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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 09.06.2009
Aktenzeichen: VI ZR 261/08
Rechtsgebiete: GG, ZPO
Vorschriften:
GG Art. 103 Abs. 1 | |
ZPO § 286 Abs. 1 | |
ZPO § 544 Abs. 7 | |
ZPO § 559 |
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 9. Juni 2009
durch
die Vizepräsidentin Dr. Müller,
die Richter Zoll und Wellner,
die Richterin Diederichsen und
den Richter Stöhr
beschlossen:
Tenor:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 18. September 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Verfahrens und der Nichtzulassungsbeschwerde an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gegenstandswert: 102.258,37 EUR
Gründe:
1.
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 7 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
a)
Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht aufgrund verfahrensfehlerhafter Tatsachenfeststellungen angenommen habe, A. K. sei am 5. September 1996 ab 9.00 Uhr bis zur Verlegung auf die Intensivstation gegen 11.45 Uhr medizinisch hinreichend versorgt worden. Dabei hat es entscheidungserheblichen Vortrag der Klägerin außer Acht gelassen (Art. 103 Abs. 1 GG).
Der Privatgutachter Prof. Dr. G. hat in seinen schriftlichen Gutachten (vgl. Gutachten Prof. Dr. G. vom 10. Januar 2005, S. 6 und vom 25. Juni 2006 S. 3 f.) betont, dass aufgrund des mehrmaligen kritischen Abfalls der Sauerstoffsättigung und der damit verbundenen Verschlechterung des Zustands des Kindes es unumgänglich war, bis zur Verlegung des Kindes Maßnahmen zu seiner Beatmung in Form einer Sauerstoffdusche, Bebeutelung oder der Verabreichung atemstimulierender Medikamente zu ergreifen. Dieser Auffassung war auch grundsätzlich der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. (Gutachten vom 3. Juli 2002, GA I 61). Hierauf hat die Klägerin bereits in erster Instanz hingewiesen. In der fristgerechten Ergänzung zur Berufungsbegründung (GA II 376/382) hat die Klägerin erneut die mangelhafte medizinische Betreuung auf der Station K 7 gerügt. Im Schriftsatz vom 3. März 2008 (GA III 407/412 ff.) hat die Klägerin ausdrücklich bemängelt, dass das Kind bis zur Verlegung auf die Intensivstation nicht medizinisch versorgt worden sei. Des Weiteren hat die Klägerin im Schriftsatz vom 17. Juni 2008 (GA III 478) vorgetragen, dass nicht ersichtlich sei, welche Versorgung das Kind zwischen 10.00 Uhr und 11.45 Uhr erfahren habe. Das Berufungsgericht stellt zwar nicht in Frage, dass eine medizinische Versorgung in diesem Zeitraum erforderlich gewesen ist. Jedoch kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts aus der Dokumentation der Behandlung nicht der Schluss gezogen werden, das Kind sei auf der Station K 7 nicht unzureichend versorgt worden noch stützen die Aussagen der vernommenen Zeugen diese Annahme des Berufungsgerichts (§ 286 ZPO).
Das Berufungsgericht stellt zwar die Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 129, 6, 10) zu Fehlern in der ärztlichen Dokumentation zutreffend dar. Es zieht jedoch nicht die daraus erforderlichen Schlüsse für den Streitfall. Die Krankenunterlagen enthalten keine Eintragungen, dass in dem fraglichen Zeitabschnitt medizinische Maßnahmen zur Stabilisierung der Sauerstoffzufuhr mit Ausnahme der Blutabnahme zur Blutgasanalyse um 10.00 Uhr und der Fütterung des Säuglings gegen 10.15 Uhr erfolgt sind. Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die erforderliche Beatmung nicht dokumentiert worden sei, weil sie unterlassen worden sei. Da das Berufungsgericht offen gelassen hat, ob die Dokumentation erforderlich war, ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass es sich um dokumentationspflichtige Maßnahmen handelt. Mithin konnte das Berufungsgericht nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats (BGHZ 129, 6, 10) davon ausgehen, dass das Kind auf der Station K 7 zwischen 9.00 und 11.45 Uhr nicht in der gebotenen Weise medizinisch versorgt worden ist.
Etwas anderes lässt sich auch nicht aus den Aussagen der vom Berufungsgericht vernommenen Zeugen und den gutachterlichen Äußerungen des gerichtlichen Sachverständigen herleiten. Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung zwar dem Tatrichter vorbehalten, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 ZPO gebunden ist. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. z.B. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364 und BGHZ 160, 308, 317 m.w.N.). Doch wird die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts von dem Inhalt der Beweisaufnahme nicht getragen. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. S. habe andere Mängel oder Versäumnisse abweichend vom Facharztstandard - bis auf die verspätete Verlegung und Intubation sowie die Hyperventilation - nicht festgestellt, gibt dies die Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen nicht her. Bereits im ersten Gutachten vom 3. Juli 2002 hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass für ihn nicht nachvollziehbar sei, welche praktischen therapeutischen Konsequenzen aus der um 9.00 Uhr beschriebenen Beeinträchtigung der Hautdurchblutung sowie aus den um 10.00 Uhr erhobenen Befunden einer Ateminsuffizienz bis gegen 11.45 Uhr gezogen wurden. Auch wenn er zusammenfassend die Auffassung vertreten hat, dass die unzureichende Dokumentation letztlich ohne Einfluss auf die Gesamtbeurteilung durch den Gutachter bleibe, kann daraus nicht schon geschlossen werden, dass der Sachverständige die Versorgung für standardgemäß gehalten hätte. Kann der Sachverständige der Dokumentation keine Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler entnehmen, kann das zwar bedeuten, dass die Dokumentation eine ordnungsgemäße Behandlung aufzeigt; es kann aber ebenso gut bedeuten, dass die Dokumentation vollständig ist jedoch nichts über einen Behandlungsfehler aussagt, wie auch, dass die Dokumentation unvollständig ist und deshalb keinerlei Schlüsse zulässt. Vom medizinischen Sachverständigen ist nicht zu erwarten, dass er eine in dieser Richtung nicht gestellte Frage vorwegnimmt und auf die Mehrdeutigkeit hinweist. Das Berufungsgericht hätte durch eine gezielte Befragung den Punkt von sich aus klären müssen. Das Unterlassen der entsprechenden Befragung verstößt gegen § 286 Abs. 1 ZPO. Gutachten von Sachverständigen unterliegen zwar der freien Beweiswürdigung durch das Gericht. Der erkennende Senat hat jedoch wiederholt ausgesprochen, dass der Tatrichter allen Unklarheiten, Zweifeln oder Widersprüchen von Amts wegen nachzugehen hat; insbesondere hat er Einwendungen einer Partei gegen das Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen zu berücksichtigen und die Pflicht, sich mit von der Partei vorgelegten Privatgutachten auseinander zu setzen und auf die weitere Aufklärung des Sachverhalts hinzuwirken, wenn sich ein Widerspruch zum Gerichtsgutachten ergibt (vgl. Senat , Urteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482 ; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647, 648 ; vom 10. Oktober 2000 - VI ZR 10/00 - VersR 2001, 525, 526 ; vom 13. Februar 2001 - VI ZR 272/99 -VersR 2001, 722, 723 ; vom 23. März 2004 - VI ZR 428/02 - VersR 2004, 790, 791 und vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06 - VersR 2008, 1265, 1266). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
Die Vermutung einer unzureichenden medizinischen Versorgung wird auch nicht durch die vom Berufungsgericht vernommenen Zeuginnen widerlegt. Die Aussagen der Zeuginnen stützen die Annahme einer ordnungsgemäßen Versorgung des Kindes auf der Station K 7 nicht. Die Zeugin Dr. K. war Oberärztin auf der Station K 7 und der Intensivstation. Sie hatte keinerlei konkrete Erinnerung mehr an die Behandlung. Nach ihrer Aussage wurde A. K. erst vor 12.00 Uhr auf der Intensivstation an die Monitore angehängt. Lediglich die Zeuginnen H. und Dr. M. waren am 5. September 1996 um 9.00 Uhr für die Versorgung des Kindes verantwortlich. Keine der übrigen vernommenen Zeuginnen war im fraglichen Zeitraum mit dem Kind befasst. Nach der Aussage der Zeugin Dr. M. , die sich nur an die Eckdaten erinnern konnte, wurde das Kind beobachtet. Die Zeugin H. hat bekundet, dass wenn Kinder versorgt werden, dies auch eingetragen werde. Sie konnte sich an die Versorgung des Kindes A. K. nicht mehr erinnern. Eintragungen, die auf Beatmungsmaßnahmen auf der Station K 7 schließen ließen, sind aber nicht vorhanden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die erforderlichen Maßnahmen zur Versorgung der A. K. im Zeitraum zwischen 9.00 Uhr und 11.45 Uhr bis zur Verlegung auf die Intensivstation ergriffen worden seien, findet mithin in der Beweisaufnahme keine Stütze. Diese Frage ist entscheidungserheblich. Hätte das Berufungsgericht etwaige Versäumnisse, die der Privatgutachter Prof. Dr. G. als grob fehlerhaft und der gerichtliche Sachverständige immerhin als vital bedrohlich bewertet, in die Würdigung des gesamten Behandlungsgeschehens einbezogen, ist nicht fernliegend, dass es im Hinblick auf die übrigen Behandlungsfehler zumindest in der Gesamtschau die Behandlung des Kindes für grob fehlerhaft gehalten hätte.
2.
Im Übrigen begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. S. - nicht hinreichend kritisch hinterfragt hat. Der erkennende Senat hat wiederholt ausgeführt, dass gerade in Arzthaftungsprozessen Äußerungen medizinischer Sachverständiger kritisch auf ihre Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit zu prüfen sind. Das gilt sowohl für Widersprüche zwischen einzelnen Erklärungen desselben Sachverständigen (vgl. Senatsurteile BGHZ 161, 255, 264 ; vom 17. September 1985 - VI ZR 12/84 - VersR 1985, 1187, 1188; vom 7. April 1992 - VI ZR 216/91 - VersR 1992, 747, 748 sowie vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482) als auch für Widersprüche zwischen Äußerungen mehrerer Sachverständiger, selbst wenn es dabei um Privatgutachten geht (vgl. hierzu Senatsurteile vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482 ; vom 27. September 1994 - VI ZR 284/93 - VersR 1995, 195, 196 ; vom 9. Januar 1996 - VI ZR 70/95 - VersR 1996, 647; vom 16. Januar 2001 - VI ZR 408/99 - VersR 2001, 783; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 259/06 - aaO und Beschluss vom 21. Januar 2009 - VI ZR 170/08 - VersR 2009, 499). Der gerichtliche Sachverständige hat im Laufe des Verfahrens mehrfach seine Stellungnahmen relativiert. Er steht überwiegend mit seiner Auffassung in Widerspruch zu den von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten. In rechtlicher Hinsicht obliegt zwar die Bewertung eines Behandlungsgeschehens als fehlerhaft dem Tatrichter, der sich freilich in medizinischer Hinsicht auf Sachverständige zu stützen hat. Die Tatsachenfeststellung ist Aufgabe des Richters in eigener Verantwortung. Er muss sich - wie im vorliegenden Fall -darauf einstellen, dass manche Sachverständige Behandlungsfehler nur zurückhaltend ansprechen. Die deutliche Distanzierung des Sachverständigen vom Vorgehen der Ärzte der Beklagten in der Sache und seine einschränkenden Formulierungen bei der Bewertung als groben Behandlungsfehler hätten dem Berufungsgericht Anlass geben müssen, die Äußerungen des Sachverständigen kritisch zu hinterfragen und sowohl den für eine solche Behandlung geltenden Sorgfaltsmaßstab als auch den Begriff des Behandlungsfehlers mit dem Sachverständigen zu erörtern, gegebenenfalls sogar ein anderes Gutachten einzuholen (vgl. Senat, BGHZ 172, 254, 259; Urteile vom 27. September 1977 - VI ZR 162/76 - VersR 1978, 41, 42 f.; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92 - VersR 1993, 835, 836 ; vom 14. Dezember 1993 - VI ZR 67/93 - VersR 1994, 480, 482) .
a)
Hinsichtlich der verzögerten Verlegung der Patientin auf die Intensivstation hat Prof. Dr. S. ursprünglich die Auffassung vertreten, dass die Patientin um 10.00 Uhr umgehend auf die Intensivstation hätte verlegt werden müssen. Eine Bewertung der Schwere des Fehlers lehnte er ab. Im Ergänzungsgutachten vom 22. März 2003 hat er darauf hingewiesen, dass A. K. schon vor der Verlegung auf die Intensivstation vital bedroht war und deshalb früher hätte verlegt werden sollen. In der Anhörung vor dem Landgericht am 22. August 2007 hat er zwar den Zustand des Kindes dahingehend beurteilt, dass man mit seinem völligen Zusammenbruch rechnen musste, womit er den Stillstand der Atmung und den Herzstillstand meinte. Trotzdem bewertete der gerichtliche Sachverständige das Vorgehen des medizinischen Personals der Beklagten als nicht grob fehlerhaft. Dazu steht in Widerspruch die Auffassung des Privatgutachters Prof. Dr. G. (vgl. Gutachten vom 10. Januar 2005, S. 4 und vom 25. Juni 2006, S. 5), der die Behandlung des Kindes bis zur Verlegung als grob fehlerhaft und aus medizinischer Sicht nicht mehr verständlich beurteilt hat. Das Berufungsgericht durfte sich der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen nicht schon deshalb anschließen, weil die Station K 7 mit entsprechenden Apparaturen und ausreichendem Personal ausgestattet gewesen sei. Nach den Umständen des Streitfalls muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass die Patientin dort lediglich beobachtet, aber nicht behandelt worden ist (siehe 1.).
b)
Die verzögerte Intubation nach Verlegung der Patientin auf die Intensivstation hat der gerichtliche Sachverständige zwar als Behandlungsfehler bewertet, doch im Hinblick auf den in der Abwehr des Kindes zum Ausdruck gekommenen Lebenswillen nicht für grob gehalten, obwohl das Kind bereits gekrampft hatte. Diese Auffassung steht im Widerspruch zu der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. G. (Gutachten vom 25. September 2002; 17. Mai 2003 und 25. Juni 2006), der es als nicht nachvollziehbar bezeichnet hat, dass ein Stationsarzt beim Misslingen einer medizinisch unverzüglich indizierten Intubation nicht sofort ärztliche Hilfe herbeiholt und die Intubation durchführt. Auch insoweit setzt sich das Berufungsgericht mit den Widersprüchlichkeiten in den Stellungnahmen der Sachverständigen nicht auseinander, sondern folgt ohne hinreichende Begründung dem gerichtlichen Sachverständigen.
c)
Die Überbeatmung der Patientin für ca. fünf Stunden hat der gerichtliche Sachverständige bei seiner ersten Anhörung vor dem Landgericht als für eine Intensivstation nicht akzeptabel und damit grob fehlerhaft im Sinne der ihm vorgegebenen juristischen Definition bewertet. Insoweit stimmte seine Auffassung überein mit der der Privatgutachter Prof. Dr. G. , Prof. Dr. M. und Dr. P. . Im Weiteren ist der gerichtliche Sachverständige dann allerdings davon abgerückt, weil es im Jahr 1996 kompetente Wissenschaftler gegeben habe, die eine Überbeatmung für nicht fehlerhaft erachtet hätten. Ob der gerichtliche Sachverständige hierbei in seine Betrachtung einbezogen hat, dass das Gehirn von A. K. auch nach seiner Einschätzung in dem fraglichen Zeitraum bereits vorgeschädigt gewesen sein dürfte, was auch den behandelnden Ärzten aufgrund der Krampfanfälle der Patientin nicht verborgen geblieben sein kann, und dass trotz der durchgeführten Druckkontrollen eine Reduktion der Sauerstoffzufuhr nicht erfolgte, hat das Berufungsgericht bei der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen nicht geklärt. Eine kritische Hinterfragung der Bewertung des Behandlungsgeschehens durch den gerichtlichen Sachverständigen fehlt auch insoweit.
d)
Zwar muss die Bewertung eines Behandlungsgeschehens als grob fehlerhaft in den Ausführungen eines Sachverständigen ihre tatsächliche Grundlage finden und darf keinesfalls entgegen dessen fachlichen Ausführungen bejaht werden (vgl. Senatsurteile vom 25. November 2003 - VI ZR 8/03 -VersR 2004, 645 und vom 12. Februar 2008 - VI ZR 221/06 - VersR 2008, 644). Das bedeutet aber nicht, dass der Richter die Bewertung dem Sachverständigen alleine überlassen und nur die seltenen Fälle, in denen dieser das ärztliche Verhalten als nicht nachvollziehbar bezeichnet, als grob werten darf. Vielmehr hat der Tatrichter darauf zu achten, ob der Sachverständige in seiner Würdigung einen Verstoß gegen elementare medizinische Erkenntnisse oder elementare Behandlungsstandards oder lediglich eine Fehlentscheidung in mehr oder weniger schwieriger Lage erkennt. Im Streitfall ging es um gravierende Fehler, die - sogar für einen Laien erkennbar - den Gesundheitszustand der Patientin lebensbedrohlich verschlechtern mussten. Die Privatgutachter bewerten übereinstimmend die Hyperventilation eines Säuglings über die Dauer von fünf Stunden als medizinisch unverständlich. Die Unaufklärbarkeit der Ursächlichkeit der fehlerhaften medizinischen Behandlung für den Gesundheitsschaden von A. K. beruht auch darauf, dass die Beatmung des Kindes nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist, obwohl allgemein bekannt ist, dass Sauerstoffunterversorgungen bei Säuglingen zu Gehirnschädigungen führen können. Wäre das Kind ordnungsgemäß mit Sauerstoff versorgt worden, ließe sich die Sauerstoffunterversorgung als Ursache für den jetzigen Zustand ausschließen. Die Unaufklärbarkeit von Ursachen ist aber der Grund für die Beweislastumkehr bei einem groben Behandlungsfehler (Senat, BGHZ 159, 48, 57) .
3.
Nach alledem war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ende der Entscheidung
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