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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 25.06.2002
Aktenzeichen: VI ZR 279/01
Rechtsgebiete: SGB VII
Vorschriften:
SGB VII § 106 Abs. 3, 3. Alt. |
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 25. Juni 2002
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg, vom 15. Mai 2001 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt vom Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz für Verletzungen, die er bei einem Unfall am 25. Februar 1998 erlitten hat.
Der Beklagte ist als Einzelunternehmer im Baugewerbe tätig und war im Februar 1998 mit den Dachdeckerarbeiten an einer Garage des Bauherrn Karl H. beauftragt. Zu deren Durchführung stellten in der Firma des Beklagten Beschäftigte ein Gerüst auf, das aus vier eisernen Gerüstböcken bestand, auf denen Dielen lagen. Ein Seitenschutz war nicht vorhanden.
Die Firma K., bei der der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt ist, hatte die Spenglerarbeiten übernommen. Am Unfalltag wollte der Kläger zusammen mit seinem Arbeitskollegen Sch. die Dachrinne und Befestigungshaken montieren. Dazu stieg er auf das Gerüst. Aufgrund eines unbeabsichtigten Stoßes des dort mit Arbeiten beschäftigten Bauherrn verlor er das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Dabei erlitt er erhebliche Verletzungen.
Der Kläger hat behauptet, das Gerüst habe entgegen den "Regeln für Sicherheit und Gesundheitsschutz im Gerüstbau - Allgemeiner Teil DIN 4420" der Bauberufsgenossenschaft keinen Seitenschutz gehabt. Auch seien die Bohlen vorschriftswidrig nicht befestigt gewesen.
Er meint, der Beklagte habe deshalb den Unfall verschuldet. Der Anspruch sei auch nicht durch die §§ 106 Abs. 3, 3. Alt., 105 Abs. 1 SGB VII ausgeschlossen.
Der Kläger hat ein angemessenes Schmerzensgeld, Ersatz bezifferter materieller Schäden sowie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche weiteren zukünftigen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat die Haftung des Beklagten für die Gesundheitsschäden des Klägers verneint, da dem Beklagten das Haftungsprivileg nach § 106 Abs. 3 i.V. mit § 104 Abs. 1 SGB VII zugute komme. Der Kläger sei auf einer "gemeinsamen Betriebsstätte" nach § 106 Abs. 3 SGB VII des Unternehmens seines Arbeitgebers und des Unternehmens des Beklagten tätig geworden. Die Unternehmen seien nicht zufällig an derselben Betriebsstätte zusammen getroffen. Gemeinsames Ziel sei die Herstellung des Gesamtbauwerks und nicht nur die Ausführung des jeweils vom Bauherrn vergebenen Gewerkes gewesen.
II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Selbst wenn - entgegen der Auffassung der Revision - die Ansicht des Berufungsgerichts zutrifft, daß die Baustelle, auf der sich der hier in Rede stehende Unfall zugetragen hat, für das Unternehmen des Beklagten und des Arbeitgebers des Klägers eine gemeinsame Betriebsstätte im Sinne von § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII gewesen ist (vgl. zum Verständnis dieses Begriffs Senatsurteile BGHZ 145, 331 ff. und vom 23. Januar 2001 - VI ZR 70/00 - VersR 2001, 372, 373), greift die in dieser Vorschrift i. V. m. § 104 Abs. 1 SGB VII vorgesehene Haftungsprivilegierung nicht zu Gunsten des Beklagten ein.
2. Die Revision rügt zu Recht, daß nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen der Beklagte als versicherter Unternehmer nicht selbst eine vorübergehende betriebliche Tätigkeit auf der gemeinsamen Betriebsstätte verrichtet und dabei den Kläger verletzt hat und somit die Voraussetzungen für die Haftungsfreistellung des Unternehmers nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII fehlen. Den Feststellungen läßt sich nämlich nicht entnehmen, daß der Beklagte selbst auf der Baustelle tätig geworden ist.
Wie der Senat in seinem nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 3. Juli 2001 ( - VI ZR 284/00 - VersR 2001, 1028 ff., zur Veröff. vorgesehen in BGHZ 148, 214 ff.) entschieden hat, wird ein Unternehmer grundsätzlich nicht nach § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII von seiner Haftung für die gegen ihn gerichteten Ansprüche nach den §§ 823, 831, 847 BGB wegen eines Gesundheitsschadens eines auf einer gemeinsamen Betriebsstätte Tätigen eines anderen Unternehmens befreit. Nur ausnahmsweise kommt die Haftungsfreistellung dem versicherten Unternehmer dann zugute, wenn er selbst auf einer gemeinsamen Betriebsstätte eine betriebliche Tätigkeit verrichtet und dabei den Versicherten eines anderen Unternehmens verletzt. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Rechtfertigung sich in dem Gesichtspunkt der sog. Gefahrengemeinschaft findet (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 2001 - VI ZR 284/00 - aaO und - VI ZR 198/00 - VersR 2001,1156 f., zur Veröffentlichung vorgesehen in BGHZ 148, 209 ff. aaO jeweils unter Hinweis auf BVerfGE 34, 118, 136). Andere Gesichtspunkte, die in den Fällen der §§ 104, 105 SGB VII eine Rolle spielen, wie die Wahrung des Betriebsfriedens oder die Haftungsersetzung durch die an die Stelle des Schadensersatzes tretenden Leistungen der Unfallversicherung, die vom Unternehmer finanziert wird, kommen dagegen im Fall des § 106 Abs. 3, 3. Alt. SGB VII nicht zum Tragen. Sie können deshalb einen Haftungsausschluß, der generell auch für den Unternehmer wirkt, nicht rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2001 - VI ZR 198/00 - aaO).
Weil hiernach der Beklagte nicht von seiner Haftung freigestellt ist, kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.
Ende der Entscheidung
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