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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 27.10.2009
Aktenzeichen: VI ZR 296/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 Abs. 1 |
b) Das Bestehen von Haftpflichtversicherungsschutz wirkt grundsätzlich nicht anspruchsbegründend.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2009
durch
den Vorsitzenden Richter Galke,
die Richter Zoll und Wellner und
die Richterinnen Diederichsen und von Pentz
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Oktober 2008 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige materielle und immaterielle Schäden in Anspruch.
Am 18. März 2007 spielte der Kläger als Mitglied des Fußballvereins MTV R. gegen die Mannschaft des FC E., der der Beklagte angehörte. Während des Spiels kam es zwischen den Parteien zu einem Kampf um den Ball, bei dem der Kläger eine Fraktur des Schien- und Wadenbeins erlitt.
Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe ihn von hinten mit gestrecktem Bein angegriffen, nachdem er den Ball schon abgespielt habe. Der Beklagte hat behauptet, dass beide Parteien nach dem Ball gelaufen seien. Er habe den Ball zuerst erreicht. Der Kläger habe sein Bein nach dem Ball ausgestreckt und dadurch den Lauf des Beklagten gestört. Bei dieser Aktion seien beide Parteien zu Fall gekommen.
Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint eine Haftung des Beklagten für die Unfallschäden des Klägers. Ein Schadensersatzanspruch eines Teilnehmers an einem sportlichen Kampfspiel gegen einen Mitspieler setze den Nachweis voraus, dass dieser sich nicht regelgerecht verhalten habe. Verletzungen, die auch bei regelgerechtem Verhalten auftreten könnten, nehme jeder Spielteilnehmer in Kauf, weshalb es jedenfalls gegen das Verbot des treuwidrigen Selbstwiderspruchs verstoße, wenn der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nehme, obwohl er ebenso gut in die Lage habe kommen können, in der sich nun der Beklagte befinde, sich dann aber (und mit Recht) dagegen gewehrt haben würde, diesem trotz Einhaltens der Spielregeln Ersatz leisten zu müssen. Der Kläger habe den Beweis für einen Regelverstoß von einiger Erheblichkeit nicht geführt. Die Angaben des vom Kläger benannten Zeugen O. seien nicht glaubhafter als die der anderen Zeugen. Auf die Frage, ob der Beklagte haftpflichtversichert sei, komme es nicht an. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Haftungsfreistellung bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential nicht anzunehmen sei, soweit Versicherungsschutz bestehe (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2008 - VI ZR 98/07 - VersR 2008, 540), sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Diese Entscheidung beziehe sich auf einen Schaden bei einer motorsportlichen Veranstaltung, bei der alle Teilnehmer pflichtversichert gewesen seien. Eine Ausdehnung der in diesem Urteil aufgestellten Grundsätze auf private Haftpflichtversicherungen sei dagegen abzulehnen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teilnehmer eines sportlichen Wettbewerbs dem anderen gegenüber hafte, wäre nämlich sonst unterschiedlich je nach beteiligtem Spieler danach zu beantworten, ob eine Haftpflichtversicherung bestehe oder nicht.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.
1.
Die Frage, zu deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, stellt sich im Streitfall allerdings nicht.
a)
Das Berufungsgericht hat die Revision wegen der Frage zugelassen, ob in Fortführung des Senatsurteils vom 29. Januar 2008 (VI ZR 98/07 - VersR 2008, 540) ein Haftungsausschluss bei sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential auch dann nicht in Betracht kommt, wenn eine private Haftpflichtversicherung besteht. In diesem Urteil, dem ein Auffahrunfall während einer motorsportlichen Veranstaltung auf dem Hockenheimring zugrunde lag, hat der erkennende Senat entschieden, dass im Regelfall weder von einem konkludenten Haftungsausschluss ausgegangen noch die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen als treuwidrig angesehen werden kann, wenn für die aufgrund des besonderen Gefahrenpotentials einer Sportveranstaltung zu erwartenden bzw. eintretenden Schäden für die Teilnehmer Versicherungsschutz besteht. Seien die bestehenden Risiken durch eine Haftpflichtversicherung gedeckt, bestehe weder ein Grund für die Annahme, die Teilnehmer wollten gegenseitig auf etwaige Schadensersatzansprüche verzichten, noch erscheine es treuwidrig, wenn der Verletzte den durch die Versicherung gedeckten Schaden geltend mache (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 2008 - VI ZR 98/07 - a.a.O.). Der Senat hat dem Bestehen eines Versicherungsschutzes damit eine anspruchserhaltende Funktion beigemessen.
b)
Auf die Frage, ob die Haftung des Beklagten konkludent abbedungen wurde oder die Geltendmachung gegen ihn gerichteter Ersatzansprüche treuwidrig ist, kommt es im Streitfall aber nicht an. Eine Haftung des Beklagten ist bereits deshalb nicht gegeben, weil die Voraussetzungen des vorliegend allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 823 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind. Es fehlt jedenfalls an dem erforderlichen Verschulden des Beklagten.
aa)
Das Berufungsgericht hat im Ansatz zutreffend angenommen, dass die Haftung eines Sportlers aus § 823 Abs. 1 BGB den Nachweis voraussetzt, dass dieser schuldhaft gegen die Regeln des sportlichen Wettkampfs verstoßen und dabei einen anderen verletzt hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 58, 40, 43; 63, 140, 142; 154, 316, 323; Urteil vom 5. März 1957 - VI ZR 199/56 - VersR 1957, 290). Dagegen scheidet eine Haftung aus, wenn es sich um Verletzungen handelt, die sich ein Sportler bei einem regelgerechten und dem - bei jeder Sportausübung zu beachtenden - Fairnessgebot entsprechenden Einsatz seines Gegners zuzieht (vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 140, 143; 154, 316, 323; OLG Köln, VersR 1994, 1072). In einem solchen Fall hat sich der Schädiger jedenfalls nicht sorgfaltswidrig verhalten (§ 276 BGB, vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 140, 147; vom 10. Februar 1976 - VI ZR 32/74 - VersR 1976, 591; vom 16. März 1976 - VI ZR 199/74 - VersR 1976, 775, 776; OLG Düsseldorf VersR 1996, 343 f.; Wagner in MünchKomm, BGB, 5. Aufl., § 823 Rn. 549; Staudinger/Hager, BGB, 13. Aufl., Vorbem. zu § 823 Rn. 55). Die Sorgfaltsanforderungen an den Teilnehmer eines Wettkampfs bestimmen sich nach den besonderen Gegebenheiten des Sports, bei dem sich der Unfall ereignet hat (vgl. Senatsurteile BGHZ 58, 40, 43; vom 16. März 1976 - VI ZR 199/74 - a.a.O.). Sie sind an der tatsächlichen Situation und den berechtigten Sicherheitserwartungen der Teilnehmer des Wettkampfes auszurichten und werden durch das beim jeweiligen Wettkampf geltende Regelwerk konkretisiert (vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 140, 142 ff.; vom 16. März 1976 - VI ZR 199/74 - a.a.O.; OLG Düsseldorf VersR 1996, 343 f.; Wagner in MünchKomm, a.a.O., Rn. 547).
Die Beweislast für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Schädigers trägt dabei nach allgemeinen Grundsätzen der Verletzte (vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 140, 148; vom 10. Februar 1976 - VI ZR 32/74 - a.a.O.; Wagner in Münch-Komm, a.a.O., Rn. 549; Staudinger/Hager, a.a.O., Rn. 56).
bb)
Tatsachen, die die rechtliche Beurteilung erlauben würden, der Beklagte habe schuldhaft gegen eine dem Schutz des Klägers dienende Spielregel oder gegen das Fairnessgebot verstoßen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es ist nach eigener Beweiswürdigung in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise der Beweiswürdigung des Landgerichts beigetreten, dass sich die Aussagen der von den beiden Parteien benannten Zeugen gegenüberstehen, so dass es keinen sicheren Schluss für die Richtigkeit der Darstellung des Klägers zu ziehen vermöge. Die Angaben des vom Kläger benannten Zeugen O. seien nicht glaubhafter als die der anderen Zeugen, insbesondere des als Schiedsrichter tätigen Zeugen K.. Dass der Zeuge O. keine vollständig korrekte Erinnerung an den Vorfall habe, zeige sich an seiner unstreitig unrichtigen Angabe, der Schiedsrichter habe dem Beklagten die rote Karte gezeigt. Die Zeugen B. und S. hätten keine Regelverletzung beobachtet, sondern einen fairen Kampf um den Ball. Im Rahmen der Beweiswürdigung komme besondere Bedeutung der Aussage des Schiedsrichters K. zu. Dieser habe die Behauptung des Klägers, er habe sich die rote Karte gespart, weil das Spiel sowieso abgebrochen worden sei, gerade nicht bestätigt, sondern angegeben, dass beide Spieler fair eingestiegen seien. Der Beklagte sei nicht gegrätscht, sonst hätte er ein Foul gepfiffen. Gleichwohl seien beide zu Fall gekommen. Wie das genau geschehen sei, wisse er nicht. Im Spielbericht habe er auch nur angegeben, dass die Spieler bei einem Zweikampf zu Fall gekommen seien.
Der Zweikampf um den Ball, bei dem ein oder beide Spieler mitunter zu Fall kommen, gehört aber zum Wesen eines Fußballspiels und begründet deshalb für sich genommen keinen Sorgfaltspflichtverstoß.
c)
Da die Anspruchsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB nicht erfüllt sind, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte haftpflichtversichert war. Das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes vermag das fehlende Verschulden des Beklagten nicht zu ersetzen. Der Versicherungsschutz wirkt grundsätzlich nicht anspruchsbegründend (vgl. BGHZ 23, 90, 99; Senatsurteile vom 13. Juni 1958 - VI ZR 109/57 - VersR 1958, 485, 486 f.; vom 24. April 1979 - VI ZR 8/78 - VersR 1979, 645; vgl. zur Ausnahme bei Bestehen einer Pflichtversicherung für den besonderen verschuldensunabhängigen Anspruch aus Billigkeitsgründen gemäß § 829 BGB: Senatsurteile BGHZ 76, 279, 283; 127, 186, 192). Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass sich die Versicherung nach der Haftung und nicht umgekehrt die Haftung nach der Versicherung richtet (Trennungsprinzip, vgl. Senatsurteile BGHZ 76, 279, 283; 116, 200, 209; 127, 186, 192; BGH, Urteil vom 1. Oktober 2008 - IV ZR 285/06 - VersR 2008, 1560, jeweils m.w.N.).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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