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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 04.04.2006
Aktenzeichen: VI ZB 66/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, 2. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZB 66/04

vom 4. April 2006

in dem Rechtsbeschwerdeverfahren

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. April 2006 durch die Richter Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 16. August 2004 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 903,53 €

Gründe:

I.

Die Klägerin hat nach einem Verkehrsunfall den Beklagten zu 1 als Fahrer und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte, die keine eigene Rechtsabteilung unterhält, hat einem an ihrem Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt Hauptvollmacht erteilt. Den Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht hat ein dort ansässiger Rechtsanwalt in Untervollmacht wahrgenommen. In seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Februar 2004 hat das Amtsgericht die von der Klägerin an die Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.942,08 € festgesetzt und dabei die geltend gemachten Kosten für die Beauftragung des Unterbevollmächtigten berücksichtigt. Gegen den ihr am 4. März 2004 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 18. März 2004 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Erstattungsfähigkeit der Kosten des Unterbevollmächtigten wandte. Mit Beschluss vom 16. August 2004 hat das Landgericht den angefochtenen Beschluss dahingehend abgeändert, dass die Klägerin (nur) verpflichtet ist, an die Beklagten einen Betrag in Höhe von 1.038,55 € nebst Zinsen zu erstatten. Hiergegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit der sie die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts erstreben.

II.

1. Das Beschwerdegericht hat die Kosten eines Unterbevollmächtigten nicht als notwendig und damit erstattungspflichtig im Sinne des § 91 Abs. 1 ZPO erachtet. Es ist dabei zwar davon ausgegangen, dass es in der Regel zweckentsprechender Rechtsverfolgung im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO entspreche, einen am Wohn- oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt zu beauftragen und dieser einen Unterbevollmächtigten am Sitz des Prozessgerichts einschalten dürfe, falls dessen Kosten die Reisekosten des Hauptbevollmächtigten zur auswärtigen Terminswahrnehmung nicht überstiegen. Von diesem Grundsatz sei jedoch eine Ausnahme zu machen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung des Hauptbevollmächtigten absehbar sei, dass ein eingehendes Mandantengespräch nicht notwendig sei. Dabei sei unerheblich, ob die Beklagte zu 2 über eine eigene Rechtsabteilung mit Prozesserfahrung verfüge oder nicht. Entscheidend sei vielmehr, ob die den Rechtsanwalt beauftragende Partei in der Lage sei, den erforderlichen Informationsaustausch auf schriftlichem oder ggf. telefonischem Wege vorzunehmen, dies im Regelfall tue und auch im konkreten Einzelfall ein persönliches Treffen zwischen der Partei bzw. ihrem Vertreter und dem Rechtsanwalt nicht erforderlich gewesen sei. Es könne kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte zu 2 dazu in der Lage sei, einen Prozessbevollmächtigten schriftlich, mündlich oder per Telefax zu beauftragen und auf diesem Weg alle relevanten Informationen auszutauschen. Die Beklagten hätten auch nicht vorgetragen, dass hier im konkreten Einzelfall eine persönliche Besprechung notwendig gewesen wäre.

2. Diese Beurteilung hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Das Beschwerdegericht ist allerdings von dem zutreffenden rechtlichen Ansatz ausgegangen, dass die Kosten eines - hier tatsächlich eingeschalteten - Unterbevollmächtigten, der für den am Wohnort oder Geschäftsort der Partei ansässigen Anwalt Termine beim Prozessgericht wahrnimmt, dann notwendige Kosten der Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind, wenn durch die Tätigkeit des Unterbevollmächtigten erstattungsfähige Reisekosten des Hauptbevollmächtigten erspart werden, die ansonsten bei der Wahrnehmung des Termins durch den Unterbevollmächtigten entstanden wären (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. September 2004 - VI ZB 37/04 - VersR 2005, 997, 998 und vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - VersR 2004, 352, 353 und BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898, 899, jeweils m.w.N.). Notwendige Voraussetzung für die Erstattung von Kosten des Unterbevollmächtigten ist demnach zunächst, dass die dem Hauptbevollmächtigten im Falle eigener Terminswahrnehmung zustehenden Reisekosten dem Grunde nach zu erstatten sind. Das hat das Beschwerdegericht rechtsfehlerhaft verneint.

b) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Beklagten im Rahmen des § 91 ZPO zur Kostenersparnis eines am Ort des Prozessgerichts residierenden Rechtsanwalts als Hauptbevollmächtigten bedienen mussten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (aaO) hat sich die Beurteilung der Frage, ob aufgewendete Prozesskosten zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren, daran auszurichten, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte tun. Sie trifft lediglich die Obliegenheit, unter mehreren gleichgearteten Maßnahmen die kostengünstigere auszuwählen. In diesem Zusammenhang hat der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - (aaO) bereits entschieden, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der auswärtigen Partei ansässigen Rechtsanwalts auch dann regelmäßig zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbsatz ZPO anzusehen ist, wenn ein Haftpflichtversicherer Partei ist, der keine eigene Rechtsabteilung unterhält, sondern bei rechtlichen Schwierigkeiten einen Hausanwalt an seinem Geschäftsort beauftragt (so genanntes Outsourcing).

Ein eingehendes persönliches Mandantengespräch kann zwar auch bei Unternehmen ohne eigene Rechtsabteilung ausnahmsweise dann entbehrlich gewesen sein, wenn die Sache von Mitarbeitern bearbeitet worden ist, die in der Lage waren, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten umfassend schriftlich zu instruieren. Davon kann auszugehen sein, wenn es sich bei den mit der Sache befassten Mitarbeitern um rechtskundiges Personal handelt und der Rechtsstreit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufweist (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Mai 2004 - I ZB 3/04 - NJW-RR 2004, 1212, 1213 und vom 25. März 2004 - I ZB 28/03 - VersR 2005, 1305, 1306).

Hierzu hat das Beschwerdegericht aber keine Feststellungen getroffen, sondern lediglich allgemein ausgeführt, unter Berücksichtigung des täglich zu bewältigenden Versicherungsgeschäfts, in dem im Kontakt mit dem Versicherungsnehmer oder etwaigen dritten Geschädigten regelmäßig alle Kontakte lediglich schriftlich oder telefonisch erfolgten, könne kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Beklagte zu 2 in der Lage sei, dies zu tun und auf diesem Weg alle relevanten Informationen auszutauschen.

Dies reicht zur Begründung einer Ausnahme von dem grundsätzlichen Recht des Haftpflichtversicherers auf Beauftragung eines Hauptbevollmächtigten am Geschäftssitz (vgl. Senatsbeschluss vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - aaO) nicht aus, zumal die Beklagte zu 2 geltend macht, ihre Sachbearbeiter seien juristisch nicht geschult und verfügten über keine prozessualen Kenntnisse. Darüber hinaus ist die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei in der Regel nicht nur deshalb als eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzusehen, weil ein persönliches Informations- und Beratungsgespräch zwischen Partei und Anwalt mindestens zu Beginn eines Mandats in der ganz überwiegenden Mehrzahl der Fälle erforderlich und sinnvoll erscheint (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 2004 - VIII ZB 145/03 - FamRZ 2004, 866). Vielmehr wird dessen Beauftragung bei einem Unternehmen, das laufend Rechtsstreitigkeiten zu führen hat, auch von dessen Interesse getragen, mit besonders sachkundigen Rechtsanwälten seines Vertrauens am Ort zusammenzuarbeiten (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2004 - I ZB 4/04 - BGH-Report 2005, 472, 473), was insbesondere die Kommunikationswege vereinfachen kann. Deshalb lässt das Fehlen eines persönlichen Zusammentreffens des Sachbearbeiters mit diesem Rechtsanwalt nicht den zwingenden Schluss zu, dass die schriftliche oder telefonische Beauftragung eines am Ort des Prozessgerichts residierenden Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausgereicht hätte. Schließlich lässt die Entscheidung des Beschwerdegerichts auch nicht erkennen, dass die Rechtssache rechtlich und tatsächlich so einfach war, dass die Einschaltung des vertrauten Hauptbevollmächtigten am Geschäftssitz der Beklagten zu 2 von vorneherein entbehrlich erschien.

c) Nach alledem war der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit dieses die erforderlichen Feststellungen nachholen kann.



Ende der Entscheidung

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