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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 19.02.2002
Aktenzeichen: VI ZR 394/00 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 518 Fassung/ 3. Dezember 1976
Zu den Anforderungen an die ordnungsgemäße Bezeichnung des Berufungsführers in der Berufungsschrift.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 394/00

Verkündet am: 19. Februar 2002

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, die Richter Dr. Dressler, Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und den Richter Pauge

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten zu 2 wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 17. Oktober 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zu 2 gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 22. Januar 1999 als unzulässig verworfen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Ersatz aufgewendeter Finanzierungs- und Lagerungskosten für Butter, die ihre Rechtsvorgängerin im Zeitraum zwischen November 1978 und Mai 1979 von der Beklagten zu 2 angekauft hat.

Der Beklagte zu 1 war seinerzeit verantwortlicher Betriebsleiter des Molkereiunternehmens Z. KG, das mit der Klage im vorliegenden Rechtsstreit als Beklagte zu 2 in Anspruch genommen wurde. Im Jahre 1991 wurden sämtliche Gesellschaftsanteile der Beklagten zu 2 auf die Z. GmbH übertragen; die Z. KG wurde im Handelsregister gelöscht.

Die Klägerin ist staatliche Interventionsstelle für Agrarprodukte im Rahmen der gemeinsamen Marktordnung der Europäischen Gemeinschaften. Ihrer Rechtsvorgängerin oblag im genannten Zeitraum der Ankauf solcher Agrarprodukte, für welche die Marktordnung eine staatliche Intervention zu festgelegten Preisen vorsah. Gegenstand der Intervention war unter anderem frische ungesalzene Butter, die, um interventionsfähig zu sein, vorgegebenen Qualitätsanforderungen entsprechen mußte; insbesondere durfte sie nur einen Wassergehalt von nicht mehr als 16 % aufweisen. In diesem Rahmen erwarb die Rechtsvorgängerin der Klägerin zwischen November 1978 und Mai 1979 unter anderem 321,4 t Butter von der Z. KG und lagerte sie ein. Nachdem sie die Butter wegen Manipulationsverdachts gegen den Beklagten zu 1 hatte nachuntersuchen lassen, verneinte sie deren Interventionsfähigkeit mit der Begründung, der Wassergehalt liege jenseits der 16 %-Marke, und gab die Butter zurück.

Im Jahre 1981 wurde der Beklagte zu 1 wegen Betruges in Tateinheit mit Untreue im Zusammenhang mit der Herstellung sogenannter "Wasserbutter" rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Im vorliegenden Rechtsstreit hat das Oberlandesgericht den Schadensersatzanspruch der Klägerin gegenüber beiden Beklagten für die Finanzierungs- und Lagerungskosten durch rechtskräftiges Urteil vom 11. März 1988 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Im anschließenden Betragsverfahren hat das Landgericht mit Urteil vom 22. Januar 1999 die Beklagten zur Zahlung von 435.898,33 DM nebst Zinsen verurteilt; in dieser Entscheidung ist die Beklagte zu 2 weiterhin als Z. KG bezeichnet. Die Berufung des Beklagten zu 1 hatte insoweit teilweise Erfolg, als die Verurteilungssumme auf 418.962,91 DM ermäßigt wurde.

Auch namens der Beklagten zu 2, die im Berufungsschriftsatz vom 26. Februar 1999 immer noch als Z. KG aufgeführt ist, wurde Berufung eingelegt; nach Erteilung eines richterlichen Hinweises hat die Beklagte zu 2 mit Schriftsatz vom 4. Januar 2000 erklärt, die Berufung sei von der Z. GmbH eingelegt worden. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Beklagten zu 2 als unzulässig verworfen. Des weiteren hat es Wiederaufnahmeanträge beider Beklagten gegen das Grundurteil vom 11. März 1988, die es dem Parteivorbringen entnommen hat, ebenfalls als unzulässig verworfen.

Mit ihren Revisionen verfolgen die Beklagten ihr auf Klageabweisung gerichtetes Begehren weiter. Der Senat hat die Revision des Beklagten zu 1 nicht angenommen, desgleichen die Revision der Beklagten zu 2, soweit sie gegen die Verwerfung eines Wiederaufnahmeantrages gerichtet und daher nicht gemäß § 547 ZPO a. F. unbeschränkt statthaft war.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt zur Begründung der Verwerfung der Berufung der Beklagten zu 2 an, die mit Schriftsatz vom 26. Februar 1999 von der Z. KG eingelegte Berufung sei unzulässig, da die KG seinerzeit bereits erloschen gewesen sei und deshalb keine wirksamen Prozeßhandlungen mehr habe vornehmen können. Die Z. GmbH als Rechtsnachfolgerin der Z. KG, die nachträglich als Beklagte zu 2 und Berufungsführerin bezeichnet worden sei, habe jedenfalls die Berufungsfrist versäumt.

Eine fristwahrende Berufung sei durch die Z. GmbH nicht eingelegt worden. Der am 26. Februar 1999 eingegangene Schriftsatz könne nicht in eine Berufung der Z. GmbH umgedeutet werden. Zwar seien bei der Einlegung von Rechtsmitteln Falschbezeichnungen unschädlich, die für das Gericht und den Gegner offensichtlich seien; erforderlich sei jedoch, daß der Inhalt der Rechtsmittelschrift eine Auslegung zulasse. Das sei hier nicht der Fall, da ausdrücklich die Z. KG als Berufungsklägerin aufgeführt und von einer Rechtsnachfolge nichts erwähnt sei. Auch unter Berücksichtigung des Inhalts des Handelsregisters könne in dem maßgeblichen Schriftsatz keine Berufung der Z. GmbH gesehen werden.

II.

Diese Überlegungen des Berufungsgerichts halten den Angriffen der Revision der Beklagten zu 2 nicht stand. Deren Berufung ist nicht wegen Versäumung der Berufungsfrist unzulässig. Vielmehr muß der am 26. Februar 1999 (und damit rechtzeitig im Sinne des § 516 ZPO a. F.) beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz der Beklagten zu 2 dahin verstanden werden, daß die Z. GmbH als Rechtsnachfolgerin der Z. KG Berufung eingelegt hat. Daß in diesem Schriftsatz die KG und nicht die GmbH als Berufungsklägerin bezeichnet worden ist, ist unschädlich.

1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend davon aus, daß zum notwendigen Inhalt der Berufungsschrift gemäß § 518 Abs. 2 ZPO a. F. auch die Angabe gehört, für und gegen welche Partei das Rechtsmittel eingelegt wird; aus der Berufungsschrift muß entweder für sich allein oder mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen sein, wer Berufungskläger und wer Berufungsbeklagter sein soll (vgl. Senatsbeschluß vom 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - VersR 1996, 251 m.w.N.). Dabei sind vor allem an die eindeutige Bezeichnung des Rechtsmittelführers strenge Anforderungen zu stellen; bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung muß jeder Zweifel an der Person des Rechtsmittelklägers ausgeschlossen sein (vgl. Senatsurteil vom 13. Oktober 1998 - VI ZR 81/98 - VersR 1999, 636, 637 m.w.N.). Dies bedeutet jedoch nicht, daß die erforderliche Klarheit über die Person des Berufungsklägers ausschließlich durch dessen ausdrückliche Bezeichnung zu erzielen wäre; sie kann auch im Wege der Auslegung der Berufungsschrift und der etwa sonst vorliegenden Unterlagen gewonnen werden (vgl. Senatsbeschluß vom 7. November 1995 - VI ZR 12/95 - aaO; BGH, Beschluß vom 29. April 1982 - I ZB 2/82 - VersR 1982, 769, 770). Dabei sind, wie auch sonst bei der Ausdeutung von Prozeßerklärungen, alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu berücksichtigen.

2. Die Anforderungen an die zur Kennzeichnung der Rechtsmittelparteien nötigen Angaben richten sich nach dem prozessualen Zweck dieses Erfordernisses, also danach, daß im Falle einer Berufung, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befaßten Gericht eröffnet, zur Erzielung eines auch weiterhin geordneten Verfahrensablaufs aus Gründen der Rechtssicherheit die Parteien des Rechtsmittelverfahrens, insbesondere die Person des Rechtsmittelführers, zweifelsfrei erkennbar sein müssen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - aaO m.w.N.). Schon im Hinblick darauf, daß die durch das Grundgesetz gewährleisteten Verfassungsgarantien es verbieten, den Zugang zu den in den Verfahrensordnungen eingerichteten Instanzen in einer aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise zu erschweren (vgl. BVerfG, NJW 1991, 3140 m.w.N.), darf die Zulässigkeit einer Berufung nicht an unvollständigen oder fehlerhaften Bezeichnungen der Parteien des Berufungsverfahrens scheitern, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen (vgl. Senatsbeschluß vom 7. November 1995 - VI ZB 12/95 - aaO, 252).

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Berufung der Beklagten zu 2 nicht mit der Begründung verneinen, das Rechtsmittel sei durch den Schriftsatz vom 26. Februar 1999 nicht rechtswirksam eingelegt worden. Denn bei dem sachlich gebotenen Verständnis dieser Rechtsmittelschrift konnten hinsichtlich der rechtsmittelführenden Partei keine vernünftigen Zweifel aufkommen.

a) Aus dem genannten Schriftsatz ergab sich eindeutig, daß das erstinstanzliche Urteil von seiten der Beklagten zu 2 angegriffen werde. Aus diesem Grund konnte das Berufungsgericht der Klägerin als Rechtsmittelgegnerin ohne weiteres die Rechtsmittelschrift zustellen. Es bestand auch keine Verwechslungsgefahr. Zwar war in der Berufungsschrift die Z. KG als Beklagte zu 2 und Berufungsklägerin aufgeführt, während in Wirklichkeit bereits zu diesem Zeitpunkt die Z. GmbH diese Parteirolle innehaben sollte. Dies beruhte jedoch nur darauf, daß die GmbH durch den Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile an der KG im Wege der Gesamtrechtsnachfolge an deren Stelle getreten war. Die KG existierte nicht mehr; sie war mit der Abtretung der Gesellschaftsanteile ohne Liquidation erloschen (vgl. dazu BGHZ 71, 296, 299 f.), so daß eine Verwechslung mit der GmbH nicht in Betracht kam.

b) Weiter ist zu bedenken, daß trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge sowohl das Urteil des Landgerichts vom 22. Januar 1999 als auch das des Berufungsgerichts vom 17. Oktober 2000 noch gegen die KG als Beklagte zu 2 ergingen und ergehen durften. Da die KG vor dem Landgericht anwaltlich vertreten war, trat gemäß § 246 Abs. 1 ZPO trotz ihres Erlöschens keine Unterbrechung des Verfahrens nach § 239 ZPO ein; vielmehr wurde der Prozeß unter der alten Parteibezeichnung fortgeführt. Die im Hinblick auf die Gesamtrechtsnachfolge unzutreffende Bezeichnung der Beklagten zu 2 im Rubrum konnte (und kann weiterhin) jederzeit als offenbare Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO berichtigt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Juni 1994 - X ZR 44/93 - GRUR 1996, 865). Unter diesen Umständen ist es auch als unschädliche Falschbezeichnung anzusehen, wenn eine während des Rechtsstreits mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge untergegangene Partei noch als Rechtsmittelklägerin in einer Rechtsmittelschrift aufgeführt wird; auch insoweit ist eine jederzeitige Berichtigung möglich (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 5. Februar 1958 - IV ZR 204/57 - LM ZPO § 325 Nr. 10; BFHE 162, 99, 101).

4. Da die Überlegungen des Berufungsgerichts die Verwerfung der Berufung der Beklagten zu 2 als unzulässig nicht zu tragen vermögen, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat weder zur Frage der Zulässigkeit der Berufung noch - erst recht nicht - zu ihrer Begründetheit möglich. Ersterem steht entgegen, daß das Berufungsgericht bisher der von Klägerseite erhobenen Rüge der mangelnden ordnungsgemäßen Prozeßvollmacht der im Namen der Beklagten zu 2 handelnden Rechtsanwälte nicht in der gebotenen Weise nachgegangen ist. Soweit sich im Berufungsurteil Ausführungen zur sachlich-rechtlichen Beurteilung des Berufungsvorbringens der Beklagten zu 2 finden, sind diese vom Senat nicht zu berücksichtigen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. Oktober 1998 - LwZR 3/98 - NJW 1999, 794, 795).

Ende der Entscheidung

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