Aktenzeichen: VI ZB 5/05
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 14. Juni 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Juni 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluß der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 5. Januar 2005 unter Zurückweisung der Rechtsbeschwerde im übrigen im Kostenpunkt abgeändert.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Beklagte 3 %, die Kläger 97 %. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte aus einem Wert von 97,18 €.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Kläger.
Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 2.542,37 €.
Gründe:
I.
Die Kläger betreiben als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Taxiunternehmen in B.. Bei einem Verkehrsunfall mit einem norwegischen Reisebus wurde ein vom Kläger zu 1 gefahrenes Taxi beschädigt. Die Kläger nahmen den Beklagten vor dem Amtsgericht M. auf Schadensersatz in Höhe von 762,64 € erfolgreich in Anspruch. Gemäß Beweisbeschluß des Amtsgerichts sollte über den Hergang des Unfalls u.a. durch Vernehmung zweier Zeugen aus Norwegen im Wege der Rechtshilfe Beweis erhoben werden. Die Kläger verzichteten auf Mitteilung des Vernehmungstermins, der Beklagte nicht. An dem Beweistermin in Norwegen nahm für die Kläger eine norwegische Rechtsanwältin teil. Die Kläger beantragten die Erstattung der durch die Beauftragung der norwegischen Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung des Beweistermins entstandenen Kosten in Höhe von umgerechnet 2.639,55 €.
Das Amtsgericht M. hat mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 23. März 2004 die Kosten antragsgemäß festgesetzt. Das Landgericht Berlin hat auf die sofortige Beschwerde des Beklagten diesen Beschluß abgeändert und nur die Kosten als erstattungsfähig angesehen, die ein deutscher Rechtsanwalt bei der Beweisaufnahme im Inland habe verlangen dürfen, und diese in Höhe von 97,18 € festgesetzt; im übrigen hat es die sofortige Beschwerde des Beklagten zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO seien als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendige Kosten zwar grundsätzlich auch die Kosten erstattungsfähig, die durch eine anwaltliche Vertretung in einem auswärtigen Beweistermin entstanden seien. Die Kosten für die Vertretung bei einer Beweisaufnahme im Ausland seien jedenfalls dann erstattungsfähig, wenn es sich um einen für die Parteien wesentlichen Prozeß handele. Eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung sei aber dann nicht mehr anzunehmen, wenn die Kosten eine angemessene Höhe überstiegen und sich vor allem im Hinblick auf den Streitwert als unverhältnismäßig hoch erwiesen. Nach den Erfahrungen des Gerichts sei die Beauftragung auswärtiger Rechtsanwälte bei einer Beweisaufnahme vor einem ersuchten Richter auch im Inland eher der Ausnahmefall. Im vorliegenden Fall würde eine wirtschaftlich vernünftig handelnde Partei von der Beauftragung eines ausländischen Beweisanwalts abgesehen haben, schon weil sie damit habe rechnen müssen, im Falle eines Unterliegens diese Kosten selbst tragen zu müssen. Gleiches gelte für eine Beauftragung ihres Prozeßbevollmächtigten mit der Wahrnehmung des Beweisaufnahmetermins im Ausland, die ebenfalls zu unverhältnismäßigen (Reise-)Kosten geführt haben würde. Der Grundsatz der Waffengleichheit gebiete es nicht, die Beauftragung der ausländischen Beweisanwälte als notwendig anzusehen.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Kläger ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und zulässig (§ 575 Abs. 1-3 ZPO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Das Beschwerdegericht geht im Ergebnis zu Recht davon aus, daß die Kosten eines ausländischen Beweisanwalts, dessen Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Beweisaufnahmetermin geboten war, nur in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts erstattungsfähig sind (vgl. §§ 54, 26, 6, 5 BRAGO, jetzt VV Nr. 3104 mit amtlicher Vorbemerkung 3 Abs. 3 i.V.m. § 6 RVG).
1. Die Kosten eines ausländischen Beweisanwalts sind jedenfalls notwendige Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO, wenn seine Hinzuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geboten war. Dazu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen.
Die Partei hat das Recht bei einem auswärtigen Beweisaufnahmetermin anwesend zu sein und zwar auch durch ihren Anwalt, der sie vertritt. Das kann bei Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsbeziehungen zu erheblichen Aufwendungen führen. Der erkennende Senat vermag nicht zu beurteilen, ob es sich vorliegend um komplizierte Fragen in einem wichtigen Rechtsstreit handelte, in dem es auf die Wahrnehmung des Beweisaufnahmetermins ankam. Die Frage der Erstattungsfähigkeit von in solchen Fällen verursachten Kosten bedarf im vorliegenden Fall jedoch keiner abschließenden Entscheidung.
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist zugunsten der Kläger zu unterstellen, daß die Hinzuziehung der ausländischen Rechtsanwältin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung geboten war. In einem solchen Fall greift der Grundsatz des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, nach dem die Kosten mehrerer Rechtsanwälte im Regelfall nur bis zur Höhe der Kosten eines Rechtsanwalts zu erstatten sind, nicht ein. Es ist daher nicht zu prüfen, ob die Kläger ihren Prozeßbevollmächtigten hätten beauftragen müssen, sie in dem Beweistermin zu vertreten, wenn dessen Kosten möglicherweise wesentlich geringer gewesen wären als die tatsächlich entstandenen Kosten.
2. Das Beschwerdegericht hat jedenfalls der Höhe nach zu Recht die von den Klägern geltend gemachten Kosten ihrer norwegischen Rechtsanwältin auf die Gebühren begrenzt, die nach §§ 6, 26, 54 BRAGO bei Beauftragung eines weiteren Rechtsanwalts für eine Beweisaufnahme im Inland entstanden wären.
Es entspricht der Ansicht des Bundesgerichtshofs, daß die Kosten eines ausländischen Anwalts nur in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts zu erstatten sind (vgl. zum Verkehrsanwalt zuletzt BGH, Beschluß vom 8. März 2005 - VIII ZB 55/04 - NJW 2005, 1373 m.w.N.).
a) Deutsches Recht ist nicht nur für die Frage der generellen Erstattungsfähigkeit der Kosten eines ausländischen Anwalts nach § 91 ZPO, sondern auch für die Höhe dieser Kosten maßgebend (vgl. BGH, Beschluß vom 8. März 2005 - VIII ZB 55/04 - aaO; Zöller/Herget, ZPO, 25. Aufl., § 91 Rn. 13 "Ausländischer Anwalt"). Auch bei Wahrnehmung eines Beweistermins im Ausland durch einen ausländischen Rechtsanwalt ist kein Grund dafür ersichtlich, die Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei nach zwei verschiedenen Rechtsordnungen zu beurteilen, nämlich hinsichtlich des Grundes nach dem inländischen Verfahrensrecht und hinsichtlich der Höhe nach dem Heimatrecht des ausländischen Rechtsanwalts. Für eine einheitliche Beurteilung der Erstattungsfähigkeit von Kosten eines ausländischen Rechtsanwalts zur Wahrnehmung eines Beweistermins im Ausland spricht zudem, daß bei der Kostenfestsetzung häufig nur mit unverhältnismäßigem Aufwand entschieden werden kann, ob sich die abgerechnete Tätigkeit des ausländischen Rechtsanwalts allein auf die notwendige Teilnahme an dem Beweistermin beschränkte oder ob es sich um eine grundsätzlich nicht erstattungsfähige weitergehende Tätigkeit handelte.
b) Nach diesen Grundsätzen bleibt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.
aa) Bei dieser Sachlage kann es der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, daß das Beschwerdegericht die Beauftragung ausländischer Beweisanwälte für nicht "notwendig" im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO gehalten hat, ohne hierzu tatsächliche Feststellungen zu treffen (vgl. BGH, Beschluß vom 16. Dezember 2004 - I ZB 23/04 - BGHReport 2005, 813). Auch erscheint die Erwägung des Beschwerdegerichts als nicht tragfähig, die anfallenden Kosten zum Streitwert ins Verhältnis zu setzen. Dieser Gesichtspunkt mag zwar noch nachvollziehbar sein, wenn - wie hier - die den Rechtsstreit führenden Kläger die Kosten verursachen. Er greift aber nicht, wenn der Beklagte, dem der Rechtsstreit aufgezwungen wird, zu seiner Rechtsverteidigung die angeblich "unverhältnismäßigen" Kosten für notwendig halten darf. Ein unterschiedlicher Maßstab je nach der Parteistellung ist auch im Kostenerstattungsrecht nicht berechtigt, in dem eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist. Der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in zahlreichen Fällen darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschluß vom 12. Dezember 2002 - I ZB 29/02 - NJW 2003, 901, 902). Hierauf kommt es jedoch nach den Ausführungen zu oben a) nicht an.
bb) Die Rechtsbeschwerde kann sich ferner nicht mit Erfolg darauf berufen, der Beklagte habe "alles und jedes" bestritten mit der Folge, daß ein teures Sachverständigengutachten und schließlich noch eine Beweisaufnahme in Norwegen erforderlich geworden seien. Auf die Bemessung des Erstattungsbetrages hat dies keinen Einfluß. Daß der Beklagte insoweit seine prozessualen Rechte mißbraucht hätte, ist nicht festgestellt und nicht ersichtlich.
cc) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kann es vorliegend auch nicht darauf ankommen, daß die Einschaltung der norwegischen Rechtsanwältin zur Wahrnehmung des Beweistermins möglicherweise durch das Interesse des Beklagten an der Mitteilung des Beweistermins veranlaßt worden sein mag. Es ist das Recht einer jeden Partei zu einem Beweistermin zu erscheinen (§§ 357 Abs. 1, 364 Abs. 4 ZPO).
dd) Schließlich wird die Partei auch nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt dadurch, daß die Einschaltung eines ausländischen weiteren Anwalts grundsätzlich zu ihren Lasten geht, weil dessen Kosten nur erstattungsfähig sind, soweit sie die vergleichbaren Gebühren eines inländischen Anwalts nicht überschreiten. Diese Belastung trifft beide Parteien in gleicher Weise. Es ist jeder Partei unbenommen selbst abzuwägen, ob sie einen weiteren Anwalt für einen Beweistermin im Ausland einschalten will oder ob sie dies - auch in wirtschaftlicher Hinsicht - für nicht sinnvoll hält.
c) Nach allem besteht vorliegend keine Veranlassung von dem Grundsatz abzuweichen, daß die Kosten eines zusätzlichen ausländischen Anwalts für einen Beweistermin im Ausland nur in Höhe der Gebühren eines deutschen Rechtsanwalts erstattet werden (vgl. BGH, Beschluß vom 8. März 2005 - VI ZB 55/04 - aaO; vgl. auch OLG München, JurBüro 2004, 380, 381).
d) Das Beschwerdegericht hat im hier zu entscheidenden Fall ohne Rechtsfehler die zu erstattenden Kosten ausschließlich nach den Gebühren eines Rechtsanwalts bemessen und keine über die Auslagenpauschale des § 26 BRAGO (vgl. jetzt VV Ziff. 7002) hinausgehenden fiktiven Auslagen oder Reisekosten berücksichtigt. Solche waren weder geltend gemacht noch im einzelnen dargetan. Die Einschaltung eines weiteren Rechtsanwalts zu einem ausländischen Beweistermin wird zudem regelmäßig so erfolgen können, daß zusätzliche Auslagen und Reisekosten nicht anfallen.
3. Die Rechtsbeschwerde ist nach allem zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO, Nr. 1957 Kostenverzeichnis Anl. 1 zu § 11 Abs. 1 GKG. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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