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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 05.09.2006
Aktenzeichen: VI ZB 65/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91a
ZPO § 567
Ein Rechtsmittelverzicht ergibt sich nicht allein daraus, dass bei Abschluss eines Vergleichs auf eine Begründung der dem Gericht überlassenen Kostenentscheidung verzichtet wird.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 65/05

vom 5. September 2006

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. September 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 9. August 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt 1.160,58 €.

Gründe:

I.

Die Parteien haben sich durch einen in der mündlichen Verhandlung beim Landgericht geschlossenen Vergleich darüber geeinigt, wie die wechselseitigen Forderungen aus dem der Klage zugrunde liegenden Unfallereignis, auch im Innenverhältnis zwischen der Beklagten und dem Streithelfer, auszugleichen sind. Zudem haben sie vereinbart, dass über die Kosten des Verfahrens und des Vergleichs ohne Begründung gemäß § 91a ZPO entschieden werden soll.

Durch Beschluss vom 8. Juli 2005 hat das Landgericht entschieden, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden und die Kosten der Nebenintervention von der Klägerin und dem Nebenintervenienten jeweils zur Hälfte zu tragen sind.

Mit der sofortigen Beschwerde hat sich die Klägerin dagegen gewendet, dass ihr das Landgericht die Hälfte der Kosten des Streithelfers auferlegt hat. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Das Oberlandesgericht hat diese mit dem angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Mit dem Verzicht auf eine Begründung der Kostenentscheidung hätten die Parteien zugleich einen Rechtsmittelverzicht zum Ausdruck gebracht. Die Erklärung des Begründungsverzichts in einem Vergleich deute darauf hin, dass der gesamte Streit zwischen den Parteien beendet werden, also auch über die Kosten nicht noch künftig gestritten werden sollte. Dieser Schluss sei insbesondere gerechtfertigt, weil eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu erfolgen habe, also eine Beurteilung des Streits in der Sache selbst erfordere. Zudem dürfe ein Kostenbeschluss gemäß § 91a ZPO nur dann ohne Begründung bleiben, wenn er keinem Rechtsmittel unterliege.

Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin das Ziel weiter, nicht die Hälfte der Kosten des Streithelfers tragen zu müssen.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, weil das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft die sofortige Beschwerde der Klägerin als unzulässig verworfen hat.

1. Die vom Beschwerdegericht vertretene Ansicht entspricht einer verbreiteten Auffassung, wonach regelmäßig ein stillschweigender Rechtsmittelverzicht vorliegt, wenn die Parteien bei Abschluss eines Vergleichs dem Gericht die Kostenentscheidung unter Verzicht auf eine Begründung übertragen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 25. Juli 2002 - 20 W 11/02 - juris; OLG Köln MDR 2002, 109 f. und MDR 2000, 472; OLG Braunschweig MDR 2001, 1009; OLG Brandenburg NJW-RR 1995, 1212; OLG Hamm NJW-RR 1994, 1407; vgl. auch Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl. § 91a Rn. 37; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 515 Rn. 5). Nach der Gegenmeinung kann allein aus der Tatsache, dass auf eine Begründung der Kostenentscheidung verzichtet wird, nicht auf einen Rechtsmittelverzicht geschlossen werden (vgl. OLG Hamm MDR 2003, 116; MDR 2000, 721; NJW-RR 1997, 318; NJW-RR 1996, 63; NJW-RR 1995, 1213; OLG Schleswig NJW-RR 1998,1371; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 91a Rn. 148; MünchKommZPO/Lindacher, 2. Aufl., § 91a Rn. 63, 67; Schneider MDR 2000, 987; Zöller/Vollkommer, aaO, § 91a Rn. 27).

2. Die letztgenannte Ansicht erweist sich als zutreffend.

a) Der Senat hat die Erklärung, auf eine Begründung zu verzichten, als Prozesshandlung ohne Bindung an die Erwägungen des Beschwerdegerichts selbst auszulegen (vgl. Senatsurteile vom 12. März 2002 - VI ZR 379/01 - VersR 2002, 1125, 1126 und vom 28. März 1989 - VI ZR 246/88 - VersR 1989, 602 f.; Senatsbeschluss vom 7. November 1989 - VI ZB 25/89 - VersR 1990, 172, 173). Für die Auslegung einer Erklärung als Rechtsmittelverzicht ist Zurückhaltung geboten. Hier gelten wegen der Unwiderruflichkeit und Unanfechtbarkeit einer solchen Erklärung strenge Anforderungen (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1989 - VI ZR 246/88 - aaO; Senatsbeschluss vom 7. November 1989 - VI ZB 25/89 - aaO; BGH, Urteile vom 16. November 1993 - X ZR 7/92 - NJW 1994, 942 und vom 3. April 1974 - IV ZR 83/73 - NJW 1974, 1248, 1249). Zwar ist nicht erforderlich, dass ausdrücklich von einem "Verzicht" die Rede ist. Jedoch ist unabhängig von der Wortwahl ein Rechtsmittelverzicht nur dann anzunehmen, wenn in der Erklärung klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck gebracht wird, die Entscheidung endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen (vgl. Senatsurteile vom 12. März 2002 - VI ZR 379/01 - aaO und vom 28. März 1989 - VI ZR 246/88 - aaO; Senatsbeschluss vom 7. November 1989 - VI ZB 25/89 - aaO, vgl. ferner BGH, Urteil vom 6. März 1985 - VIII ZR 123/84 - NJW 1985, 2335).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts aus der Erklärung der Parteien, dass über die Kosten des Verfahrens und Vergleichs ohne Begründung gemäß § 91a ZPO entschieden werden solle, ein Rechtsmittelverzicht nicht entnehmen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände, die hier nicht vorliegen, kommt in dieser Erklärung nicht klar und eindeutig der Wille zum Ausdruck, die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO endgültig hinzunehmen und nicht anfechten zu wollen.

Aus dem Wortlaut der Erklärung ergibt sich kein Rechtsmittelverzicht. Ein solcher könnte daher allenfalls konkludent erklärt worden sein, wenn sich dies unter Berücksichtigung der Interessenlage der Beteiligten aus der Erklärung ableiten lässt. Das ist jedoch wegen der einschneidenden Folgen eines Rechtsmittelverzichts nicht der Fall. Es erscheint denkbar, dass in derartigen Fällen die beteiligten Anwälte beim Verzicht auf die Begründung nicht beabsichtigen, gleichzeitig auf ein Rechtsmittel zu verzichten. Nicht selten werden sie auf Anregung des Gerichts einen solchen Verzicht lediglich erklären, um dem Gericht die Arbeit zu erleichtern. Gerade in einem Anwaltsprozess ist davon auszugehen, dass der seiner Partei gegenüber verantwortliche Rechtsanwalt eine Erklärung mit einer so weitreichenden Auswirkung erst nach verantwortungsbewusstem Abwägen des Für und Wider abgeben und die weit reichenden Folgen nur in Kauf nehmen will, wenn er ausdrücklich einen Rechtsmittelverzicht erklärt.

Dies gilt umso mehr, als mit einem Rechtsmittelverzicht eine Kostenvergünstigung nicht verbunden ist, andererseits für die Partei und ihren Prozessbevollmächtigten aber schwerwiegende Nachteile entstehen können. Insbesondere ginge der die Erklärung abgebende Prozessbevollmächtigte, der möglicherweise ohne Rücksprache mit seiner Partei handelt, das Risiko ein, den Mandatsvertrag zu verletzen und ggf. einem Schadensersatzanspruch ausgesetzt zu sein (vgl. Schneider, MDR 2000, 987, 988 m.w.N.).

Für einen Rechtsmittelverzicht spricht auch nicht der vom Beschwerdegericht angeführte Gesichtspunkt, dass gerichtliche Entscheidungen - und damit auch ein Kostenbeschluss gemäß § 91a ZPO - nach § 313a ZPO oder dessen entsprechender Anwendung nur dann ohne Begründung bleiben dürfen, wenn sie keinem Rechtsmittel unterliegen. Die Erklärung, auf eine Begründung zu verzichten, macht im Hinblick auf die damit verbundene Arbeitserleichterung des Gerichts auch dann einen Sinn, wenn man damit keinen Rechtsmittelverzicht verbindet. Nicht selten wird die Kostenentscheidung des Gerichts die Parteien befriedigen, so dass sich die Frage eines Rechtsmittels nicht stellt. Andernfalls kann das die Kostenentscheidung erlassende Gericht entweder im Hinblick auf die mit der sofortigen Beschwerde vorgebrachten Gründe der Beschwerde abhelfen oder die fehlende Begründung mit Vorlage der Sache an das Beschwerdegericht nachholen, um diesem eine Überprüfung seiner Entscheidung zu ermöglichen.

3. Bei dieser Sachlage ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn die Kosten der Hauptparteien gegeneinander aufgehoben werden, nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Nebenintervenienten gegen den Gegner der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nicht zusteht. Wenn die Kosten des Rechtsstreits zwischen den Hauptparteien gegeneinander aufgehoben werden, gilt das nach § 101 ZPO auch im Verhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der von ihm unterstützten Hauptpartei. Dafür kommt es nicht darauf an, ob diese Kostenfolge aus einem richterlichen Erkenntnis, kraft Gesetzes aus dem Abschluss eines Prozessvergleichs oder aus einer entsprechenden Kostenregelung in einem Prozessvergleich der Hauptparteien folgt. Insoweit gilt nämlich der Grundsatz der Kostenparallelität, wonach der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers inhaltsgleich ist mit dem der von ihm unterstützten Partei (vgl. BGHZ 154, 351, 355; BGH, Beschlüsse vom 14. Juli 2003 - II ZB 15/02 - NJW 2003, 3354; vom 24. Juni 2004 - VII ZB 4/04 - NJW-RR 2004, 1506; vom 10. März 2005 - VII ZB 32/04 - NJW-RR 2005, 1159).

Ende der Entscheidung

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