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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.06.2004
Aktenzeichen: VI ZR 343/03
Rechtsgebiete: GG


Vorschriften:

GG Art. 5 Abs. 1 Satz 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

VI ZR 343/03

vom 8. Juni 2004

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Juni 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 7. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 11. November 2003 wird zurückgewiesen, weil sie nicht aufzeigt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO).

Gründe:

Die Aussage des beanstandeten Artikels enthält mit der Wiedergabe des Zitats in seinem Kontext die "verdeckte" Äußerung, der Kläger sei für H.'s Klienten S. verfügbar, um für eine optimierte Berichterstattung über S. in der vom Kläger damals mit herausgegebenen Tageszeitung zu sorgen. Diese nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptung eines Gefälligkeitsjournalismus überschritt die Grenzen des Denkanstoßes und legte sich dem Durchschnittsleser des "Stern" nach dem Wortlaut des Zitats und dem Kontext von Geldflüssen und geldwerten Leistungen an S., der Beschreibung der Geschäfte H.'s und seiner Einflußmöglichkeiten sowie dem "Optimierungszweck" als unabweisliche Schlußfolgerung nahe. Dem stehen die bisherigen Deutungen in den Rechtszügen auch des Verfahrens über den Erlaß einer einstweiligen Verfügung nicht entgegen, die dieselbe Veröffentlichung im Hinblick auf teilweise andere Anträge betrafen. Auch ergibt sich aus dem in Anführungszeichen gesetzten Begriff des "Führungsoffiziers" nichts anderes.

Die behauptete Verfügbarkeit des Klägers für den Klienten H.'s war dem Beweis zugänglich und keine Meinungsäußerung. Soweit sie als meinungsbildend dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG unterfällt, tritt dieser Grundrechtsschutz im Rahmen der hier zu beurteilenden Unterlassungsklage bei der Abwägung gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG zurück, weil die Beklagte vor der Veröffentlichung der den Kläger erheblich beeinträchtigenden und nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung die ihr obliegende Sorgfalt der Recherche nicht gewahrt hat. Zwar ist das Zitat unstreitig echt. Die Beklagte hatte aber auch zu berücksichtigen, daß das Zitat in dem Kontext, den ihm die Beklagte gab, die Verfügbarkeit des Klägers für H.'s Klienten dem Leser als unabweisliche Schlußfolgerung nahelegte. Sie mußte daher ihre journalistische

Sorgfaltspflicht auch auf die Prüfung erstrecken, ob diese (verdeckte) Behauptung wahr sei. Eine Stellungnahme zu dieser dem Zitat hinzugefügten eigenen Behauptung der Beklagten hat sie dem Kläger durch ihre nach eigenem Vortrag zu ungenaue und zu verkürzte telefonische Anfrage, die als wahr unterstellt werden kann, nicht ermöglicht. Selbst unter Berücksichtigung dessen, daß es sich im Streitfall um eine Berichterstattung in besonderem öffentlichem Interesse über den damaligen Minister für Verteidigung handelte, hatte daher hier das Grundrecht der Beklagten aus Art. 5 Abs. 1 GG gegenüber dem Grundrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 GG zurückzutreten. Der Kläger muß zwar eine Berichterstattung über das Konzept H.'s auch unter Nennung seines Namens hinnehmen; das öffentliche Interesse an der Berichterstattung erfordert aber nicht, daß er seine Sicht der Angelegenheit verschweigen muß. Wäre er vor der Veröffentlichung zu dem Artikel gehört worden und wäre seine Stellungnahme zu seiner Beteiligung an dem Konzept, nicht nur zu seiner angeblichen Bezeichnung kurz berichtet worden, wäre dem Leser nur ein Denkanstoß gegeben und keine Schlußfolgerung aufgezwungen worden.

Die Verurteilung zur Unterlassung durch das Berufungsgericht trägt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausreichend Rechnung; die Nichtzulassungsbeschwerde erhebt insoweit keine Beanstandungen.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Streitwert: 60.000,00 €



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