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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.04.1998
Aktenzeichen: VI ZB 8/98
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 233 A |
a) Auch ein vom Verkehrsanwalt erteilter Rechtsmittelauftrag muß die Angabe enthalten, für welche Partei das Rechtsmittel eingelegt werden soll.
b) Zur Kontrollpflicht bei telefonischer Ergänzung des Rechtsmittelauftrags.
BGH, Beschluss vom 21. April 1998 - VI ZB 8/98 - OLG Koblenz LG Koblenz
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 21. April 1998
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler und Dr. Greiner
am 21. April 1998
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. Januar 1998 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 29.845 DM
Gründe:
I.
Das zum Teil klagabweisende Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 27. März 1997 zugestellt worden. Nachdem ihr zweitinstanzlicher Prozeßbevollmächtigter zunächst mit Schreiben vom 28. April 1997 Berufung für die Beklagten eingelegt hatte, die später zurückgenommen worden ist, hat er mit am 16. Mai 1997 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz für die Klägerin Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist mit folgender Begründung beantragt:
Die Verkehrsanwälte der Klägerin hätten ihn mit Schreiben vom 22. April 1997 unter Übersendung einer Urteilskopie mit der Einlegung der Berufung beauftragt, ohne mitzuteilen, für welche Partei Berufung eingelegt werden solle. Er habe hierauf seine seit 20 Jahren im Büro tätige und äußerst zuverlässige Angestellte St. angewiesen, dies mit dem Büro der Verkehrsanwälte zu klären. Bei Unterzeichnung der Berufungsschrift vom 28. April 1997 habe Frau St. ihm auf seine ausdrückliche Frage mitgeteilt, daß die Berufung nach Auskunft des Bürovorstehers der Verkehrsanwälte für die Beklagten zu 1 bis 3 eingelegt werden solle. Daß Berufung für die Klägerin einzulegen war, habe er erst durch einen Anruf dieses Büros am 12. Mai 1997 erfahren. Die Verkehrsanwälte beriefen sich darauf, daß mit ihrem Büro lediglich wegen der richtigen Bezeichnung der Klägerin telefoniert worden sei. Deshalb sei zu vermuten, daß Frau St. ein Mißverständnis unterlaufen sei.
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Zwar könne ein Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ausgeschlossen werden, wenn er sich auf die Zuverlässigkeit seiner Angestellten hätte verlassen dürfen. Es liege jedoch ein Verschulden der Verkehrsanwälte nahe, weil ihr Auftragsschreiben nicht habe erkennen lassen, für wen Berufung eingelegt werden solle. Die Klägerin habe auch trotz gerichtlichen Hinweises nichts dafür vorgetragen, daß die Verkehrsanwälte in anderer Weise für die rechtzeitige Einlegung der Berufung Sorge getragen hätten.
Gegen diesen am 9. Januar 1998 zugestellten Beschluß hat die Klägerin mit am 23. Januar 1998 beim Berufungsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgebracht, die Verkehrsanwälte beharrten darauf, daß mit ihnen nur wegen der richtigen Anschrift der Klägerin telefoniert worden sei. Deshalb sei unklar, auf welcher Seite das Mißverständnis unterlaufen sei. Wenn noch Vortrag zur Büroorganisation der Verkehrsanwälte erforderlich sei, müsse dieser durch die Verkehrsanwälte selbst erfolgen, denen hierzu Gelegenheit gegeben werden möge.
II.
Das form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Klägerin kann die beantragte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, weil die Fristversäumung jedenfalls auf dem Verschulden ihrer Verkehrsanwälte beruht, das sie sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß (BGH, Beschlüsse vom 16. Juni 1982 - IVa ZB 2/82 - NJW 1982, 2447 und vom 28. Februar 1991 - IX ZB 95/90 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 14).
Mit Recht hat das Berufungsgericht ein Verschulden der Verkehrsanwälte darin gesehen, daß der von ihnen gefertigte Rechtsmittelauftrag vom 22. April 1998 nicht die Angabe enthielt, für welche Partei Berufung eingelegt werden sollte. Dies war unerläßlich, weil durch das beigefügte Urteil sämtliche Parteien beschwert waren. Bei dieser Sachlage ist es selbstverständlich und bedarf keiner näheren Darlegung, daß dem Rechtsmittelanwalt mitgeteilt werden muß, für welche Partei er Berufung einlegen soll. Diese Verpflichtung obliegt auch dem Verkehrsanwalt, wenn er es unternimmt, den zweitinstanzlichen Rechtsanwalt zu beauftragen (vgl. BGH, Beschluß vom 22. November 1990 - I ZB 13/90 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 12). Unter den Umständen des Falles steht außer Zweifel, daß diese Unterlassung für die Fristversäumung ursächlich war, weil andernfalls ohne weiteres für die Klägerin Berufung eingelegt worden wäre, ohne daß es einer Nachfrage bedurft hätte. Deshalb kann dahinstehen, ob und welche Mißverständnisse bei dem Telefonat zwischen Frau St. und dem Büro der Verkehrsanwälte vorgefallen sind. Da das Verschulden der Verkehrsanwälte offensichtlich ist und der Vortrag der Klägerin auch keine Anhaltspunkte dafür enthält, daß diese Anwälte ihrerseits die erforderlichen Schritte unternommen hätten, um ihr Versäumnis bei Erteilung des Rechtsmittelauftrags zu korrigieren, sind Einzelheiten zu deren Büroorganisation entbehrlich. Deshalb ist lediglich zur Klarstellung darauf hinzuweisen, daß ggf. die Klägerin selbst hierzu vortragen müßte, weil es sich bei den Verkehrsanwälten, wie eingangs dargelegt, um ihre Bevollmächtigten im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO handelt.
2. Steht mithin bereits das Verschulden der Verkehrsanwälte an der Fristversäumung zwingend der beantragten Wiedereinsetzung entgegen, so bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, ob daneben auch ein Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vorliegt. Sollte das Berufungsgericht dahin zu verstehen sein, daß dieser sich auf die Mitteilung der zuverlässigen Bürokraft habe verlassen dürfen, wäre dies allerdings nicht unbedenklich. Da der Rechtsmittelauftrag vom 22. April 1997 nicht die unbedingt erforderliche Angabe enthielt, für welche Partei Berufung eingelegt werden sollte, war er erkennbar unvollständig und bedurfte deshalb der Ergänzung. Ob hierfür ein Telefonat ausreichen konnte, erscheint zweifelhaft. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß wegen der besonderen Bedeutung des Rechtsmittelauftrags für die Fristwahrung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Mitteilung des Zustelldatums zur Vermeidung von Hörfehlern schriftlich erfolgen muß und der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte sich deshalb nicht mit dem Ergebnis der telefonischen Auskunft einer Sekretärin begnügen darf (Senatsbeschluß vom 25. Mai 1993 - VI ZB 32/92 - VersR 1994, 199, 200). Ebenso besteht wegen der Gefahr von Hörfehlern eine besondere Kontrollpflicht, wenn der Rechtsmittelauftrag fernmündlich erteilt wird (BGH, Beschlüsse vom 26. September 1990 - VIII ZB 24/90 - BGHR ZPO § 233 Rechtsmittelauftrag 9; vom 28. Februar 1991 aaO und vom 2. Februar 1994 - XII ZB 187/93 - VersR 1994, 1324). Nach diesen Grundsätzen dürfte auch bei der vorliegenden Ergänzung des Rechtsmittelauftrags schriftliche Bestätigung oder eine anderweitige zuverlässige Kontrolle geboten gewesen sein, um Irrtümer und Mißverständnisse der geltend gemachten Art auszuschließen.
Ende der Entscheidung
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