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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 12.06.2007
Aktenzeichen: VI ZR 196/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 544 Abs. 7 |
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
vom 12. Juni 2007
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juni 2007 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll beschlossen:
Tenor:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 9. August 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 21.000,00 €
Gründe:
1. Die Klägerin wurde im Jahre 1995 bei einem von einem Versicherungsnehmer der Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfall verletzt. Sie erlitt ein Schleudertrauma an der Halswirbelsäule mit der Folge einer dauernden Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15 %. Die Beklagte zahlte wegen der Unfallfolgen zunächst einen Betrag von 5.000 DM. Am 18. September 1996 schlossen die Parteien einen Abfindungsvergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, zur Abfindung aller Schadensersatzansprüche der Klägerin weitere 3.000 DM zu zahlen. Der Vergleich enthält folgende Zusatzvereinbarung:
"Vorbehalten bleiben weitere immaterielle Ansprüche, für den Fall einer Verschlechterung der Beschwerden, sowie Auslagen zur Wahrnehmung erforderlicher Heilbehandlungen. BGH-Rechtsprechung (VersR 80, 975)."
In der Folgezeit verschlimmerte sich der Gesundheitszustand der Klägerin. Im Jahre 2002 wandte sie sich wegen einer deutlichen Verschlechterung ihrer Beweglichkeit an die Beklagte. Eine Begutachtung ihres Gesundheitszustands ergab, dass es aufgrund des Unfalls zu einem Bandscheibenvorfall gekommen war, der erstmals auf einem MRT-Bild vom 6. Januar 1997 zu erkennen war und der erhebliche Zusatzbeschwerden, insbesondere in Form deutlicher Funktionsbeeinträchtigungen der Halswirbelsäule mit einer Verminderung der Beweglichkeit um die Hälfte auslöste. Weitere Folge des Unfallgeschehens und der körperlichen Beeinträchtigung der Klägerin sind psychologische Beschwerden infolge einer neurotischen Fehlverarbeitung des Unfalls. Die Klägerin ist zu einer Berufstätigkeit nicht mehr in der Lage und leidet unter Depressionen. Bei ihr liegt eine ausgeprägte somatoforme Störung vor.
Die Klägerin hat Ersatz weiteren immateriellen Schadens begehrt und behauptet, die heute vorhandenen Beschwerden seien bei Abschluss des Vergleichs objektiv nicht vorhersehbar gewesen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Auffassung vertreten, die in dem Vergleich getroffene Zusatzvereinbarung sei dahin auszulegen, dass Ansprüche wegen einer Verschlechterung der Gesundheitsbeschwerden von der Abgeltung ausgenommen werden sollten. Der weitergehende Schadensersatzanspruch sei auch nicht verjährt. Die Klägerin habe erst mit Vorlage des Gutachtens vom 25. August 2003 Kenntnis von dem gesamten Ausmaß ihres Gesundheitsschadens und der Ursächlichkeit des Unfalls hierfür erfahren. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses seien die später eingetretenen Schadensfolgen nicht vorhersehbar gewesen.
Mit der Berufung hat die Beklagte die Auslegung der Zusatzvereinbarung angegriffen und geltend gemacht, die nunmehr vorhandenen Verletzungsfolgen seien vorhersehbar gewesen. Die Klägerin hat das erstinstanzliche Urteil verteidigt. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt, nach der Zusatzvereinbarung des Vergleichs könne die Klägerin ein weiteres Schmerzensgeld nur unter den Voraussetzungen beanspruchen, die der Bundesgerichtshof in dem zitierten Urteil aufgestellt habe. Danach müsse es sich um Verletzungsfolgen handeln, die bei der ursprünglichen Bemessung des immateriellen Schadens noch nicht eingetreten waren oder mit deren Eintritt nicht oder nicht ernstlich zu rechnen gewesen sei. Zwischen den Parteien sei nunmehr aber unstreitig, dass die von der Klägerin erlittenen Verletzungsfolgen objektiv vorhersehbar gewesen seien.
Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.
Mit Erfolg macht die Nichtzulassungsbeschwerde geltend, die Feststellung des Berufungsgerichts, zwischen den Parteien sei nunmehr unstreitig, dass die Verletzungsfolgen objektiv vorhersehbar gewesen seien, beruhe auf einer Gehörsverletzung der Klägerin. Diese hat entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nämlich nicht unstreitig gestellt, dass die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands bei Vergleichsabschluss vorhersehbar gewesen sei. Das Landgericht ist in seinem Urteil zu der Auffassung gelangt, Vorhersehbarkeit habe nicht vorgelegen. Die Klägerin hat in erster Instanz obsiegt und in der Berufungsinstanz das landgerichtliche Urteil verteidigt. Aus dem Umstand, dass sie die von der Beklagten in der Berufungsbegründung wiederholte Behauptung der Vorhersehbarkeit nicht bestritten hat, folgt deshalb nicht, dass die Klägerin diesen Vortrag unstreitig stellen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1986 - IVb ZR 37/85 - FamRZ 1986, 1085, 1086; BVerfG NJW 2000, 131), zumal ihre Klage bei anzunehmender Vorhersehbarkeit wegen dann eingetretener Verjährung keinerlei Aussicht auf Erfolg mehr gehabt hätte.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei der gebotenen Klärung der Frage, ob die Verletzungsfolgen bei Abschluss des Vergleichs objektiv vorhersehbar gewesen sind, zu einer anderen Beurteilung des Falles gekommen wäre, war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird bei der neuen Verhandlung und Entscheidung auch das weitere Vorbringen der Klägerin im Revisionsrechtszug zu berücksichtigen haben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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