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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.07.2008
Aktenzeichen: VI ZR 105/07
Rechtsgebiete: EWG-VO 1408/71, SGB VII, ZPO


Vorschriften:

EWG-VO 1408/71 Art. 93
SGB VII § 105
ZPO § 293
a) Die Regelungen des internationalen Privatrechts, wozu auch die einschlägigen Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie die von Deutschland ratifizierten kollisionsrechtlichen Staatsverträge gehören, beanspruchen allgemeine Verbindlichkeit, ohne dass es darauf ankäme, ob sich eine der Parteien auf die Anwendung ausländischen Rechts beruft.

b) Für die Frage der Haftungsbefreiung bei Arbeitsunfällen gelten nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, dessen Sozialversicherungsträger die Unfallfürsorge zu gewähren haben.

c) Die Vorschriften der EWG-VO 1408/71 lassen grundsätzlich sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche unberührt, die nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen des Beschäftigungsstaates bereits begründet sind, dessen Rechtsvorschriften der Versicherte nach Art. 13 ff. der Verordnung unterliegt.


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 105/07

Verkündet am: 15. Juli 2008

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, die Richter Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter Zoll

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. März 2007 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerinnen machen auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegen die Beklagten geltend.

Am 24. Januar 2003 fuhren der Beklagte zu 1, sein Arbeitskollege P. sowie drei weitere Personen von ihrem gemeinsamen Arbeitsort in den Niederlanden zu ihren Wohnorten in Sachsen-Anhalt. Das Fahrzeug hatte der niederländische Arbeitgeber den Beschäftigten u. a. für die Fahrten zwischen Arbeitsort und Schlafstätte in den Niederlanden sowie für Wochenendheimfahrten überlassen. Es war in den Niederlanden zugelassen und bei einem niederländischen Versicherer haftpflichtversichert. Daneben hat der Beklagte zu 2 die Pflichten eines Kraftfahrzeughaftpflichtversicherers nach dem AuslPflVersG übernommen. Der Beklagte zu 1, der das Fahrzeug lenkte, verursachte im Inland auf der BAB 14 einen Verkehrsunfall, bei dem P. schwer verletzt wurde.

Die Klägerin zu 1 gewährt dem Geschädigten P. seit dem 27. Januar 2004 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Klägerin zu 2 übernahm teilweise die Kosten einer stationären Rehabilitationsbehandlung, in der sich P. vom 17. Februar bis zum 2. Oktober 2003 befand. Unter Berufung auf den Anspruchsübergang nach § 116 SGB X machen die Klägerinnen Schadensersatzansprüche des P. wegen des Unfalls gegen die Beklagten geltend. Die Klägerin zu 1 begehrt Ersatz für die von ihr bis zum 31. Juli 2005 erbrachten Rentenleistungen sowie die Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich künftiger Leistungen an den Geschädigten. Die Klägerin zu 2 verlangt Ersatz der ihr entstandenen Aufwendungen für Rehabilitationsmaßnahmen.

Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht verneint die Aktivlegitimation der Klägerinnen. Es könne offen bleiben, ob Schadensersatzansprüche des Geschädigten P. gegen die Beklagten entstanden seien, jedenfalls seien etwaige Ansprüche wegen der Haftungsprivilegierung gemäß §§ 105 Abs. 1 Satz 3, 104 Abs. 1 Satz 2 SGB VII nicht nach § 116 SGB X auf die Klägerinnen übergegangen. Es handle sich um einen Arbeitsunfall auf einem Betriebsweg im Sinne von §§ 105 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 SGB VII und nicht um einen Unfall nach § 8 Abs. 2 SGB VII. Die gemeinsamen Wochenendheimfahrten seien Teil des innerbetrieblichen Organisations- und Funktionsbereichs, weil das Fahrzeug den Arbeitskollegen von ihrem Arbeitgeber dauerhaft dafür zur Verfügung gestellt worden sei. Ob nach deutschen oder niederländischen Rechtsvorschriften Unfallversicherungsleistungen tatsächlich erbracht würden, sei ebenso unerheblich wie die Ausgestaltung des Versicherungssystems in den Niederlanden. Die Haftungsbeschränkungen der §§ 104, 105 SGB VII seien trotz der Beschäftigung in den Niederlanden im Streitfall anzuwenden, weil sich deutsche Staatsangehörige sonst daran gehindert sehen könnten, in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft zu arbeiten, wenn sie befürchten müssten, in ihrem Heimatstaat infolge des Verlusts des Haftungsprivilegs bei Ansprüchen aus Arbeitsunfällen weniger geschützt zu sein. Außerdem hätten die Klägerinnen selbst jeglichen Auslandsbezug des Streitfalls und insbesondere die Anwendbarkeit der EWG-VO Nr. 1408/71 mit der Begründung verneint, es handle sich bei dem Geschädigten um einen deutschen Staatsangehörigen, der Unfall habe sich in Deutschland ereignet und es seien die Rentenleistungen durch einen deutschen Versicherer auf Grund früherer Beitragszeiten nach deutschem Recht erbracht worden.

II.

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht durfte Ansprüche der Klägerinnen nicht schon deshalb verneinen, weil der Beklagte zu 1 nach den Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert sei. Ob sozialversicherungsrechtliche Haftungsfreistellungen zu Gunsten von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern eingreifen, beurteilt sich im Streitfall nach niederländischem Recht.

1. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht seine Pflicht nach § 293 ZPO verletzt hat, zur Vorbereitung seiner Entscheidung das einschlägige niederländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (vgl. BGH, BGHZ 118, 151, 162 ff.; Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 78/04 - NJW-RR 2005, 1071, 1072; Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 293 Rn. 14 ff.).

a) Kommt bei der Beurteilung eines Sachverhalts die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht, hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob das deutsche internationale Privatrecht die Anwendung des deutschen oder des ausländischen Rechts vorschreibt. Die Regelungen des internationalen Privatrechts, wozu auch die einschlägigen Normen des europäischen Gemeinschaftsrechts sowie die von Deutschland ratifizierten kollisionsrechtlichen Staatsverträge gehören, beanspruchen allgemeine Verbindlichkeit, ohne dass es darauf ankäme, ob sich eine der Parteien auf die Anwendung ausländischen Rechts beruft (vgl. BGH, Urteile vom 7. April 1993 - XII ZR 266/91 - NJW 1993, 2305, 2306; vom 6. März 1995 - II ZR 84/94 - NJW 1995, 2097; vom 21. September 1995 - VII ZR 248/94 - NJW 1996, 54; vom 25. September 1997 - II ZR 113/96 - RIW 1998, 318, 319; Zöller/Geimer aaO, § 293 Rn. 9 ff.). Die richtige Anwendung des deutschen internationalen Privatrechts ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGHZ 136, 380, 386 m.w.N.).

b) Gegen diese Vorgaben verstößt das Berufungsgericht, indem es die Anwendbarkeit der §§ 104 ff. SGB VII damit begründet, die Klägerinnen hätten jeglichen Auslandsbezug des Streitfalls verneint und müssten sich daran auch im Hinblick auf die Anwendung der §§ 104 ff. SGB VII festhalten lassen. Da der Beklagte zu 1 und der Geschädigte P. bei demselben Arbeitgeber in den Niederlanden beschäftigt waren und der Unfall sich auf der Fahrt vom Arbeitsort in den Niederlanden zum inländischen Wohnort ereignet hat, musste sich dem Berufungsgericht die Frage der Anwendung niederländischen Sozialversicherungsrechts aufdrängen. Hingegen konnte der Vortrag der Klägerinnen, der Fall sei nach deutschem Recht zu beurteilen, das Berufungsgericht seiner Pflicht zur Prüfung des anzuwendenden Rechts nicht entheben, zumal die Klägerinnen in der Sache stets vorgetragen haben, dass im Streitfall die Haftungsbeschränkungen des deutschen Unfallversicherungsrechts nicht anwendbar seien.

2. Die Vorschriften des deutschen Rechts über Haftungsfreistellungen für Arbeitgeber und von ihnen beschäftigte Arbeitnehmer sind nach den tatsächlichen Umständen im Streitfall nicht anwendbar. Vielmehr ist gemäß Art. 93 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, niederländisches Sozialrecht maßgebend.

a) Gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV ist die EWG-VO 1408/71 unmittelbar anzuwendendes Recht und genießt Vorrang vor den entsprechenden nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten (Senatsurteil vom 7. November 2006 - VI ZR 211/05 - VersR 2007, 64, 65 m.w.N.). Nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 sind die sozialrechtlichen Vorschriften zur Haftungsfreistellung von Arbeitgebern und den von ihnen beschäftigten Arbeitnehmern bei Arbeitsunfällen dem Sozialversicherungsrecht zu entnehmen, das auf den Geschädigten anzuwenden ist. Nach gefestigter Rechtsmeinung sind sozialrechtliche Haftungsprivilegien nicht dem materiellen Deliktsrecht zuzuordnen, welches die EWG-VO 1408/71 unberührt lässt (vgl. EuGH, Urteile vom 2. Juni 1994 - C-428/92 Slg. 1994, I-2259 Rn. 21 - DAK; vom 21. September 1999 - C-397/96 Slg. 1999, I-5959 Rn. 15 - Kordel), sondern dem Recht der Systeme der sozialen Sicherheit (Senatsurteil vom 7. November 2006 - VI ZR 211/05 - aaO, S. 66 m.w.N.). Für die Frage der Haftungsbefreiung bei Arbeitsunfällen gelten nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates, nach denen für den Arbeitsunfall Leistungen zu erbringen sind, dessen Sozialversicherungsträger die Unfallfürsorge also zu gewähren haben; diese Rechtsvorschriften gelten auch dann, wenn das zivilrechtliche Haftungsrecht und das Sozialversicherungsrecht für Arbeitsunfälle dem Recht verschiedener Mitgliedstaaten zu entnehmen sind (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2006 - VI ZR 211/05 - aaO; Palandt/Heldrich, BGB, 67. Aufl., Art. 3 EGBGB Rn. 12; Eichenhofer, IPRax 2003, 525, 526 f.; Fuchs/Eichenhofer, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 93 Rn. 7; Wannagat/Waltermann, Sozialgesetzbuch, Stand: 15. Lieferg. 2007, § 104 SGB VII Rn. 27; Lauterbach/Raschke, Unfallversicherung, 4. Aufl., Stand: 35. Lieferg. 2007, § 97 SGB VII Rn. 10.9; Daum, Der Sozialversicherungsregress nach § 116 SGB X im Internationalen Privatrecht, 1995, S. 37 ff.; Birk, in: Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 20 Rn. 150; Haas, ZZP 108 [1995], 219, 236, 238; Staudinger/Hausmann, BGB, Bearb. 2002, Art. 33 EGBGB Rn. 92). Für Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft besitzen und für die die EWG-VO 1408/71 nach Art. 2 Abs. 1 gilt, ist nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 lit. a EWG-VO 1408/71 allein das Sozialrecht des Mitgliedstaats anzuwenden, in dem der Arbeitnehmer abhängig beschäftigt ist, selbst wenn er in einem anderen Mitgliedstaat wohnt (vgl. Senatsurteil vom 7. November 2006 - VI ZR 211/05 - aaO).

b) Im Streitfall waren sowohl der Geschädigte P. als auch der Beklagte zu 1 bei einem niederländischen Arbeitgeber in den Niederlanden abhängig beschäftigt. Folglich ist nach Art. 13 Abs. 2 lit. a EWG-VO 1408/71 das zum Zeitpunkt des Unfalls geltende niederländische Sozialrecht anzuwenden. Demzufolge waren die niederländischen Träger nach den Regelungen der EWG-VO 1408/71 für die Leistungsgewährung wegen des Unfallereignisses zuständig, obwohl sich der Unfall in Deutschland und damit im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ereignet hat. Nach Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 ist somit den für die Erbringung der Unfallfürsorge maßgeblichen Rechtsvorschriften der Niederlande zu entnehmen, ob im Streitfall eine Haftungsfreistellung für Arbeitgeber und von ihnen beschäftigte Arbeitnehmer bei Arbeitsunfällen zu Gunsten des Beklagten zu 1 eingreift.

Demnach hat das Berufungsgericht die Haftungsausschlüsse des deutschen Unfallversicherungsrechts rechtsfehlerhaft angewendet, ohne das hier maßgebliche Kollisionsrecht, zu dem Art. 93 Abs. 2 EWG-VO 1408/71 gehört, zu beachten (vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 EGBGB; Palandt/Heldrich aaO, Art. 3 EGBGB Rn. 12). Schon deswegen ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der erkennende Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), da weitere Feststellungen zum Inhalt des anzuwendenden niederländischen Sozialversicherungsrechts (§ 293 ZPO), den näheren Umständen der Leistungserbringung durch die Klägerinnen und erforderlichenfalls zum Unfallhergang zu treffen sind.

3. Obwohl nämlich der Geschädigte im Streitfall nach Art. 13 Abs. 2 lit. a EWG-VO 1408/71 zum Zeitpunkt des Unfalls nur den sozialrechtlichen Rechtsvorschriften der Niederlande unterlag, kann die für einen Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X erforderliche Verpflichtung der Klägerinnen, auf Grund des Schadensereignisses an den Geschädigten P. Sozialleistungen zu erbringen, nicht schon deswegen verneint werden, weil es sich bei den Klägerinnen nicht um die zuständigen Sozialleistungsträger im Sinne der kollisionsrechtlichen Regelungen der EWG-VO 1408/71 handele.

a) Den Bestimmungen der EWG-VO 1408/71 kann nicht entnommen werden, dass die Klägerinnen infolge des anzuwendenden niederländischen Sozialversicherungsrechts keine Leistungen an den Geschädigten P. auf Grund des deutschen Sozialversicherungsrechts zu erbringen hätten. Auch regeln die Vorschriften der EWG-VO 1408/71 den Rückgriff der Sozialversicherungsträger nicht in der Weise abschließend, dass dadurch Regressmöglichkeiten eines nach nationalen Vorschriften leistungspflichtigen Trägers, die sich aus dem nationalen Sozialversicherungsrecht ergeben, das der inländische Sozialversicherungsträger bei Erbringung seiner Leistungen anwendet, gegen den haftenden Schädiger ausgeschlossen würden. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Regelungen des europäischen Sozialrechts keine originären Ansprüche auf die Erbringung von Sozialleistungen gewähren. Die EWG-VO 1408/71 enthält weder anspruchsbegründende Normen noch bestimmt sie einen europäischen Sozialleistungsträger. Welche Sozialleistungen unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe gewährt werden, regeln die nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten vielmehr nach wie vor autonom (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 28. April 1994 - C-305/92, Slg. 1994, I-1525 Rn. 13, 16 - Hoorn; vom 20. September 1994 - C-12/93, Slg. 1994, I-4347 Rn. 26 ff. - Drake; von der Groeben/Schwarze-Langer, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Art. 42 EG Rn. 10). Ansprüche auf Sozialleistungen und die dafür zuständigen Stellen bestimmen sich allein nach den jeweiligen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, wobei die mitgliedstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit durch die EWG-VO 1408/71 koordiniert werden, soweit es deren Zielsetzung erfordert. Die Ansprüche auf Sozialleistungen sind demnach im Zusammenspiel des koordinierenden europäischen Sozialrechts mit den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten begründet (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 5. Juli 1988 - 21/87, Slg. 1988, 3731 Rn. 23 m.w.N. - Borowitz; vom 20. Juni 1991 - C-356/89, Slg. 1991, I-3017 Rn. 18 - Stanton Newton; vom 28. November 1991 - C-186/90, Slg. 1991, I-5773 Rn. 14 m.w.N. - Durighello; vom 7. Juli 1994 - C-146/93, Slg. 1994, I-3229 Rn. 29, 37 f. - McLachlan; Hanau/Steinmeyer/Wank-Steinmeyer, Handbuch des europäischen Arbeits- und Sozialrechts, 2002, § 21 Rn. 10; von der Groeben/Schwarze-Langer aaO).

b) Auch kann die Anwendung der Regelungen der EWG-VO 1408/71 regelmäßig nicht zum Verlust von Leistungsansprüchen führen, die nach dem nationalen Recht eines der Mitgliedstaaten ohne Rückgriff auf die Gemeinschaftsvorschriften bereits erworben worden sind (vgl. etwa EuGH, Urteile vom 21. Oktober 1975 - 24/75, Slg. 1975, 1149 Rn. 11 ff. - Petroni; vom 10. Januar 1980 - 69/79, Slg. 1980, 75 Rn. 11 ff. - Jordens-Vosters; vom 12. Juni 1986 - 302/84, Slg. 1986, 1821 Rn. 22 - Ten Holder; vom 5. Juli 1988 - 21/87, Slg. 1988, 3731 Rn. 24 - Borowitz; vom 28. November 1991 - C-186/90, Slg. 1991, I-5773 Rn. 15 ff. m.w.N. - Durighello; Fuchs/Schuler, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 12 Rn. 3; Schulte, EuR 1982, 357, 367; Schuler, EuR 1985, 113, 132; von der Groeben/Schwarze-Langer aaO, Art. 42 EG Rn. 13; Schulte in: von Maydell/Ruland/Becker, Sozialrechtshandbuch, 4. Aufl., § 33 Rn. 38), denn europäisches koordinierendes Sozialrecht soll grundsätzlich nicht rechtsverkürzend, sondern nur rechtserweiternd wirken (vgl. Eichenhofer, Sozialrecht, 6. Aufl., § 4 Rn. 94; dens., JZ 1992, 269, 273; Kasseler Kommentar/Seewald, Stand: 57. Erg. Lieferg. 2008, § 6 SGB IV Rn. 4 h). Somit werden Leistungsverpflichtungen deutscher Sozialversicherungsträger, die allein nach nationalem Sozialrecht begründet sind, durch das koordinierende europäische Sozialrecht im Allgemeinen weder vermindert noch beseitigt. Die Vorschriften der EWG-VO 1408/71 lassen vielmehr grundsätzlich sozialversicherungsrechtliche Leistungsansprüche unberührt, die nach dem nationalen Recht eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen des Beschäftigungsstaates bereits begründet sind, dessen Rechtsvorschriften der Versicherte nach Art. 13 ff. der Verordnung unterliegt.

c) Sie schließen die Anwendung der Rechtsordnung eines anderen Mitgliedstaates als des Beschäftigungsstaates nur insoweit aus, als der Betroffene andernfalls verpflichtet wäre, Beiträge an einen Sozialversicherungsträger zu entrichten, ohne dass dieser ihm für das gleiche Risiko und den gleichen Zeitraum einen zusätzlichen Vorteil gewähren würde. Hingegen können Staaten, die nicht Beschäftigungsstaaten sind, dem Versicherten ebenfalls Leistungsansprüche geben, obwohl diesem nach dem Recht des Beschäftigungsstaates für dasselbe Risiko und denselben Zeitraum ein gleichartiger Anspruch zusteht, sofern dies nicht mit einer doppelten Beitragspflicht verbunden ist (vgl. EuGH, Urteile vom 9. Juni 1964 - 92/63, Slg. 1964, 611, 629 f. - Nonnenmacher; vom 5. Dezember 1967 - 19/67, Slg. 1967, 461, 473 f. - van der Vecht; vom 5. Mai 1977 - 102/76, Slg. 1977, 815 Rn. 10 ff. - Perenboom; vom 3. Mai 1990 - C-2/89, Slg. 1990, I-1755, Rn. 12 ff. - Kits van Heijningen; Fuchs/Steinmeyer, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl., Art. 13 Rn. 2; Waldhoff, in: Becker/Schön, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, 2005, S. 193, 202 in Fn. 53; vgl. auch EuGH, Urteil vom 12. Juni 1986 - 302/84, Slg. 1986, 1821 Rn. 19, 22 - Ten Holder). Die in Art. 13 ff. EWG-VO 1408/71 bestimmte alleinige Geltung der Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates soll zwar sicherstellen, dass der soziale Schutz eines Wanderarbeitnehmers lückenlos ist (vgl. EuGH, Urteil vom 3. Mai 1990 - C-2/89, Slg. 1990, I-1755, Rn. 12 - Kits van Heijningen) und insbesondere eine doppelte Beitragsbelastung verhindern (vgl. EuGH, Urteil vom 5. Mai 1977 - 102/76, Slg. 1977, 815 Rn. 10 ff. - Perenboom; Fuchs/Steinmeyer aaO, Art. 13 Rn. 4; Devetzi, Die Kollisionsnormen des Europäischen Sozialrechts, 2000, S. 91), sie schließt aber nicht generell aus, dass Wanderarbeitnehmern nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Ansprüche auf Leistungen zustehen und folglich mehrere Leistungsträger nebeneinander leistungsverpflichtet sein können.

Für die Gewährung von Leistungen bei Invalidität im Sinne der Art. 37 ff. EWG-VO 1408/71, für die nach Art. 40 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 die Vorschriften der Art. 44 ff. EWG-VO 1408/71 gelten, wenn der Versicherte auch Versicherungszeiten nach deutschem Sozialversicherungsrecht zurückgelegt hat (vgl. Fuchs/Schuler aaO, Art. 39 Rn. 1; Schulte in: von Maydell/Ruland aaO, D. 32 Rn. 136; Haverkate/Huster, Europäisches Sozialrecht, 1999, Rn. 223), verdeutlichen dies schon die Regelungen der Art. 44 ff. EWG-VO 1408/71. Sie lassen nicht etwa einen einheitlichen europäischen Rentenanspruch entstehen oder konzentrieren die Ansprüche des Wanderarbeitnehmers auf einen der Mitgliedstaaten, sondern sehen vor, dass dieser seine Ansprüche jeweils gegen die Leistungsträger in den Mitgliedstaaten geltend machen kann, denen gegenüber er eine Leistungsberechtigung erworben hat (vgl. etwa Haverkate/Huster aaO, Rn. 220; Schulte in: von Maydell/Ruland aaO, D. 32 Rn. 137 ff.; Fuchs/Schuler aaO, Art. 46 Rn. 2; Devetzi aaO, S. 98 f.).

d) Im Streitfall bewirkt somit die Unterstellung des Geschädigten P. unter die Rechtsvorschriften der Niederlande als dem nach Art. 13 Abs. 2 lit. a EWG-VO 1408/71 maßgeblichen Beschäftigungsstaat zum Zeitpunkt des Unfallereignisses zwar, dass der Geschädigte lediglich in den Niederlanden sozialversicherungspflichtig war und eine gleichzeitige Versicherungspflicht in der deutschen Sozialversicherung nicht bestand. Schon deshalb ist die Anwendung der §§ 104 ff. SGB VII zu Lasten des Geschädigten P. ausgeschlossen, da P. zum Zeitpunkt des Unfallereignisses nicht Versicherter der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung war. Indes wären etwaige Leistungsansprüche des Geschädigten, die nach deutschem Rentenversicherungsrecht unabhängig von einer Versicherungspflicht zum Zeitpunkt des Unfalls bestanden haben könnten, durch die Regelungen des koordinierenden europäischen Sozialrechts nicht geschmälert worden. Ansprüche des Geschädigten P. gegen die Klägerinnen nach nationalem Recht sind jedenfalls nicht auszuschließen, weil das Ende der Versicherungs- und Beitragspflicht des Geschädigten in der deutschen Rentenversicherung den Fortbestand eines Versicherungsverhältnisses nicht hindert, sofern dieses auf Grund einer früheren Versicherungspflicht des Geschädigten in Deutschland einmal begründet worden war. Insoweit gilt der Grundsatz, dass früher erworbene Anwartschaften grundsätzlich durch das Ende der Versicherungs- und Beitragspflicht nicht berührt werden.

e) Demnach wird sich das Berufungsgericht mit dem Vortrag der Klägerinnen zu befassen haben, wonach sich ihre jeweilige Leistungspflicht gegenüber dem Geschädigten P. aus den Vorschriften des SGB VI ergebe. Dabei wird es gegebenenfalls eine Bindung an eine unanfechtbare Entscheidung des Sozialversicherungsträgers nach § 118 SGB X zu beachten haben. § 118 SGB X greift unabhängig davon ein, ob der Schädiger am Verfahren beteiligt worden ist (vgl. OLG Hamm, r+s 1999, 418, 419; LPK-SGB X/Breitkreuz, 2. Aufl., § 118 Rn. 1). Fehlt eine entsprechende Entscheidung des Sozialversicherungsträgers oder des Sozialgerichts, wird das Berufungsgericht die Aussetzung der Verhandlung gemäß § 148 ZPO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des Sozialversicherungsträgers oder des Sozialgerichts zu prüfen haben (vgl. Kasseler Kommentar/Kater aaO, § 118 SGB X Rn. 1; Geigel/Plagemann, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 30 Rn. 130; Wannagat/Eichenhofer, Sozialgesetzbuch, Stand: 3. Lieferg. 2001, § 118 SGB X Rn. 2). Sollte eine Leistungspflicht der Klägerinnen bestehen, läge die für einen Anspruchsübergang auf die Klägerinnen nach § 116 SGB X erforderliche Verpflichtung zur Erbringung von Sozialleistungen auf Grund des Schadensereignisses vor, weil sich der Forderungsübergang nach dem Recht richtet, das für die Erbringung der Sozialleistungen durch die Klägerinnen zuständig ist. Dies ergibt sich sowohl aus Art. 93 Abs. 1 EWG-VO 1408/71 (vgl. Senatsurteil BGHZ 57, 265, 269; EuGH, Urteile vom 2. Juni 1994 - C-428/92 Slg. 1994, I-2259 Rn. 16 ff. - DAK; vom 21. September 1999 - C-397/96 Slg. 1999, I-5959 Rn. 15 ff. - Kordel; Dahm, VersR 2004, 1242 f.; Fuchs/Eichenhofer aaO, Art. 93 Rn. 4; Staudinger/Hausmann aaO, Art. 33 EGBGB Rn. 92) als auch aus Art. 33 Abs. 3 Satz 1 EGBGB (vgl. Plagemann in: von Maydell/Ruland/Becker aaO, § 9 Rn. 20; Wannagat/Eichenhofer aaO, § 116 SGB X Rn. 72; Münchener Kommentar/Martiny, BGB, 4. Aufl., Art. 33 EGBGB Rn. 35; Staudinger/Hausmann aaO, Art. 33 EGBGB Rn. 80; Staudinger/von Hoffmann BGB, Bearb. 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 454; von Bar, RabelsZ 53, 462, 479 f.; Wandt, ZVglRWiss 86, 272, 278).

Eine den Anspruchsübergang nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auslösende Leistungsverpflichtung könnte sich für die Klägerin zu 1 insbesondere in Form einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach § 43 SGB VI ergeben. Für die Klägerin zu 2 käme eine Leistungsverpflichtung aus § 15 SGB VI in Betracht. Diese würde nicht davon berührt, dass Leistungen der medizinischen Rehabilitation den Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft im Sinne der Art. 18 ff. EWG-VO 1408/71 zuzurechnen sind (EuGH, Urteil vom 10. Januar 1980 - 69/79, Slg. 1980, 75 Rn. 6 ff. - Jordens-Vosters; BSG, SozR 3-2200 § 1241 RVO Nr. 3) und deshalb unter gewissen Voraussetzungen auch eine Leistungsgewährung durch die Klägerin zu 2 als Träger des Wohnorts für Rechnung des zuständigen Trägers nach den genannten Vorschriften in Betracht gekommen wäre. Da dafür vom Berufungsgericht nichts festgestellt und derzeit auch nichts ersichtlich ist, bedarf jedenfalls gegenwärtig die Frage keiner Entscheidung, ob in einem solchen Fall Art. 93 Abs. 3 EWG-VO 1408/71 eine nach den nationalen Vorschriften des leistenden Trägers bestehende Rückgriffsmöglichkeit gegen den haftenden Schädiger ausschließen und diesen Träger auf die Erstattung der Kosten durch den zuständigen Träger verweisen würde, solange keine Vereinbarung über den Verzicht auf Erstattung geschlossen ist (vgl. Börner, ZIAS 1995, 369, 409 f.; Lauterbach/Raschke aaO, § 97 SGB VII Rn. 10.9).

III.

Ob Schadensersatzansprüche des Geschädigten P. auf die Klägerinnen übergegangen sind, hängt somit zunächst davon ab, ob nach dem Sozialversicherungsrecht der Niederlande zu Gunsten des Beklagten zu 1 eine umfassende sozialrechtliche Haftungsfreistellung und nicht nur eine Beschränkung der Regressmöglichkeit für Arbeitgeber und von ihnen beschäftigte Arbeitnehmer eingreift. Das Berufungsgericht wird zur Vorbereitung seiner Entscheidung darüber in dem von § 293 ZPO vorgeschriebenen Verfahren (vgl. etwa BGH, BGHZ 118, 151, 162 ff.; Urteil vom 25. Januar 2005 - XI ZR 78/04 - NJW-RR 2005, 1071, 1072; Zöller/Geimer aaO, § 293 Rn. 14 ff.) das einschlägige niederländische Recht von Amts wegen zu ermitteln haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere dem Vortrag der Klägerinnen nachzugehen, wonach das Sozialversicherungsrecht der Niederlande weder eine gesetzliche Unfallversicherung (vgl. Pabst, Die BG 2002, 580 ff.) noch Haftungsfreistellungen kenne, die den §§ 104 ff. SGB VII entsprechen (vgl. von Hippel, in: Fleming/Hellner/von Hippel, Haftungsersetzung durch Versicherungsschutz, 1980, S. 40, 45; Stalfort, Der Schutz von Unfallopfern durch die Sozialversicherung in Deutschland und in den Niederlanden, Diss. 1993, S. 157, 285; Adelmann, IPRax 2007, 538, 540), sondern in den Niederlanden die Leistungen, die in der Bundesrepublik Deutschland die gesetzliche Unfallversicherung erbringt, aus Steuermitteln finanziert würden.

Kommt hiernach eine Haftungsfreistellung nicht in Betracht, ist zu prüfen, ob auf die Klägerinnen übergegangene zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des Geschädigten P. gegen den Beklagten zu 1 bestehen, für die auch der Beklagte zu 2 einzustehen hat. Das wäre gemäß Art. 40 Abs. 2 Satz 1 EGBGB nach deutschem Deliktsrecht zu beurteilen, sofern der Beklagte zu 1 und der Geschädigte P. zum Zeitpunkt des Unfalls ihren gewöhnlichen Aufenthalt jeweils in Deutschland hatten, wovon auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen auszugehen ist.

Ende der Entscheidung

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