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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.1998
Aktenzeichen: VI ZR 230/97
Rechtsgebiete: DDR/ZGB


Vorschriften:

DDR/ZGB § 330
DDR/ZGB § 336
DDR/ZGB § 337
DDR: ZGB §§ 330, 336, 337

Wurde durch eine nach dem Recht der DDR zu beurteilende unerlaubte Handlung das Eigentum an einer Sache (hier: an einem bebauten Grundstück) verletzt, so kann bei der Schadensermittlung gemäß §§ 336, 337 ZGB-DDR eine Wertsteigerung Berücksichtigung finden, die aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nach der Wiedervereinigung Deutschlands bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung voraussichtlich eingetreten wäre, wenn die Sache nicht durch das Schadensereignis betroffen worden wäre.

BGH, Urteil vom 21. April 1998 - VI ZR 230/97 - OLG Rostock LG Stralsund


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 230/97

Verkündet am: 21. April 1998

Freitag Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1998 durch die Richter Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler und Dr. Greiner

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 26. Juni 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Zahlungsantrages in Höhe von 41.180 DM nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz wegen des Wertverlustes in Anspruch, den ein im Wege der Erbfolge in sein Eigentum gelangtes Grundstück dadurch erlitten habe, daß die Rechtsvorgängerin der Beklagten, eine benachbarte Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft, ein darauf stehendes Gebäude eigenmächtig abgerissen habe.

Der Kläger ist Erbe der am 19. Februar 1992 verstorbenen Gertrud B., die Eigentümerin eines an den Strand der Ostsee angrenzenden, im Außenbereich der Gemeinde L. im Kreis G. in Mecklenburg-Vorpommern gelegenen Grundstücks war. Letzteres ist nur über einen unbefestigten Wirtschaftsweg zugänglich; Versorgungseinrichtungen (insbesondere betreffend Strom, Wasser und Abwasser) sind nicht vorhanden.

Das Grundstück war seit 1920 mit einem eingeschossigen Wohnhaus bebaut. Die Erblasserin erwarb es Anfang 1957 zu Eigentum und bewohnte es selbst, bis sie - nach dem Vortrag des Klägers 1988/89, nach demjenigen der Beklagten schon früher zum Kläger zog, da sie altersbedingt pflegebedürftig wurde. Im Herbst 1989 oder im Frühjahr 1990 führte die Rechtsvorgängerin der Beklagten ohne Benachrichtigung der Eigentümerin den Abriß des Hauses durch, weil sie sich in der landwirtschaftlichen Nutzung ihrer angrenzenden Flächen durch Auswirkungen einer von ihr behaupteten Verwilderung des Grundstücks der Erblasserin beeinträchtigt fühlte.

Der Kläger hat vorgetragen, sein Grundstück habe dadurch erheblich an Wert verloren, daß es durch die Abrißmaßnahme den Charakter als bebautes Grundstück verloren habe, nunmehr nur noch als landwirtschaftliche Nutzfläche gelte und nicht mehr neu bebaut werden dürfe. Während bebaute oder bebaubare Grundstücke in vergleichbarer Lage einen Wert von 50 DM pro m² aufwiesen, liege der Wert unbebauter und unbebaubarer Grundstücke wie des seinen bei nur 0,50 DM pro m². Auf dieser Grundlage hat der Kläger, sachverständig beraten, einen ihm entstandenen Schaden von 41.180 DM ermittelt, der ihm von der Beklagten zu ersetzen sei.

Das Landgericht hat die (zusätzlich auf Erstattung von Sachverständigenkosten gerichtete) Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers (einschließlich seines im zweiten Rechtszug angebrachten Schmerzensgeldbegehrens) zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger den Anspruch auf Ausgleich des Wertverlustes in Höhe von 41.180 DM nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des § 330 ZGB- DDR (künftig: ZGB) eine Einstandspflicht der Beklagten für den durch den unrechtmäßigen Gebäudeabriß entstandenen Schaden dem Grunde nach bejaht. Dennoch stehe dem Kläger der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil es insoweit an einem zu ersetzenden Schaden fehle. Der Kläger habe nicht dargelegt, welchen Wertverlust das Grundstück im Abrißzeitpunkt für die Erblasserin erfahren habe; nur einen solchen Minderwert hält das Berufungsgericht für ersatzfähig. Hingegen sei die Beklagte nicht verpflichtet, dem Kläger Ersatz dafür zu leisten, daß das Grundstück im nicht mehr bebauten Zustand nicht an der Wertsteigerung teilgenommen habe, die sich durch die wirtschaftliche Entwicklung nach der Wiedervereinigung, insbesondere in der Zeit nach dem Tod der Erblasserin, für vergleichbare bebaute oder bebaubare Grundstücke ergeben habe. Der auf dem eigenmächtigen Abriß beruhende Schadensersatzanspruch habe sich nach dem Tode der Erblasserin nicht erweitern können.

Im übrigen habe das Grundstück nicht durch den Abriß seine Nutzungsmöglichkeit als Bauland verloren. Da es im Außenbereich liege, habe es weder auf der Grundlage der baurechtlichen Regelungen der DDR noch nach dem Baurecht des wiedervereinigten Deutschland als Bauland angesehen werden können. Da es an der Erschließung des Grundstücks fehle und einem eventuellen Bauvorhaben öffentliche Belange entgegenstünden, sei jegliche Bebauung im Hinblick auf die Regelung in § 35 BauGB ausgeschlossen gewesen. Auch ein Bestandsschutz hätte sich auf die vorhandene Bausubstanz beschränkt und Erweiterungen oder einen Ersatzbau nicht eingeschlossen; daher hätte die Erblasserin das Grundstück auch dann nicht als "Bauland" veräußern können, wenn die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Gebäude nicht abgerissen hätte.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die bisher getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts und die im angefochtenen Urteil angestellten rechtlichen Überlegungen vermögen die Aberkennung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zu rechtfertigen.

1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß auf den streitigen Schadensersatzanspruch, den der Kläger aus einer vor dem 3. Oktober 1990 begangenen unerlaubten Handlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten herleitet, gemäß Art. 232 § 10 EGBGB das Recht der ehemaligen DDR anzuwenden ist. Rechtlich beanstandungsfrei - und von der Revision nicht angegriffen - ist im Berufungsurteil ausgeführt, daß die Beklagte dem Grunde nach gemäß § 330 ZGB dem Kläger für den von ihrer Rechtsvorgängerin eigenmächtig und unrechtmäßig durchgeführten Abriß des Wohngebäudes schadensersatzrechtlich einstandspflichtig ist.

2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist jedoch die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Wertsteigerung, die das Grundstück, wäre es nicht von dem deliktischen Handeln betroffen worden, im Hinblick auf die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Wiedervereinigung, gegebenenfalls auch erst nach dem Tode der Erblasserin, erfahren habe, könne bei der Schadensermittlung nicht berücksichtigt werden. Vielmehr ist bei zutreffender Auslegung der maßgeblichen Regelungen des Zivilgesetzbuchs der DDR auch ein aus einer solchen Entwicklung hergeleiteter Wertverlust grundsätzlich als ersatzfähiger Schaden anzusehen.

a) Zutreffend geht das Berufungsgericht zur Bestimmung des Schadensumfangs von den Regelungen in §§ 336 Abs. 1, 337 Abs. 1 ZGB aus. Die Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften des Zivilrechts der DDR hat unter Berücksichtigung der Rechtspraxis in der ehemaligen DDR zu erfolgen; die betreffenden Rechtsvorschriften sind so anzuwenden, wie sie von den Gerichten der DDR angewendet worden wären (vgl. Senatsurteile BGHZ 123, 65, 68; 126, 87, 91 und vom 25. März 1997 - VI ZR 63/96 - VersR 1997, 844, 845).

b) Auch nach dem Zivilrechtssystem der DDR war das Eigentum an einem Bauwerk grundsätzlich mit dem Eigentum am Grundstück verbunden (§ 295 Abs. 1 ZGB). Die Zerstörung des Gebäudes betraf daher schon unmittelbar nicht nur dieses, sondern das Grundstück als im persönlichen Eigentum der Erblasserin (vgl. § 23 ZGB) stehende Sache.

c) Schadensersatz war grundsätzlich in Geld zu leisten (§ 337 Abs. 2 Satz 1 ZGB). Der Schadensausgleich wegen Zerstörung oder einer - durch Reparatur nicht behebbaren - Beeinträchtigung einer Sache bestand im Wertersatz.

aa) Allerdings hatte sich beim Entzug oder der Beschädigung einer Sache dieser Wertersatz grundsätzlich an dem Zeitwert auszurichten (vgl. Oberstes Gericht der DDR - OG -, Neue Justiz - NJ - 1975, 214; NJ 1977, 182, 183; NJ 1983, 300, 301; NJ 1989, 168; vgl. auch Ziff. 5.2. der Richtlinie des Plenums des Obersten Gerichts der DDR zur Rechtsprechung bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen vom 14. September 1978, GBl. I 369, 372 sowie Kommentar zum Zivilgesetzbuch der DDR, 2. Aufl. 1985, Anm. 1.2. zu § 337 ZGB). Dies bedeutete aber nicht, daß stets nur auf die Wertverhältnisse im Zeitpunkt des Schadensereignisses abzustellen war und künftige Schadensentwicklungen gänzlich außer Betracht zu bleiben hatten. Vielmehr konnten auch später in Erscheinung tretende Wertminderungen (vgl. z.B. zur "moralischen Abwertung" eines unfallbeschädigten Fahrzeugs, bei dessen Verkauf deshalb ein niedrigerer Erlös erzielt wurde, OG NJ 1978, 362, 363 sowie Ziff. 5.3. der Richtlinien des Obersten Gerichts aaO) als berücksichtigungsfähig anerkannt werden.

bb) Der Schadensersatz auf der Grundlage der §§ 336, 337 ZGB sollte den Geschädigten in seinen materiellen Verhältnissen so stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Die Rechtsnormen der DDR waren ersichtlich auf einen umfassenden, vollständigen Schadensausgleich gerichtet (vgl. Kommentar zum ZGB, aaO, Anm. 1.1. zu § 337 ZGB; Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch, Teil 2, 1981, S. 207 ff.). Gemäß § 336 Abs. 1 Satz 2 ZGB waren ausdrücklich auch Folgeschäden, nämlich u.a. die Folgen des Verlustes oder der Beschädigung des Eigentums, ersatzfähig. Soweit solche Folgen noch nicht überschaubar waren, kam im Rechtsstreit eine Vorabentscheidung über den Anspruchsgrund, § 77 Abs. 4 Satz 2 ZPO-DDR, in Betracht (vgl. Kommentar zum ZGB, aaO, Anm. 1.2. zu § 336 ZGB). Auch hieraus ergibt sich, daß Schadensentwicklungen nach dem haftungsbegründenden Ereignis in die Beurteilung miteinzubeziehen waren.

d) Die Regelungen in §§ 336, 337 ZGB sollten ohnehin hinsichtlich des Umfangs der Schadensersatzpflicht im ganzen keine grundsätzliche Änderung gegenüber der Gesetzeslage gemäß dem vor dem Inkrafttreten des ZGB in der DDR geltenden Schadensrecht des BGB bringen; vielmehr wurde die Parallelität zwischen den Normierungen in §§ 249, 251 BGB und in §§ 336, 337 ZGB in der Rechtsprechung ausdrücklich erwähnt (vgl. OG NJ 1977, 182, 183 sowie OG NJ 1978, 362, 363). Gemäß § 336 Abs. 1 Satz 2 ZGB sollten im übrigen auch die dem Geschädigten entgangenen Einkünfte ersetzt werden (vgl. dazu z.B. OG NJ 1988, 385 f.; Göhring/Posch, Zivilrecht, Lehrbuch aaO, 207), eine Regelung, die der Bestimmung des § 252 BGB nahekommt (zur Anwendung letztgenannter Bestimmung in der DDR vor Inkrafttreten des ZGB vgl. OG NJ 1975, 554).

Im Hinblick auf diese Parallelität der Regelungen über den Umfang des Schadensersatzes im BGB und im ZGB erscheint ein ergänzender Blick darauf angebracht, in welcher Weise nach der schadensersatzrechtlichen Regelung des BGB ein Wertverlust, wie er vorliegend geltend gemacht wird, auszugleichen wäre. Danach bemißt sich die Höhe des Schadensersatzanspruchs in Geld grundsätzlich nach den Wertverhältnissen im Zeitpunkt der Erfüllung (vgl. z.B. BGHZ 79, 249, 258; 99, 81, 86); im Rechtsstreit ist auf die über die Wertverhältnisse und deren Entwicklung vorliegenden Erkenntnisse in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung abzustellen (vgl. etwa BGHZ 27, 181, 187 f.; 133, 246, 252). Eine Wertsteigerung, welche die vom deliktischen Handeln des Schädigers betroffene Sache ohne das Schadensereignis bis zu diesem Zeitpunkt erlangt hätte, ist daher bei der Bemessung des Schadensersatzes zu berücksichtigen; dies entspricht bereits der Auslegung des BGB vor der Teilung Deutschlands (vgl. z.B. RGZ 102, 383, 384).

e) Es ist daher davon auszugehen, daß der Geschädigte wegen seines durch Entzug oder Beschädigung einer Sache eingetretenen Vermögensverlustes weder nach den rechtlichen Regelungen des BGB noch nach denen des ZGB auf einen an den Wertverhältnissen im Zeitpunkt des Schadensereignisses ausgerichteten Ersatzanspruch beschränkt ist (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 12. Januar 1996 - V ZR 176/94 - ZIP 1996, 726, 727), vielmehr ausgehend vom Zeitwert den Veränderungen der Wertverhältnisse bis zur letzten mündlichen Tatsachenverhandlung und der in dieser zu prognostizierenden Entwicklung Rechnung zu tragen ist.

Dies bedeutet im vorliegenden Fall auch eine Berücksichtigung schadensbedingt entgangener Wertsteigerungen des Grundstücks in der Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands, und zwar vor und nach dem Erbfall. Dem vom Berufungsgericht in seine Überlegungen einbezogenen Zeitpunkt des Todes der Erblasserin kann für die Bewertung des Schadensumfangs keine entscheidende rechtliche Bedeutung zukommen; er ist nur für die Rechtsinhaberschaft relevant, nicht aber für den Inhalt des Schadensersatzanspruchs als solchen.

f) Einer schadensersatzrechtlichen Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Wertverlustes infolge schadensbedingter Nichtteilnahme des Grundstücks an einer Wertsteigerung kann auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß es hier um eine während des Bestehens der DDR bereits aus wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen nicht vorstellbare Schadensentwicklung geht, die ihre Ursache allein in der durch die Wende herbeigeführten Veränderung der politischen Verhältnisse, in der Einführung der marktwirtschaftlichen Ordnung in der DDR und in der dadurch hervorgerufenen Entwicklung des rechtsgeschäftlichen Verkehrs mit Immobilien und der entsprechenden Steigerung der Immobilienpreise haben konnte.

aa) Die Schadensersatzregelung des ZGB zielte - wie aufgezeigt - auf einen möglichst vollständigen Ausgleich aller dem Geschädigten entstehenden materiellen Schäden. Dieser Ausgleich muß dem Geschädigten so zur Verfügung gestellt werden, daß er in der gegebenen Rechtswirklichkeit entsprechend den tatsächlichen Lebensverhältnissen zu der gesetzlich vorgesehenen Restitution führen kann. Dementsprechend darf, wenn der durch ein noch während des Bestehens der DDR begangenes schadensstiftendes Verhalten Geschädigte den geschuldeten Schadensersatz erst lange nach der Wiedervereinigung Deutschlands zu erlangen vermag, die Veränderung der Lebensverhältnisse, gerade auch auf wirtschaftlichem Gebiet, nicht außer Acht gelassen werden (vgl. hierzu auch die Überlegungen im Senatsurteil BGHZ 123, 65, 72 f.).

bb) In diesem Zusammenhang ist weiter zu bedenken, daß die DDR selbst bereits im Jahre 1990 auf der Grundlage des Staatsvertrages über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion vom 18. Mai 1990 (BGBl. II S. 537) gänzlich veränderte Verhältnisse hergestellt hat, die nicht nur der demokratischen, sondern auch der marktwirtschaftlichen Ordnung den Boden bereitet haben. Das darf auch dort, wo es um die Auslegung des auf Altfälle anzuwendenden DDR-Rechtes geht, nicht außer Acht gelassen werden (vgl. hierzu die Senatsurteile in BGHZ 123, 65, 68 und BGHZ 127, 195, 203 f.). Dies gilt insbesondere in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem auch das Schadensereignis selbst erst in die Zeit der Wende fiel (Herbst 1989 oder Frühjahr 1990), als sich der Umbruch in den Verhältnissen der DDR bereits abzeichnete.

g) Unter Berücksichtigung aller aufgezeigten Überlegungen darf daher bei der Bemessung des auf der Grundlage der §§ 336 Abs. 1, 337 Abs. 1 ZGB von der Beklagten zu leistenden Schadensersatzes - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - ein Wertverlust nicht außer Ansatz bleiben, wenn das Grundstück des Klägers einen solchen infolge des Abrisses des Gebäudes dadurch erlitten haben sollte, daß es an der Steigerung der Preise für derartige Immobilien nicht mehr teilnehmen konnte und daher dem Kläger im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht mehr mit demselben Verkehrswert zur Verfügung stand, den es ohne die schädigende Handlung gehabt hätte.

3. Die bisher getroffenen Feststellungen und die vom Berufungsgericht in seiner Hilfsbegründung angestellten rechtlichen Überlegungen vermögen die Beurteilung nicht hinreichend zu tragen, der von der Rechtsvorgängerin der Beklagten unberechtigt vorgenommene Abriß des Gebäudes habe nicht zu dem vom Kläger behaupteten Wertverlust des Grundstücks geführt.

a) Daß das Grundstück, das inzwischen als landwirtschaftliche Nutzfläche eingestuft ist, gemäß der heute geltenden Rechtslage einer Wohnbebauung nicht zugänglich ist und daher nicht zu einem Preis veräußert werden könnte, wie er bei einem bebauten Grundstück oder bei Bauland zu erzielen wäre, wird weder im Berufungsurteil noch von der Revision in Zweifel gezogen. Diese. Beurteilung läßt auch Rechtsfehler nicht erkennen. Am 3. Oktober 1990 trat im Gebiet der ehemaligen DDR das Baugesetzbuch (mit den überleitungsrechtlichen Regelungen in § 246 a BauGB in der Fassung der Anlage I, Kapitel XIV, Abschnitt II, Nr. 1 zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990, BGBl. II 889) in Kraft. Das Grundstück des Klägers ist im Außenbereich im Sinne des § 35 BauGB gelegen und - wie im Berufungsurteil beanstandungsfrei festgestellt ist - nicht im baurechtlichen Sinne erschlossen. Daher ist ein Bauvorhaben nicht zulässig, und zwar auch nicht in der Form eines Ersatzbaus im Sinne des § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB anstelle des abgerissenen Wohngebäudes (vgl. hierzu auch BVerwG BauR 1991, 55, 58).

b) Die Revision weist zu Recht darauf hin, der Kläger habe im Berufungsrechtszug vorgetragen und unter Sachverständigenbeweis gestellt, daß derartigen Grundstücken "im Falle von deren Bebauung bzw. Bestandsschutz für Gebäude wie dem streitgegenständlichen" ein am Markt erzielbarer Quadratmeterpreis von mindestens 50 DM zukomme; hingegen habe das Grundstück im nun tatsächlich bestehenden Zustand als landwirtschaftliche Nutzfläche lediglich einen Wert von 0,50 DM/m². Das Berufungsgericht hat sich - was die Revision rügt - mit diesem Vortrag und Beweisangebot nicht wie geboten auseinandergesetzt. Es hat auch einen im Vortrag des Klägers vorausgesetzten Bestandsschutz für das Gebäude nicht bereits aus Rechtsgründen beanstandungsfrei ausgeschlossen und war nicht schon aus diesem Grunde der Aufgabe enthoben, sich mit dem dargestellten Klägervortrag zu befassen.

aa) Allerdings wird im Berufungsurteil die Frage eines Bestandsschutzes erörtert, der - im Hinblick auf die Grundrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG - die bauliche Nutzung eines im Außenbereich liegenden Grundstücks auch ohne Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 35 BauGB unter bestimmten Bedingungen zu ermöglichen vermag (vgl. hierzu grundlegend BVerwGE 47, 126, 128; siehe im einzelnen Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 5. Aufl. 1996 Rdn. 104 zu § 35 BauGB; Cholewa/Dyong/v. d. Heide/Sailer, Baugesetzbuch, 3. Aufl. 1994, Anm. 8 zu § 35 BauGB; Schlichter/Taegen, Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Aufl. 1995 Rdn. 91 ff. zu § 35 BauGB; jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung). Das Berufungsgericht geht dabei zutreffend davon aus, daß sich der Bestandsschutz auf die vorhandene Bausubstanz beschränkt und eine bauliche Erweiterung oder einen Ersatzbau nicht einschließt (vgl. z.B. BVerwGE 25, 161, 163; 42, 8, 13; 72, 362, 363 f.; BVerwG BauR 1994, 738, 739), vielmehr nur Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten deckt, die die weitere Nutzung des bisherigen Bestandes in der bisherigen Weise ermöglichen und nicht zu einer Nutzungsänderung führen (vgl. BVerwGE 47, 126, 128; 47, 185, 189; BVerwG BauR 1994, 737, 738).

bb) Indessen vermag der hieraus vom Berufungsgericht gezogene Schluß, die Erblasserin als Rechtsvorgängerin des Klägers hätte das Grundstück auch ohne die schädigende Handlung der Beklagten nicht als "Bauland" veräußern können, es nicht zu rechtfertigen, das erwähnte unter Beweis gestellte Vorbringen des Klägers für unerheblich zu erachten. Der Kläger hat den von ihm behaupteten Verkehrswert des Grundstücks mit einem Quadratmeterpreis von 50 DM nicht nur für den Fall vorgetragen, daß eine Veräußerung als Bauland (oder mit der Möglichkeit der Errichtung eines Ersatzbaus oder auch nur einer relevanten baulichen Erweiterung) hätte erfolgen können, sondern auch für den Fall, daß "Bestandsschutz für Gebäude wie dem streitgegenständlichen" bestanden hätte, also unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes eine weitere Nutzung der bestehenden Bausubstanz unter Durchführung notwendiger Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten in Frage gekommen wäre. Die damit zusammenhängenden Fragen hat das Berufungsgericht jedoch zu Unrecht ungeprüft gelassen.

c) Bei dieser Sachlage könnte das Berufungsurteil nur dann aufrechterhalten werden, wenn - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen - eine abschließende Entscheidung dahin zu treffen wäre, daß, wäre es nicht zur Abrißmaßnahme gekommen, das Gebäude aufgrund der heutigen Rechtslage auch unter Beschränkung auf notwendige Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten an der vorhandenen Bausubstanz einer weiteren Nutzung zu Wohnzwecken - wegen Verlustes des Bestandsschutzes - nicht mehr hätte zugeführt werden dürfen und daher der vom Kläger auch für diese Art des Bestandsschutzes als Verkehrswert behauptete Quadratmeterpreis nicht hätte erzielt werden können. Zu einer solchen abschließenden Beurteilung sieht sich der Senat jedoch nicht in der Lage.

aa) Das von der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgerissene Bauwerk war während des Bestehens der DDR über einen Jahrzehnte währenden Zeitraum rechtmäßig von der Erblasserin als Wohngebäude genutzt worden. Insoweit hätte, nachdem mit der Herstellung der Einheit Deutschlands die Regelungen des § 35 BauGB in Kraft traten (die im übrigen inhaltlich bereits in § 20 der Bauplanungs- und Zulassungsverordnung der DDR vom 20. Juni 1990, GBl. I, 739, mit Wirkung vom 31. Juli 1990 im Wesentlichen vorweggenommen waren), grundsätzlich Bestandsschutz im oben dargelegten Sinne eingreifen können, der sich auf eine Nutzung weiterhin als Wohnhaus, gegebenenfalls unter Durchführung notwendiger, die Identität der Bausubstanz nicht verändernder Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten einschließlich der Anpassung an die Erfordernisse der heutigen Lebensverhältnisse hätte erstrecken können (vgl. dazu BVerwGE 25, 161, 163 47, 126, 128; 72, 362, 363 f.; Schlichter/Taegen aaO, Rdn. 91 zu § 35 BauGB; Battis/Krautzberger/Löhr aaO, Rdn. 104 zu § 35 BauGB).

bb) Hierauf könnte sich der Kläger - worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - allerdings heute unter Umständen dann nicht mehr berufen, wenn der Bestandsschutz dadurch vorzeitig sein Ende gefunden haben sollte, daß das Gebäude über einen längeren Zeitraum nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt worden ist und - auch bei Unterbleiben des Abrisses - nicht mehr genutzt worden wäre; Gleiches würde gelten, wenn sich das Bauwerk in einem derart baufälligen Zustand befunden haben sollte, daß es nicht mehr hätte zu Wohnzwecken genutzt werden können und eine Wiederherstellung ohne gänzliche Veränderung der Bausubstanz nicht möglich gewesen wäre, so daß es letztlich ohnehin dem Abriß hätte anheimfallen müssen. Ob vorliegend von einer solchen tatsächlichen und baurechtlichen Lage auszugehen ist, kann derzeit nicht abschließend gesagt werden.

(a) Der baurechtliche Bestandsschutz endet, soweit und sobald die geschützte Nutzung aufgegeben ist; das ist dann der Fall, wenn die geschützte Anlage nicht mehr oder nur noch aus nicht mehr nutzbaren Teilen besteht, aber auch dann, wenn nach der Verkehrsauffassung davon ausgegangen werden muß, daß die funktionsgerechte Nutzung nicht mehr ausgeübt wird (vgl. z.B. BVerwGE 47, 185, 189; BVerwG, Beschluß vom 10. Juli 1987, Buchholz 4 0 6.16 Grundeigentumsschutz Nr. 44 m.w.N.; BVerwG NVwZ 1989, 667, 669 f.). Der Verkehrsauffassung kommt nicht nur entscheidende Bedeutung darüber zu, in welchem Maße die bebauungsrechtliche Situation noch von der früheren Nutzung geprägt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. September 1986, Buchholz 4 0 6.11 § 34 BauGB Nr. 116), sondern sie bestimmt auch den für die Fortdauer des Bestandsschutzes nach faktischer Beendigung der bisherigen Nutzung maßgeblichen Zeitraum (vgl. BVerwG NVwZ 1989, 667; 668 f.; Schlichter/Taegen aaO, Rdn. 98 zu § 35 BauGB m.w.N.). Dabei können je nach Dauer der verstrichenen Zeit (z.B. ein Jahr, zwei Jahre oder gar länger) in unterschiedlichem Maße Vermutungen für oder gegen die Grundlagen des Fortbestehens des Bestandsschutzes sprechen (vgl. im einzelnen BVerwG DVBl. 1996, 40, 41).

(b) Das Berufungsgericht hat zum Zustand des Gebäudes im Zeitpunkt des Abrisses und in den davor liegenden Jahren keine Feststellungen getroffen, insbesondere nicht dazu, ob und unter welchen Umständen es noch für eine weitere Nutzung als Wohnung geeignet war, ob und in welchem Umfange es durch Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten auf einen für Wohnzwecke angemessenen Stand hätte gebracht werden können, ob und welche Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz hierfür notwendig gewesen wären etc.. Schon mangels Feststellungen zu diesen Fragen läßt sich bisher nicht beurteilen, ob und in welchem Zeitraum die bebauungsrechtliche Situation nach der Verkehrsauffassung noch von der früheren Nutzung und ihrer möglicherweise zu erwartenden Fortsetzung geprägt sein konnte.

(c) Das Berufungsgericht hat auch offengelassen, wann die Erblasserin aus dem Haus endgültig ausgezogen ist; es hat nichts dazu ausgeführt, ob und gegebenenfalls mit welchen Schutzmaßnahmen, die auf eine später beabsichtigte Weiterführung der Nutzung hindeuten konnten, sie das Gebäude zurückgelassen hat. Es fehlt des weiteren an Feststellungen dazu, wie sich voraussichtlich ohne den Abriß die Dinge nach den durch die Wende in der DDR herbeigeführten Änderungen der Verhältnisse, gegebenenfalls nach dem Tode der Erblasserin, weiterentwickelt hätten; es ist insoweit bisher auch nicht geprüft worden, welche eigene Nutzungsmöglichkeit für den Kläger gegebenenfalls noch in Betracht gekommen wäre. Bei dieser Sachlage vermag der Senat nicht abschließend zu klären, ob und ab wann eine nach einer Nutzungsaufgabe verstrichene relevante Zeitspanne gemäß der Verkehrsanschauung zum Verlust eines Bestandsschutzes und zu einem völligen Wegfall des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs auch dann geführt haben könnte, wenn es nicht zum Abriß des Hauses durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten gekommen wäre.

(d) Es kann daher hier dahinstehen, in welcher Weise die jeweils nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich maßgeblichen Zeiträume für den Wegfall des Bestandsschutzes nach einer Nutzungsaufgabe durch die besonderen Verhältnisse beeinflußt werden, die sich im Gebiet der ehemaligen DDR im Hinblick auf die mit der Wende und der Wiedervereinigung Deutschlands zusammenhängenden Umwälzungen ergeben haben. Offenbleiben kann insoweit bereits, ob überhaupt - wie die Revisionserwiderung meint - einem Zeitraum der Nichtnutzung Bedeutung beikommen kann, der vor dem im Herbst 1989 oder Frühjahr 1990 erfolgten Abriß lag, also einem Zeitraum, in welchem allein die von den Rechtsvorstellungen des BauGB gänzlich verschiedenen baurechtlichen Regelungen der DDR galten (vgl. hierzu im einzelnen die Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 8. November 1984, GBl. I, 433; Verwaltungsrecht der DDR, Lehrbuch, 2. Aufl. 1988, S. 238 f.). Des weiteren kann auch dahinstehen, ob für die Zeit nach der Wiedervereinigung an die relevanten Zeiträume nach einer Nutzungsaufgabe im Gebiet der ehemaligen DDR aus verwaltungsrechtlicher Sicht bereits dieselben Maßstäbe angelegt werden dürfen, wie sie nach der Verkehrsanschauung in den alten Bundesländern Geltung beanspruchen können.

III.

Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Ende der Entscheidung

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