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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 18.10.2005
Aktenzeichen: VI ZB 81/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 520 Abs. 3 Nr. 2 n.F. |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 18. Oktober 2005
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. Oktober 2005 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen sowie die Richter Stöhr und Zoll
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 20. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. November 2004 wird auf Kosten des Klägers verworfen.
Beschwerdewert: 445.000 €
Gründe:
I.
Der Kläger hat mit der vorliegenden Klage die Beklagte, die eine Klinik betreibt, nach zwei Operationen an der Lendenwirbelsäule unter dem Gesichtspunkt der Arzthaftung auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Es hat sowohl einen Behandlungsfehler als auch ein Aufklärungsverschulden verneint, ferner die Kausalität etwaiger Fehler für das Leiden des Klägers. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 16. Oktober 2003 begründet. Der Schriftsatz enthält keinen Berufungsantrag. Er befasst sich mit der Indikation für den vorgenommenen Eingriff und mit der behaupteten Verletzung der Aufklärungspflicht.
Das Berufungsgericht hat die Berufung durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist aber nicht zulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Ob die Berufungsbegründung die nach § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO erforderlichen Anträge mit der gebotenen Deutlichkeit enthalte, könne dahinstehen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass der Berufungsführer mit seiner Berufung den erstinstanzlich gestellten Sachantrag weiterverfolge. Über die entsprechende Rüge der Beklagten müsse indes nicht entschieden werden, denn die Berufung sei bereits deshalb unzulässig, weil es an der nach § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergäben, fehle. Das Landgericht habe unter Verwertung des schriftlichen Gutachtens ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob die Beklagte ihre Aufklärungspflicht verletzt habe, denn eine fehlende Aufklärung habe sich deshalb nicht ausgewirkt, weil es gerade nicht zu einer Nervläsion gekommen sei und die Schäden des Klägers aller Voraussicht nach auf einer so genannten Konversionsneurose beruhten, die bereits präoperativ mehrfach Ausdruck gefunden habe.
Diese Ausführungen habe der Kläger nicht ansatzweise angegriffen. Hierzu habe er bereits durch die Urteilsausführungen deutlichen Anlass gehabt. Das Landgericht habe die Klageabweisung immerhin auf zwei Gründe gestützt, nämlich zum einen auf die erfolgte Aufklärung des Klägers über mögliche Schadensfolgen der Operationen durch den Zeugen Dr. S., zum anderen auf die fehlende Ursächlichkeit zwischen den Operationen, deren sachgemäße Durchführung nicht mehr in Frage stehe, und den Schadensfolgen. In einem solchen Fall liege eine hinreichende Berufungsbegründung nur vor, wenn beide Abweisungsgründe in für sich ausreichender Weise angegriffen würden; stelle der Berufungsführer nur einen der beiden Gründe in Frage, sei sein Rechtsmittel unzulässig. So liege der Fall hier. Mithin komme es auch nicht darauf an, ob andere Behandlungsvarianten möglich gewesen wären. Auch wenn dies so wäre, ändere das nichts daran, dass die Operation die bei dem Kläger eingetretenen Schadensfolgen nicht verursacht habe, wovon mangels Berufungsangriffs weiterhin auszugehen sei, so dass die Klage und somit auch die Berufung - unabhängig von der mangelnden Berufungsbegründung - auch aus diesem Grund keinen Erfolg haben könnten.
2. Diese Ausführungen werfen, entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung geäußerten Auffassung, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Der Bundesgerichtshof hat bereits zu § 519 Abs. 3 Nr. 2 ZPO a.F. entschieden, dass dann, wenn das Erstgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich eines prozessualen Anspruchs auf mehrere voneinander unabhängige, selbständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt hat, die Berufungsbegründung das Urteil in allen diesen Punkten angreifen muss und daher für jede der mehreren Erwägungen darzulegen hat, warum sie die Entscheidung nicht trägt; andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig (BGHZ 143, 169, 171; Senatsurteil vom 13. November 2001 - VI ZR 414/00 - VersR 2002, 999, 1000 f.; BGH, Urteil vom 27. November 2003 - IX ZR 250/00 - NJW-RR 2004, 641 ff., jew. m.w.N.). Der Grund dafür liegt darin, dass in derartigen Fällen jede der gleichwertigen Begründungen des Erstgerichts seine Entscheidung trägt. Selbst wenn die gegen einen Grund vorgebrachten Angriffe durchgreifen, ändert sich nichts daran, dass die Klage aus dem anderen Grund weiterhin abweisungsreif ist.
Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass sich insoweit für den Anwendungsbereich des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F. abweichende Rechtsmaßstäbe ergeben könnten. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Dass der Rechtsmittelführer nicht zu allen für ihn nachteilig beurteilten Punkten in seiner Berufungsbegründung Stellung nehmen muss, es vielmehr genügt, wenn die Berufungsgründe sich mit einem einzelnen, den ganzen Streitgegenstand betreffenden Streitpunkt befassen und diesen in ausreichendem Maße behandeln, um das angefochtene Urteil insgesamt in Frage zu stellen, entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteil aaO), ändert aber nichts daran, dass jeder von mehreren Klageabweisungsgründen angegriffen werden muss.
3. Im vorliegenden Fall erfordert auch nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; eine Rechtsfortbildung scheidet erkennbar aus).
a) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen keinen insoweit relevanten Rechtsfehler erkennen. Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass ein ohne genügende Aufklärung vorgenommener medizinischer Eingriff rechtswidrig sei, hilft hier nicht weiter. Das Berufungsgericht versteht die Ausführungen in dem Urteil des Landgerichts dahin, dass ein Kausalzusammenhang zwischen etwaigen Aufklärungsversäumnissen und den Leiden, die Grundlage der Klageforderung sind, nicht bestehe. Die Nichtzulassungsbeschwerde zeigt nicht auf, inwiefern dies rechtsfehlerhaft sein könnte.
b) Angesichts dessen erfordern die Ausführungen des Berufungsgerichts eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wirkungsvollen Rechtsschutzes und der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Entgegen den Ausführungen der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsgericht die Tatsache, dass der Kläger Fehler sowohl bei der Aufklärung über Behandlungsalternativen als auch bei der Aufklärung über das Risiko des Eingriffs behauptet, in Erwägung gezogen; es hält diesen Vortrag aber im Hinblick auf die Kausalitätszweifel für nicht durchgreifend.
Ende der Entscheidung
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