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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.12.2006
Aktenzeichen: VI ZR 45/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Ah
Die Bezeichnung "Terroristentochter" kann im konkreten Kontext eines Presseartikels zulässig sein.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

VI ZR 45/05

Verkündet am: 5. Dezember 2006

in dem Rechtsstreit

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. Januar 2005 aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 30. Juni 2004 in der Fassung des Beschlusses vom 4. August 2004 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist als freie Journalistin für verschiedene Zeitschriften tätig. Die Beklagte veranstaltet das Internet-Angebot zur Print-Ausgabe der "F. Zeitung".

Die Beklagte veröffentlichte am 4. September 2003 einen Artikel unter der Überschrift "Enthüllungen - Die Terroristin und der Figaro". Dieser beschäftigte sich mit dem Berliner Frisör U.W. und dessen Kundschaft, zu der auch bekannte Politiker gehören. In ihm wird ausgeführt, der Frisör habe auch die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof zu einem Zeitpunkt frisiert, als diese bereits wegen Mordes gesucht worden sei. Dies sei in einem Artikel der Tageszeitung "Die Welt" enthüllt worden, den die Klägerin verfasst habe.

Der Beitrag weist darauf hin, dass die Klägerin die Tochter Ulrike Meinhofs sei und sich vor einigen Jahren mit der Rolle des früheren Außenministers Fischer im Rahmen der Unruhen in Frankfurt befasst habe. Weiter heißt es:

"Auf dem Höhepunkt der Debatte um Fischers Vergangenheit war die Berichterstattung gekippt. Die Kollegen wandten sich nun der Jägerin zu, die in den Portraits alles andere als schmeichelhaft wegkam: Als fanatische, verbitterte Verschwörungstheoretikerin erschien R., die die "Achtundsechziger" abgrundtief hasste und sie, wie die "Welt" einmal schrieb, "auch mit sonderbaren Methoden" bekämpfte. Statt Respekt brachte man ihr allenfalls Mitleid entgegen, der offenbar traumatisierten Terroristentochter, die als Siebenjährige in ein jordanisches Palästinensercamp verfrachtet werden sollte, bevor sie der heutige "Spiegel" - Chefredakteur S. A. aus den Händen der RAF befreite."

Die Klägerin hat u.a. 1995 in einer Titelgeschichte des "Spiegel" "über ihre Kindheit im Schatten des Terrorismus" als Ulrike Meinhofs Tochter berichtet. Im "Stern" veröffentlichte sie 1998 unter dem Titel "Mythos Ulrike Meinhof" einen persönlichen Nachruf. Auf ihrer Homepage findet sich ein "Button", der neben dem Namen der Klägerin auf "Ulrike Meinhof" hinweist. Ein weiterer "Button" verweist auf den "Mythos RAF". Außerdem findet sich eine Seite, die neben einem Foto der Klägerin auf ein neues Hörbuch über Ulrike Meinhof hinweist sowie eine fotographische Gegenüberstellung eines Fahndungsfotos von Ulrike Meinhof und eines Fotos der Klägerin sowie einen "RAF-Song" enthält.

Nachdem sich die Beklagte in einer Unterlassungserklärung vom 2. Oktober 2003 verpflichtet hatte, den Zusatz "offenbar traumatisiert" zu unterlassen, wendet sich die Klägerin mit der Klage gegen ihre Bezeichnung als Terroristentochter.

Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Beklagten verboten, die Klägerin als "Terroristentochter" zu bezeichnen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin den Antrag auf Klagabweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts hat die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Bezeichnung der Klägerin als "Terroristentochter" unterlässt (§ 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog). Die Bezeichnung verletze die Klägerin rechtswidrig in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Die Äußerung "Terroristentochter" stelle eine Tatsachenbehauptung dar. Ein durchschnittlicher Leser verstehe den abstrakten Aussagegehalt der Bezeichnung dahin, dass jemand die Tochter von Terroristen oder eines Terroristen sei. Durch den Bezug zu Ulrike Meinhof sei für den durchschnittlichen Leser klargestellt, dass die Bezeichnung im Sinn von "Terroristin-Tochter" gemeint sei.

Es könne dahingestellt bleiben, inwieweit die Klägerin grundsätzlich dulden müsse, dass auf ihre Abstammung von Ulrike Meinhof hingewiesen werde. Selbst wenn sie dies hinnehmen müsse, dürfe ihre familiäre Abstammung von Ulrike Meinhof nicht durch das eindringliche Schlagwort "Terroristentochter" zum Ausdruck gebracht werden. Zu familiären Beziehungen als Teil der Privatsphäre hätten andere grundsätzlich nur Zugang, soweit er ihnen gestattet werde. Die Klägerin habe keine Einwilligung erteilt, die familiäre Beziehung zu ihrer Mutter und ihre Abstammung darauf zu reduzieren, dass sie eine "Terroristentochter" sei. Sie müsse die Bezeichnung daher nicht dulden.

Etwas anderes gelte auch nicht deswegen, weil die Klägerin mehrfach über Ulrike Meinhof und den RAF-Terrorismus veröffentlicht und dabei auch offen gelegt habe, dass sie die Tochter von Ulrike Meinhof sei. Die Klägerin sei als freie Journalistin tätig. Im Rahmen der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierten Pressefreiheit habe sie das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt und Form ihrer Veröffentlichungen selbst zu bestimmen. Der Ton, in dem sie ihre Artikel verfasse, sei Teil der Meinungsfreiheit. Dass sie die Grenze zur Schmähung überschritten habe, werde nicht vorgetragen.

Die Bezeichnung "Terroristen-Tochter" sei rechtswidrig. Zwar habe niemand einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, wie er sich selbst sehe, wohl aber darauf, zutreffend und nicht verfälscht dargestellt zu werden.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Das Berufungsgericht hat die erforderliche Abwägung zwischen dem durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG nicht vorgenommen. Das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG hat es nur im Hinblick auf die Tätigkeit der Klägerin als freie Journalistin und dem sich daraus für sie ergebenden Grundrechtsschutz angesprochen. Darauf kommt es aber nach Lage des Falles nicht an. Es geht hier vielmehr um die Frage, ob die Beklagte die Klägerin im konkreten Kontext als Terroristentochter bezeichnen durfte. Für die Entscheidung dieser Frage hätte es einer Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten der Parteien bedurft.

1. Welche Maßstäbe für diese Abwägung gelten, hängt grundsätzlich vom Aussagegehalt der Äußerung ab, also von deren Einstufung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung. Diese Unterscheidung ist deshalb grundsätzlich geboten, weil der Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG bei Meinungsäußerungen regelmäßig stärker ausgeprägt ist als bei Tatsachenbehauptungen. Vorliegend hat das Berufungsgericht die beanstandete Äußerung als Tatsachenbehauptung eingestuft. Das ist insofern richtig, als die Äußerung einen tatsächlichen Gehalt hat, nämlich dahin, dass durch den Bezug zu Ulrike Meinhof für den durchschnittlichen Leser klargestellt wird, dass die Bezeichnung in dem Sinne "Tochter einer Terroristin" gemeint ist. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung lässt sich der Aussage nicht entnehmen, dass sich die Klägerin etwa mit den Zielen von Terroristen, insbesondere der RAF identifiziert habe. Ein solches Verständnis kann nach dem Inhalt des gesamten Artikels ausgeschlossen werden und das Berufungsgericht hat die Aussage auch nicht in diesem Sinn verstanden.

Durch die Einstufung als Tatsachenbehauptung wird der Aussagegehalt der Äußerung jedoch nicht vollständig erfasst, zumal die Wahrheit des tatsächlichen Kerns nicht im Streit steht. Vielmehr geht es darum, ob die gewählte Formulierung als solche zulässig war. Soweit es um den Tatsachenkern geht, ist zu beachten, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG sich auch auf die Äußerung von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, indem sie etwa darauf gerichtet sind, dem Leser ein eigenes Urteil über ein geschildertes Verhalten zu ermöglichen (vgl. BVerfGE 90, 241, 247 f.; BVerfG NJW 2003, 1109; NJW 2003, 3760; Senatsurteil vom 26. November 1996 - VI ZR 323/95 - VersR 1997, 325, 326). Gleiches gilt, wenn es um eine Äußerung geht, in der sich Tatsachen und Meinungen vermengen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 13, 20 f.; 139, 95, 101 f.; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446). Beides ist hier der Fall, so dass es vom Aussagegehalt her einer Abwägung zwischen den widerstreitenden Grundrechten bedarf.

2. a) Das Berufungsgericht hat nicht begründet, warum es die nach den vorstehenden Ausführungen grundsätzlich gebotene Abwägung nicht vorgenommen hat. Es hat lediglich ausgeführt, die familiäre Abstammung der Klägerin von Ulrike Meinhof dürfe nicht durch das eindringliche Schlagwort "Terroristentochter" zum Ausdruck gebracht werden. Die Klägerin habe keine Einwilligung erteilt, die familiäre Beziehung zu ihrer Mutter und ihre Abstammung darauf zu reduzieren, dass sie eine "Terroristentochter" sei. Sie müsse die Bezeichnung daher nicht dulden. Wenn das Berufungsgericht damit die Äußerung als unzulässige Schmähung oder Formalbeleidigung bewerten wollte und eine solche vorläge, wäre in der Tat unabhängig von der Einstufung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung keine Abwägung erforderlich gewesen, weil derartige Äußerungen grundsätzlich unzulässig sind und deshalb in solchen Fällen die Meinungsfreiheit regelmäßig zurücktreten muss (vgl. z.B. BVerfGE 93, 266, 293 f.; 61, 1, 12; BVerfG NJW 1999, 2358, 2359; Senatsurteil vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446). Aus diesem Grund sind an die Bewertung einer Äußerung als Schmähung strenge Maßstäbe anzulegen, weil andernfalls eine umstrittene Äußerung ohne Abwägung dem Schutz der Meinungsfreiheit entzogen und diese damit in unzulässiger Weise verkürzt würde (vgl. BVerfG NJW 1995, 1475, 1477; Senatsurteil BGHZ 143, 199, 208 ff. m. w. N.).

Nach den vom Bundesverfassungsgericht und dem Bundesgerichtshof in zahlreichen Entscheidungen entwickelten Grundsätzen für die Beurteilung einer Konfrontation zwischen allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Freiheit der Meinungsäußerung stellt die beanstandete Äußerung in ihrem konkreten Kontext keine Schmähung oder Formalbeleidigung dar.

b) Da es der Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, sind angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch starke Formulierungen hinzunehmen (BVerfGE 24, 278, 286). Das gilt auch für Äußerungen, die in scharfer und abwertender Kritik bestehen, mit übersteigerter Polemik vorgetragen werden oder in ironischer Weise formuliert sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 1993 - VI ZR 23/93 - VersR 1994, 57, 59; vom 20. Mai 1986 - VI ZR 242/85 - VersR 1986, 992). Der Kritiker darf seine Meinung grundsätzlich auch dann äußern, wenn sie andere für "falsch" oder für "ungerecht" halten (Senatsurteile vom 30. Mai 2000 - VI ZR 276/99 - VersR 2000, 1162, 1163; vom 12. Oktober 1993 - VI ZR 23/93 - aaO; vom 30. Mai 1978 - VI ZR 117/76 - NJW 1978, 1797, 1798). Auch die Form der Meinungsäußerung unterliegt der durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung des Äußernden (BVerfGE 60, 234, 241). Verfolgt der Äußernde nicht eigennützige Ziele, sondern dient sein Beitrag dem geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage, dann spricht die Vermutung für die Zulässigkeit der Äußerung; eine Auslegung der die Meinungsfreiheit beschränkenden Gesetze, die an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik überhöhte Anforderungen stellt, ist mit Art. 5 Abs. 1 GG nicht vereinbar (BVerfGE 42, 163, 170; 66, 116, 139; 68, 226, 232). Für die Beurteilung der Reichweite des Grundrechtsschutzes aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG kommt es ferner maßgeblich darauf an, ob und in welchem Ausmaß der von den Äußerungen Betroffene seinerseits an dem von Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess öffentlicher Meinungsbildung teilgenommen, sich damit aus eigenem Entschluss den Bedingungen des Meinungskampfes unterworfen und sich durch dieses Verhalten eines Teils seiner schützenswerten Privatsphäre begeben hat (BVerfGE 54, 129, 138). Erst wenn bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll, hat die Äußerung - auch wenn sie eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage betrifft - regelmäßig hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzutreten (vgl. BVerfGE 82, 272, 283 f.; 85, 1, 16; Senatsurteile BGHZ 143, 199, 209; vom 16. November 2004 - VI ZR 298/03 - VersR 2005, 277, 279; vom 29. Januar 2002 - VI ZR 20/01 - VersR 2002, 445, 446; vom 12. Oktober 1993 - VI ZR 23/93 - aaO).

c) Eine solche auf die Person der Klägerin abzielende, den Sachbezug verdrängende Schmähungsabsicht oder eine Formalbeleidigung kann der beanstandeten Äußerung nicht entnommen werden. Hierbei ist zu beachten, dass eine Äußerung nach ständiger Rechtsprechung nicht isoliert zu würdigen ist, sondern in dem Gesamtzusammenhang, in dem sie gefallen ist (vgl. Senatsurteile BGHZ 132, 13, 20; vom 25. März 1997 - VI ZR 102/96 - VersR 1997, 842, 843; vom 28. Juni 1994 - VI ZR 252/93 - VersR 1994, 1120, 1121). Insoweit ist von Bedeutung, dass der Artikel an Vorwürfe anknüpft, welche die Klägerin gegen den Berliner Frisör U. W. und gegen den früheren Außenminister Fischer erhoben hat. In beiden Fällen bezogen sich die Vorwürfe auf deren Verhalten in der "68er" - bzw. "RAF" - Zeit. Hintergrund des von der Beklagten veröffentlichten Artikels sind also eigene Veröffentlichungen der Klägerin über diese Zeit, in denen sich die Klägerin in einer die Öffentlichkeit unmittelbar berührenden Weise mit dem Phänomen des RAF-Terrorismus und dem Verhalten anderer, der Öffentlichkeit bekannter Personen in dieser Zeit auseinandergesetzt hat, und hinsichtlich derer der Artikel einen Bezug zur damaligen Lebensgeschichte der Klägerin als Tochter der Terroristin Ulrike Meinhof hergestellt hat. Unter diesen Umständen handelt es sich bei dem Artikel der Beklagten um eine grundsätzlich zulässige Berichterstattung im Rahmen eines öffentlich ausgetragenen Meinungskampfes, bei der nicht die Diffamierung der Betroffenen, sondern die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht. Wenn im Rahmen einer solchen Auseinandersetzung die Klägerin als Terroristentochter bezeichnet wird, kann dies - zumal im Hinblick auf den von der Klägerin selbst bei ihren einschlägigen Veröffentlichungen angeschlagenen Ton, den auch das Berufungsgericht einer kritischen Würdigung unterzogen hat - jedenfalls im konkreten Kontext des Artikels nicht als unzulässige Schmähung angesehen werden, so dass die Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten nicht von vornherein hinter das Persönlichkeitsrecht der Klägerin zurückzutreten hat.

3. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zugunsten des Persönlichkeitsrechts der Klägerin ins Gewicht, dass die beanstandete Äußerung scharf und polemisch formuliert ist und zweifellos die Persönlichkeit der Klägerin nicht umfassend beschreibt, zumal diese nur die ersten sieben Jahre ihres Lebens mit ihrer Mutter zusammenlebte und weder zu ihrer Mutter noch zu anderen RAF-Mitgliedern Kontakt hatte, nachdem ihre Mutter in den Untergrund gegangen war. Deshalb bedeutet diese Äußerung sowohl nach ihrem tatsächlichen Gehalt als auch in der konkreten Formulierung für die Klägerin eine gravierende persönliche Belastung.

Andererseits ist auf Seiten der Meinungsfreiheit zu beachten, dass es sich seitens der Beklagten um einen Beitrag von öffentlichem Interesse handelt, der zur Meinungsbildung bei der Bewertung von Fragen beitragen sollte, die die Klägerin selbst durch ihre Äußerungen über U. W., den früheren Außenminister Fischer und durch andere Veröffentlichungen in die Öffentlichkeit getragen hat, und für deren Beurteilung auch der persönliche Lebenshintergrund der Verfasserin von Bedeutung war. Auch hat die Klägerin ihre Abstammung nicht geheim gehalten, sondern in zahlreichen Veröffentlichungen dargestellt. Nach der Rechtsprechung sowohl des Bundesverfassungsgerichts als auch des erkennenden Senats kann sich jedoch niemand auf ein Recht zur Privatheit hinsichtlich solcher Tatsachen berufen, die er selbst der Öffentlichkeit preisgegeben hat (vgl. BVerfGE 101, 361, 385; Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - VersR 2005, 84, 85; vom 9. Dezember 2003 - VI ZR 373/02 - VersR 2004, 522, 524 und - VI ZR 404/02 - VersR 2004, 525, 526). Deshalb kann der Schutz der Privatsphäre vor öffentlicher Kenntnisnahme dort entfallen oder zumindest im Rahmen der Abwägung zurücktreten, wo sich der Betroffene selbst damit einverstanden gezeigt hat, dass bestimmte, gewöhnlich als privat geltende Angelegenheiten öffentlich gemacht werden; die Erwartung, dass die Umwelt die Angelegenheiten oder Verhaltensweisen in einem Bereich mit Rückzugsfunktion nur begrenzt oder nicht zur Kenntnis nimmt, muss situationsübergreifend und konsistent zum Ausdruck gebracht werden (vgl. BVerfGE 101, 361, 385; BVerfG NJW 2006, 3406, 3408; Senatsurteil vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03 - aaO, 85 f. m. w. N.). Daran fehlt es hier.

Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin seinerzeit durch Art und Gegenstand ihrer Veröffentlichungen selbst eine Diskussion über ihre publizistische Tätigkeit herausgefordert hat und die Beklagte auch in diesem Zusammenhang zur Meinungsbildung Dritter beitragen durfte. Bei der gebotenen Gesamtabwägung all dieser Umstände stellt sich die von der Beklagten gewählte Formulierung im konkreten Kontext als noch zulässig und damit nicht als rechtswidrig dar. Die berufliche Stellung der Klägerin als Journalistin ist insoweit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht von Bedeutung, weil es hier nicht um eine Beschränkung der journalistischen Tätigkeit der Klägerin geht, sondern darum, ob das Grundrecht der Beklagten auf Meinungsfreiheit durch einen Unterlassungsausspruch eingeschränkt werden darf.

4. Nach alldem kann das Berufungsurteil nicht bestehen bleiben. Da die zu beurteilenden Tatsachen feststehen und somit eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist, kann der Senat aufgrund seiner eigenen Abwägung abschließend entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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